Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Beweis dieser Art ohne die höchste Noth fordern können! Oft liegt der Grund zu Zwisten unter den Liebenden in gewissen Launen, deren Aeußerungen kaum ohne Widerwillen und Auflehnung von dem Verbündeten getragen werden mögen. Der Zustand des Körpers hat gemeiniglich einen großen Antheil daran. Aber unser moralisches Wesen bleibt darum nicht frey von Vorwürfen, wenn wir uns ihnen überlassen, und ihre Folgen dem Gefährten unsers Lebens nicht ersparen. Eben jene Vorsicht, die ich vorhin empfohlen habe, sich zuweilen zu trennen und in die Einsamkeit zurückzuziehen, gewährt den Vortheil, in Stunden, worin wir dem Anfall jener Launen ausgesetzt sind, uns dem Anblick und der Gesellschaft des Geliebten zu entziehen. Es ist auch unstreitig gewiß, daß unsere Seele, wenn sie es ernsthaft will, über die traurige Stimmung, in welche uns der Körper versetzt, manchen Sieg davon tragen mag. Wir sehen dieß, wenn wir auf das Betragen der Hypochondristen und selbst der Wahnsinnigen merken die in Gegenwart solcher Personen, denen sie Ehrfurcht schuldig zu seyn glauben, sich zwingen können, und ihrer übeln Laune oder ihrer Narrheit Einhalt thun. Eben so wird der Ton der Urbanität, der unter Gatten eingeführt ist, und noch mehr die Achtung, mit der sie sich einander ergeben sind, die Ausbrüche des Unmuths, der auf körperlicher Indisposition beruht, hemmen, und vielleicht eben dadurch lindern mögen, weil wir ihm nicht nachhängen dürfen. Wie viel häufiger aber ist nicht der Fall, daß diese Launen ihren Grund in unbestimmten und übertriebenen Anmaßungen, in Versagungen einer kleinlichen Eitelkeit Beweis dieser Art ohne die höchste Noth fordern können! Oft liegt der Grund zu Zwisten unter den Liebenden in gewissen Launen, deren Aeußerungen kaum ohne Widerwillen und Auflehnung von dem Verbündeten getragen werden mögen. Der Zustand des Körpers hat gemeiniglich einen großen Antheil daran. Aber unser moralisches Wesen bleibt darum nicht frey von Vorwürfen, wenn wir uns ihnen überlassen, und ihre Folgen dem Gefährten unsers Lebens nicht ersparen. Eben jene Vorsicht, die ich vorhin empfohlen habe, sich zuweilen zu trennen und in die Einsamkeit zurückzuziehen, gewährt den Vortheil, in Stunden, worin wir dem Anfall jener Launen ausgesetzt sind, uns dem Anblick und der Gesellschaft des Geliebten zu entziehen. Es ist auch unstreitig gewiß, daß unsere Seele, wenn sie es ernsthaft will, über die traurige Stimmung, in welche uns der Körper versetzt, manchen Sieg davon tragen mag. Wir sehen dieß, wenn wir auf das Betragen der Hypochondristen und selbst der Wahnsinnigen merken die in Gegenwart solcher Personen, denen sie Ehrfurcht schuldig zu seyn glauben, sich zwingen können, und ihrer übeln Laune oder ihrer Narrheit Einhalt thun. Eben so wird der Ton der Urbanität, der unter Gatten eingeführt ist, und noch mehr die Achtung, mit der sie sich einander ergeben sind, die Ausbrüche des Unmuths, der auf körperlicher Indisposition beruht, hemmen, und vielleicht eben dadurch lindern mögen, weil wir ihm nicht nachhängen dürfen. 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Es ist auch unstreitig gewiß, daß unsere Seele, wenn sie es ernsthaft will, über die traurige Stimmung, in welche uns der Körper versetzt, manchen Sieg davon tragen mag. Wir sehen dieß, wenn wir auf das Betragen der Hypochondristen und selbst der Wahnsinnigen merken die in Gegenwart solcher Personen, denen sie Ehrfurcht schuldig zu seyn glauben, sich zwingen können, und ihrer übeln Laune oder ihrer Narrheit Einhalt thun. Eben so wird der Ton der Urbanität, der unter Gatten eingeführt ist, und noch mehr die Achtung, mit der sie sich einander ergeben sind, die Ausbrüche des Unmuths, der auf körperlicher Indisposition beruht, hemmen, und vielleicht eben dadurch lindern mögen, weil wir ihm nicht nachhängen dürfen.</p> <p>Wie viel häufiger aber ist nicht der Fall, daß diese Launen ihren Grund in unbestimmten und übertriebenen Anmaßungen, in Versagungen einer kleinlichen Eitelkeit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [377/0377]
Beweis dieser Art ohne die höchste Noth fordern können!
Oft liegt der Grund zu Zwisten unter den Liebenden in gewissen Launen, deren Aeußerungen kaum ohne Widerwillen und Auflehnung von dem Verbündeten getragen werden mögen. Der Zustand des Körpers hat gemeiniglich einen großen Antheil daran. Aber unser moralisches Wesen bleibt darum nicht frey von Vorwürfen, wenn wir uns ihnen überlassen, und ihre Folgen dem Gefährten unsers Lebens nicht ersparen.
Eben jene Vorsicht, die ich vorhin empfohlen habe, sich zuweilen zu trennen und in die Einsamkeit zurückzuziehen, gewährt den Vortheil, in Stunden, worin wir dem Anfall jener Launen ausgesetzt sind, uns dem Anblick und der Gesellschaft des Geliebten zu entziehen. Es ist auch unstreitig gewiß, daß unsere Seele, wenn sie es ernsthaft will, über die traurige Stimmung, in welche uns der Körper versetzt, manchen Sieg davon tragen mag. Wir sehen dieß, wenn wir auf das Betragen der Hypochondristen und selbst der Wahnsinnigen merken die in Gegenwart solcher Personen, denen sie Ehrfurcht schuldig zu seyn glauben, sich zwingen können, und ihrer übeln Laune oder ihrer Narrheit Einhalt thun. Eben so wird der Ton der Urbanität, der unter Gatten eingeführt ist, und noch mehr die Achtung, mit der sie sich einander ergeben sind, die Ausbrüche des Unmuths, der auf körperlicher Indisposition beruht, hemmen, und vielleicht eben dadurch lindern mögen, weil wir ihm nicht nachhängen dürfen.
Wie viel häufiger aber ist nicht der Fall, daß diese Launen ihren Grund in unbestimmten und übertriebenen Anmaßungen, in Versagungen einer kleinlichen Eitelkeit
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