Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Völkern sind sie durch Gesetze verboten, und mit bürgerlichen Strafen belegt worden. Kein einziger glaubwürdiger Schriftsteller führt ein ausdrückliches Gesetz an, wornach in Athen die Ausgelassenheit der körperlichen Geschlechtssympathie unter Männern, und noch viel weniger unter Weibern geradezu verbothen gewesen wäre. 1) Es wird vielmehr aus einem Gesetze des Solon, welches den Sklaven die Männerliebe verwehrt, ziemlich wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber freyen Menschen die Sorge für ihre Sittsamkeit selbst überlassen habe. Die Verordnungen, die er und seine Nachfolger über diesen Punkt gemacht haben, suchen nur der Verführung, der Gewalt, und der schnöden Gewinnsucht vorzubeugen. Sie suchen die Begierden durch Entfernung äußerer Bewegungsgründe zu zügeln, aber sie verdammen nicht den Reitz, den der Mensch in seinen Trieben selbst fand, und diejenige Befriedigung derselben, die aus freyer Willkühr beyder interessierter Personen gewährt wurde. Ein Mann, der sich in die Gymnasien der unverdorbenen Jugend einschlich, um diese zu verführen, war des Todes schuldig. Wer sich für Geld ergab, verlor alle Rechte des Bürgers, und harte Strafen erwarteten denjenigen, der Personen, die in seiner Gewalt waren, andern zum Mißbrauche überließ, oder durch Raub oder Verführung junge Männer um ihre Unschuld brachte. 2) Also nicht die Sache selbst, sondern nur die Art, wie sie geschah, war ein Gegenstand der atheniensischen Gesetzgebung. 1) Eine merkwürdige hierher gehörige Stelle beym Plato de Legg. VIII. p. 836. 2) Petitus de Legg. atticis. Libr. VI. Tit V.
Völkern sind sie durch Gesetze verboten, und mit bürgerlichen Strafen belegt worden. Kein einziger glaubwürdiger Schriftsteller führt ein ausdrückliches Gesetz an, wornach in Athen die Ausgelassenheit der körperlichen Geschlechtssympathie unter Männern, und noch viel weniger unter Weibern geradezu verbothen gewesen wäre. 1) Es wird vielmehr aus einem Gesetze des Solon, welches den Sklaven die Männerliebe verwehrt, ziemlich wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber freyen Menschen die Sorge für ihre Sittsamkeit selbst überlassen habe. Die Verordnungen, die er und seine Nachfolger über diesen Punkt gemacht haben, suchen nur der Verführung, der Gewalt, und der schnöden Gewinnsucht vorzubeugen. Sie suchen die Begierden durch Entfernung äußerer Bewegungsgründe zu zügeln, aber sie verdammen nicht den Reitz, den der Mensch in seinen Trieben selbst fand, und diejenige Befriedigung derselben, die aus freyer Willkühr beyder interessierter Personen gewährt wurde. Ein Mann, der sich in die Gymnasien der unverdorbenen Jugend einschlich, um diese zu verführen, war des Todes schuldig. Wer sich für Geld ergab, verlor alle Rechte des Bürgers, und harte Strafen erwarteten denjenigen, der Personen, die in seiner Gewalt waren, andern zum Mißbrauche überließ, oder durch Raub oder Verführung junge Männer um ihre Unschuld brachte. 2) Also nicht die Sache selbst, sondern nur die Art, wie sie geschah, war ein Gegenstand der atheniensischen Gesetzgebung. 1) Eine merkwürdige hierher gehörige Stelle beym Plato de Legg. VIII. p. 836. 2) Petitus de Legg. atticis. Libr. VI. Tit V.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="139"/> Völkern sind sie durch Gesetze verboten, und mit bürgerlichen Strafen belegt worden.</p> <p>Kein einziger glaubwürdiger Schriftsteller führt ein ausdrückliches Gesetz an, wornach in Athen die Ausgelassenheit der körperlichen Geschlechtssympathie unter Männern, und noch viel weniger unter Weibern geradezu verbothen gewesen wäre. <note place="foot" n="1)">Eine merkwürdige hierher gehörige Stelle beym <hi rendition="#aq">Plato de Legg. VIII. p. 836.</hi></note> Es wird vielmehr aus einem Gesetze des Solon, welches den Sklaven die Männerliebe verwehrt, ziemlich wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber freyen Menschen die Sorge für ihre Sittsamkeit selbst überlassen habe. Die Verordnungen, die er und seine Nachfolger über diesen Punkt gemacht haben, suchen nur der Verführung, der Gewalt, und der schnöden Gewinnsucht vorzubeugen. Sie suchen die Begierden durch Entfernung äußerer Bewegungsgründe zu zügeln, aber sie verdammen nicht den Reitz, den der Mensch in seinen Trieben selbst fand, und diejenige Befriedigung derselben, die aus freyer Willkühr beyder interessierter Personen gewährt wurde. Ein Mann, der sich in die Gymnasien der unverdorbenen Jugend einschlich, um diese zu verführen, war des Todes schuldig. Wer sich für Geld ergab, verlor alle Rechte des Bürgers, und harte Strafen erwarteten denjenigen, der Personen, die in seiner Gewalt waren, andern zum Mißbrauche überließ, oder durch Raub oder Verführung junge Männer um ihre Unschuld brachte. <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Petitus de Legg. atticis. Libr. VI. Tit V.</hi></note> Also nicht die Sache selbst, sondern nur die Art, wie sie geschah, war ein Gegenstand der atheniensischen Gesetzgebung.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [139/0139]
Völkern sind sie durch Gesetze verboten, und mit bürgerlichen Strafen belegt worden.
Kein einziger glaubwürdiger Schriftsteller führt ein ausdrückliches Gesetz an, wornach in Athen die Ausgelassenheit der körperlichen Geschlechtssympathie unter Männern, und noch viel weniger unter Weibern geradezu verbothen gewesen wäre. 1) Es wird vielmehr aus einem Gesetze des Solon, welches den Sklaven die Männerliebe verwehrt, ziemlich wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber freyen Menschen die Sorge für ihre Sittsamkeit selbst überlassen habe. Die Verordnungen, die er und seine Nachfolger über diesen Punkt gemacht haben, suchen nur der Verführung, der Gewalt, und der schnöden Gewinnsucht vorzubeugen. Sie suchen die Begierden durch Entfernung äußerer Bewegungsgründe zu zügeln, aber sie verdammen nicht den Reitz, den der Mensch in seinen Trieben selbst fand, und diejenige Befriedigung derselben, die aus freyer Willkühr beyder interessierter Personen gewährt wurde. Ein Mann, der sich in die Gymnasien der unverdorbenen Jugend einschlich, um diese zu verführen, war des Todes schuldig. Wer sich für Geld ergab, verlor alle Rechte des Bürgers, und harte Strafen erwarteten denjenigen, der Personen, die in seiner Gewalt waren, andern zum Mißbrauche überließ, oder durch Raub oder Verführung junge Männer um ihre Unschuld brachte. 2) Also nicht die Sache selbst, sondern nur die Art, wie sie geschah, war ein Gegenstand der atheniensischen Gesetzgebung.
1) Eine merkwürdige hierher gehörige Stelle beym Plato de Legg. VIII. p. 836.
2) Petitus de Legg. atticis. Libr. VI. Tit V.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |