Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

haben. Sobald die Eltern die Zwecke des Staats erfüllt haben, so gehen sie wieder aus einander, bis die Obrigkeit ihrer wieder bedarf, und das von ihr geleitete Loos wieder neue Paarungen unter ihnen stiftet. Uebrigens sind die Personen, die das gesetzliche Alter zur Paarung überschritten haben, zwar an keine Enthaltsamkeit gebunden, sie müssen sich aber in Acht nehmen, daß ihre Verbindungen keine Folgen haben, und daß sie sich weder mit ihren Kindern noch mit ihren Eltern vermischen.

Diejenigen Personen, welche zu gleicher Zeit gepaart worden sind, werden alle diejenigen Kinder als die ihrigen ansehen müssen, die zwischen sieben und zehn Monaten nach einer solchen Paarung geboren sind, und diese werden sie wieder als Eltern ansehen. Die Kinder einer Brut werden sich unter einander als Geschwister betrachten, u. s. w. So wird denn der Staat nicht aus einzelnen Familien bestehen, sondern nur Eine große Familie ausmachen, worin alle Mitglieder von einem öffentlichen Geiste belebt, keinen Eigennutz und kein Eigenthum kennen, folglich auch keine Veranlassung zur Eifersucht und zur Uneinigkeit finden."

Plato weicht in seinen Dialogen von den Gesetzen darin von den Ideen ab, die er in seiner Republik geäußert hat, daß er die Heiligkeit der Ehen und die eigenthümlichen Tugenden der Weiber mehr sichert, und sich dafür weniger von der Natur entfernt.

Er behauptet, daß es ein großer Fehler sey, daß sich die Gesetzgeber so wenig mit der Erziehung der Weiber beschäftigten, und sie gleichsam in dem Dunkel des häuslichen Lebens vergäßen. Er will sie herausziehen, sie sollen öffentlich zusammen schmausen. "Das Geschlecht",

haben. Sobald die Eltern die Zwecke des Staats erfüllt haben, so gehen sie wieder aus einander, bis die Obrigkeit ihrer wieder bedarf, und das von ihr geleitete Loos wieder neue Paarungen unter ihnen stiftet. Uebrigens sind die Personen, die das gesetzliche Alter zur Paarung überschritten haben, zwar an keine Enthaltsamkeit gebunden, sie müssen sich aber in Acht nehmen, daß ihre Verbindungen keine Folgen haben, und daß sie sich weder mit ihren Kindern noch mit ihren Eltern vermischen.

Diejenigen Personen, welche zu gleicher Zeit gepaart worden sind, werden alle diejenigen Kinder als die ihrigen ansehen müssen, die zwischen sieben und zehn Monaten nach einer solchen Paarung geboren sind, und diese werden sie wieder als Eltern ansehen. Die Kinder einer Brut werden sich unter einander als Geschwister betrachten, u. s. w. So wird denn der Staat nicht aus einzelnen Familien bestehen, sondern nur Eine große Familie ausmachen, worin alle Mitglieder von einem öffentlichen Geiste belebt, keinen Eigennutz und kein Eigenthum kennen, folglich auch keine Veranlassung zur Eifersucht und zur Uneinigkeit finden.“

Plato weicht in seinen Dialogen von den Gesetzen darin von den Ideen ab, die er in seiner Republik geäußert hat, daß er die Heiligkeit der Ehen und die eigenthümlichen Tugenden der Weiber mehr sichert, und sich dafür weniger von der Natur entfernt.

Er behauptet, daß es ein großer Fehler sey, daß sich die Gesetzgeber so wenig mit der Erziehung der Weiber beschäftigten, und sie gleichsam in dem Dunkel des häuslichen Lebens vergäßen. Er will sie herausziehen, sie sollen öffentlich zusammen schmausen. „Das Geschlecht“,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="119"/>
haben. Sobald die Eltern die Zwecke des Staats erfüllt haben, so gehen sie wieder aus einander, bis die Obrigkeit ihrer wieder bedarf, und das von ihr geleitete Loos wieder neue Paarungen unter ihnen stiftet. Uebrigens sind die Personen, die das gesetzliche Alter zur Paarung überschritten haben, zwar an keine Enthaltsamkeit gebunden, sie müssen sich aber in Acht nehmen, daß ihre Verbindungen keine Folgen haben, und daß sie sich weder mit ihren Kindern noch mit ihren Eltern vermischen.</p>
          <p>Diejenigen Personen, welche zu gleicher Zeit gepaart worden sind, werden alle diejenigen Kinder als die ihrigen ansehen müssen, die zwischen sieben und zehn Monaten nach einer solchen Paarung geboren sind, und diese werden sie wieder als Eltern ansehen. Die Kinder einer Brut werden sich unter einander als Geschwister betrachten, u. s. w. So wird denn der Staat nicht aus einzelnen Familien bestehen, sondern nur Eine große Familie ausmachen, worin alle Mitglieder von einem öffentlichen Geiste belebt, keinen Eigennutz und kein Eigenthum kennen, folglich auch keine Veranlassung zur Eifersucht und zur Uneinigkeit finden.&#x201C;</p>
          <p>Plato weicht in seinen <hi rendition="#g">Dialogen von den Gesetzen</hi> darin von den Ideen ab, die er in seiner Republik geäußert hat, daß er die Heiligkeit der Ehen und die eigenthümlichen Tugenden der Weiber mehr sichert, und sich dafür weniger von der Natur entfernt.</p>
          <p>Er behauptet, daß es ein großer Fehler sey, daß sich die Gesetzgeber so wenig mit der Erziehung der Weiber beschäftigten, und sie gleichsam in dem Dunkel des häuslichen Lebens vergäßen. Er will sie herausziehen, sie sollen öffentlich zusammen schmausen. &#x201E;Das Geschlecht&#x201C;,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0119] haben. Sobald die Eltern die Zwecke des Staats erfüllt haben, so gehen sie wieder aus einander, bis die Obrigkeit ihrer wieder bedarf, und das von ihr geleitete Loos wieder neue Paarungen unter ihnen stiftet. Uebrigens sind die Personen, die das gesetzliche Alter zur Paarung überschritten haben, zwar an keine Enthaltsamkeit gebunden, sie müssen sich aber in Acht nehmen, daß ihre Verbindungen keine Folgen haben, und daß sie sich weder mit ihren Kindern noch mit ihren Eltern vermischen. Diejenigen Personen, welche zu gleicher Zeit gepaart worden sind, werden alle diejenigen Kinder als die ihrigen ansehen müssen, die zwischen sieben und zehn Monaten nach einer solchen Paarung geboren sind, und diese werden sie wieder als Eltern ansehen. Die Kinder einer Brut werden sich unter einander als Geschwister betrachten, u. s. w. So wird denn der Staat nicht aus einzelnen Familien bestehen, sondern nur Eine große Familie ausmachen, worin alle Mitglieder von einem öffentlichen Geiste belebt, keinen Eigennutz und kein Eigenthum kennen, folglich auch keine Veranlassung zur Eifersucht und zur Uneinigkeit finden.“ Plato weicht in seinen Dialogen von den Gesetzen darin von den Ideen ab, die er in seiner Republik geäußert hat, daß er die Heiligkeit der Ehen und die eigenthümlichen Tugenden der Weiber mehr sichert, und sich dafür weniger von der Natur entfernt. Er behauptet, daß es ein großer Fehler sey, daß sich die Gesetzgeber so wenig mit der Erziehung der Weiber beschäftigten, und sie gleichsam in dem Dunkel des häuslichen Lebens vergäßen. Er will sie herausziehen, sie sollen öffentlich zusammen schmausen. „Das Geschlecht“,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/119
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/119>, abgerufen am 21.11.2024.