Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, er einen um so größern Werth auf Enthaltsamkeit und Beherrschung seiner selbst legt. Darum wird er diejenigen Verbindungen, bey denen die Befriedigung der Sinnlichkeit als wirksam angenommen werden kann, und die den Verbündeten einer Art von Wahnsinn aussetzen, immer weniger schätzen, als diejenigen, die ohne jenen, ihn anscheinend erniedrigenden Grund, und diese nachtheiligen Folgen, dennoch Begeisterung und Aufopferung hervorbringen. Der Mann kann daher aus seiner Zärtlichkeit oder Leidenschaft für das Weib keinen sonderlichen Ruhm ziehen: sie ist grober Eigennutz und Schwäche. Und selbst das Weib hat größern Ruhm von der Geschwister- oder kindlichen Liebe, als von der Gattenliebe, weil bey jenen kein Eigennutz und keine gröberen Triebe als mitwirkend angenommen werden. Diese Idee hat unstreitig dazu beygetragen, daß Euripides mehr die Ausbrüche wechselseitiger Liebe zwischen Geschwistern, und zwischen Eltern und Kindern, als zwischen Gatten dargestellt und gehoben hat. Er konnte für jene auf ein größeres Interesse von Seiten der Zuschauer rechnen.

Siebentes Kapitel.

Ideen der Philosophen über Geschlechtssympathie und Gattenliebe.

Die Ideen der Philosophen über gesellige und bürgerliche Verhältnisse und Einrichtungen können im Allgemeinen sehr wenig für die Denkungsart des Publikums, und selbst für die der wohlerzogenen und

ist, er einen um so größern Werth auf Enthaltsamkeit und Beherrschung seiner selbst legt. Darum wird er diejenigen Verbindungen, bey denen die Befriedigung der Sinnlichkeit als wirksam angenommen werden kann, und die den Verbündeten einer Art von Wahnsinn aussetzen, immer weniger schätzen, als diejenigen, die ohne jenen, ihn anscheinend erniedrigenden Grund, und diese nachtheiligen Folgen, dennoch Begeisterung und Aufopferung hervorbringen. Der Mann kann daher aus seiner Zärtlichkeit oder Leidenschaft für das Weib keinen sonderlichen Ruhm ziehen: sie ist grober Eigennutz und Schwäche. Und selbst das Weib hat größern Ruhm von der Geschwister- oder kindlichen Liebe, als von der Gattenliebe, weil bey jenen kein Eigennutz und keine gröberen Triebe als mitwirkend angenommen werden. Diese Idee hat unstreitig dazu beygetragen, daß Euripides mehr die Ausbrüche wechselseitiger Liebe zwischen Geschwistern, und zwischen Eltern und Kindern, als zwischen Gatten dargestellt und gehoben hat. Er konnte für jene auf ein größeres Interesse von Seiten der Zuschauer rechnen.

Siebentes Kapitel.

Ideen der Philosophen über Geschlechtssympathie und Gattenliebe.

Die Ideen der Philosophen über gesellige und bürgerliche Verhältnisse und Einrichtungen können im Allgemeinen sehr wenig für die Denkungsart des Publikums, und selbst für die der wohlerzogenen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="104"/>
ist, er einen um so größern Werth auf Enthaltsamkeit und Beherrschung seiner selbst legt. Darum wird er diejenigen Verbindungen, bey denen die Befriedigung der Sinnlichkeit als wirksam angenommen werden kann, und die den Verbündeten einer Art von Wahnsinn aussetzen, immer weniger schätzen, als diejenigen, die ohne jenen, ihn anscheinend erniedrigenden Grund, und diese nachtheiligen Folgen, dennoch Begeisterung und Aufopferung hervorbringen. Der Mann kann daher aus seiner Zärtlichkeit oder Leidenschaft für das Weib keinen sonderlichen Ruhm ziehen: sie ist grober Eigennutz und Schwäche. Und selbst das Weib hat größern Ruhm von der Geschwister- oder kindlichen Liebe, als von der Gattenliebe, weil bey jenen kein Eigennutz und keine gröberen Triebe als mitwirkend angenommen werden. Diese Idee hat unstreitig dazu beygetragen, daß Euripides mehr die Ausbrüche wechselseitiger Liebe zwischen Geschwistern, und zwischen Eltern und Kindern, als zwischen Gatten dargestellt und gehoben hat. Er konnte für jene auf ein größeres Interesse von Seiten der Zuschauer rechnen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Siebentes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Ideen der Philosophen über Geschlechtssympathie und Gattenliebe.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Die Ideen der <choice><sic>Philophen</sic><corr>Philosophen</corr></choice> über gesellige und bürgerliche Verhältnisse und Einrichtungen können im Allgemeinen sehr wenig für die Denkungsart des Publikums, und selbst für die der wohlerzogenen und
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0104] ist, er einen um so größern Werth auf Enthaltsamkeit und Beherrschung seiner selbst legt. Darum wird er diejenigen Verbindungen, bey denen die Befriedigung der Sinnlichkeit als wirksam angenommen werden kann, und die den Verbündeten einer Art von Wahnsinn aussetzen, immer weniger schätzen, als diejenigen, die ohne jenen, ihn anscheinend erniedrigenden Grund, und diese nachtheiligen Folgen, dennoch Begeisterung und Aufopferung hervorbringen. Der Mann kann daher aus seiner Zärtlichkeit oder Leidenschaft für das Weib keinen sonderlichen Ruhm ziehen: sie ist grober Eigennutz und Schwäche. Und selbst das Weib hat größern Ruhm von der Geschwister- oder kindlichen Liebe, als von der Gattenliebe, weil bey jenen kein Eigennutz und keine gröberen Triebe als mitwirkend angenommen werden. Diese Idee hat unstreitig dazu beygetragen, daß Euripides mehr die Ausbrüche wechselseitiger Liebe zwischen Geschwistern, und zwischen Eltern und Kindern, als zwischen Gatten dargestellt und gehoben hat. Er konnte für jene auf ein größeres Interesse von Seiten der Zuschauer rechnen. Siebentes Kapitel. Ideen der Philosophen über Geschlechtssympathie und Gattenliebe. Die Ideen der Philosophen über gesellige und bürgerliche Verhältnisse und Einrichtungen können im Allgemeinen sehr wenig für die Denkungsart des Publikums, und selbst für die der wohlerzogenen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/104
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/104>, abgerufen am 21.11.2024.