Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.gewesen sey; so habe der Bürger von Athen seine Ergötzung bey der Courtisane gefunden. Alles dieß wird ohne Beweis angenommen. Es widerspricht deutlichen Zeugnissen für das Gegentheil, dem ganzen Geist der Atheniensischen Denkungsart, und besonders der Kenntniß des Menschen, nach der Erfahrung von demjenigen, wie es noch heut zu Tage um diese Classe von Weibern in den größten und kultiviertesten Städten von Europa steht. Was wir von gleichzeitigen Schriftstellern über die Lage der Hetären in der Periode, von der ich hier rede, wissen, ist sehr wenig. Spätere Schriftsteller, die bereits alles ins Außerordentliche getrieben haben, können hier nichts beweisen, und ohnehin sind die Schilderungen eines Lucians, Alciphrons, Athenäus, Aristenät, u. s. w. den obigen Behauptungen auf keine Weise günstig. Zuerst muß man die freygelassenen Weiber und Fremden, die ihr Gewerbe für sich trieben, von den Mädchen welche die Sklavenhändler, Kupler und Kuplerinnen hielten, wohl unterscheiden. Die letzten wurden zu Kebsweibern und Beyschläferinnen verkauft, und kommen hier eigentlich nicht in Betracht. Nur die ersten bezeichnet Demosthenes, wenn er sagt: "Buhlerinnen dienen zum Vergnügen, Beyschläferinnen zum täglichen Umgang, zur Pflege und Befriedigung körperlicher Begierden; Gattinnen aber zum Kinderzeugen und zur treuen Oberaufsicht über unser Hauswesen." Ich frage also, was wir von jenen Buhlerinnen oder Hetären wissen, die zum Vergnügen der atheniensischen Bürger dienten? gewesen sey; so habe der Bürger von Athen seine Ergötzung bey der Courtisane gefunden. Alles dieß wird ohne Beweis angenommen. Es widerspricht deutlichen Zeugnissen für das Gegentheil, dem ganzen Geist der Atheniensischen Denkungsart, und besonders der Kenntniß des Menschen, nach der Erfahrung von demjenigen, wie es noch heut zu Tage um diese Classe von Weibern in den größten und kultiviertesten Städten von Europa steht. Was wir von gleichzeitigen Schriftstellern über die Lage der Hetären in der Periode, von der ich hier rede, wissen, ist sehr wenig. Spätere Schriftsteller, die bereits alles ins Außerordentliche getrieben haben, können hier nichts beweisen, und ohnehin sind die Schilderungen eines Lucians, Alciphrons, Athenäus, Aristenät, u. s. w. den obigen Behauptungen auf keine Weise günstig. Zuerst muß man die freygelassenen Weiber und Fremden, die ihr Gewerbe für sich trieben, von den Mädchen welche die Sklavenhändler, Kupler und Kuplerinnen hielten, wohl unterscheiden. Die letzten wurden zu Kebsweibern und Beyschläferinnen verkauft, und kommen hier eigentlich nicht in Betracht. Nur die ersten bezeichnet Demosthenes, wenn er sagt: „Buhlerinnen dienen zum Vergnügen, Beyschläferinnen zum täglichen Umgang, zur Pflege und Befriedigung körperlicher Begierden; Gattinnen aber zum Kinderzeugen und zur treuen Oberaufsicht über unser Hauswesen.“ Ich frage also, was wir von jenen Buhlerinnen oder Hetären wissen, die zum Vergnügen der atheniensischen Bürger dienten? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0126" n="126"/> gewesen sey; so habe der Bürger von Athen seine <choice><sic>Ergetzung</sic><corr>Ergötzung</corr></choice> bey der Courtisane gefunden.</p> <p>Alles dieß wird ohne Beweis angenommen. Es widerspricht deutlichen Zeugnissen für das Gegentheil, dem ganzen Geist der Atheniensischen Denkungsart, und besonders der Kenntniß des Menschen, nach der Erfahrung von demjenigen, wie es noch heut zu Tage um diese Classe von Weibern in den größten und kultiviertesten Städten von Europa steht.</p> <p>Was wir von gleichzeitigen Schriftstellern über die Lage der Hetären in der Periode, von der ich hier rede, wissen, ist sehr wenig. Spätere Schriftsteller, die bereits alles ins Außerordentliche getrieben haben, können hier nichts beweisen, und ohnehin sind die Schilderungen eines Lucians, Alciphrons, Athenäus, <choice><sic>Aristenant</sic><corr>Aristenät</corr></choice>, u. s. w. den obigen Behauptungen auf keine Weise günstig.</p> <p>Zuerst muß man die freygelassenen Weiber und Fremden, die ihr Gewerbe für sich <choice><sic>treiben</sic><corr>trieben</corr></choice>, von den Mädchen welche die Sklavenhändler, Kupler und Kuplerinnen hielten, wohl unterscheiden. Die letzten wurden zu Kebsweibern und Beyschläferinnen verkauft, und kommen hier eigentlich nicht in Betracht. Nur die ersten bezeichnet Demosthenes, wenn er sagt: „Buhlerinnen dienen zum Vergnügen, Beyschläferinnen zum täglichen Umgang, zur Pflege und Befriedigung körperlicher Begierden; Gattinnen aber zum Kinderzeugen und zur treuen Oberaufsicht über unser Hauswesen.“</p> <p>Ich frage also, was wir von jenen Buhlerinnen oder Hetären wissen, die zum Vergnügen der atheniensischen Bürger dienten?</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0126]
gewesen sey; so habe der Bürger von Athen seine Ergötzung bey der Courtisane gefunden.
Alles dieß wird ohne Beweis angenommen. Es widerspricht deutlichen Zeugnissen für das Gegentheil, dem ganzen Geist der Atheniensischen Denkungsart, und besonders der Kenntniß des Menschen, nach der Erfahrung von demjenigen, wie es noch heut zu Tage um diese Classe von Weibern in den größten und kultiviertesten Städten von Europa steht.
Was wir von gleichzeitigen Schriftstellern über die Lage der Hetären in der Periode, von der ich hier rede, wissen, ist sehr wenig. Spätere Schriftsteller, die bereits alles ins Außerordentliche getrieben haben, können hier nichts beweisen, und ohnehin sind die Schilderungen eines Lucians, Alciphrons, Athenäus, Aristenät, u. s. w. den obigen Behauptungen auf keine Weise günstig.
Zuerst muß man die freygelassenen Weiber und Fremden, die ihr Gewerbe für sich trieben, von den Mädchen welche die Sklavenhändler, Kupler und Kuplerinnen hielten, wohl unterscheiden. Die letzten wurden zu Kebsweibern und Beyschläferinnen verkauft, und kommen hier eigentlich nicht in Betracht. Nur die ersten bezeichnet Demosthenes, wenn er sagt: „Buhlerinnen dienen zum Vergnügen, Beyschläferinnen zum täglichen Umgang, zur Pflege und Befriedigung körperlicher Begierden; Gattinnen aber zum Kinderzeugen und zur treuen Oberaufsicht über unser Hauswesen.“
Ich frage also, was wir von jenen Buhlerinnen oder Hetären wissen, die zum Vergnügen der atheniensischen Bürger dienten?
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