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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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Die glücklichsten Ehen finden sich im Mittelstande, wo die Gatten durch angewiesene Geschäfte gezwungen werden, sich zuweilen zu trennen, um sich mit erhöheter Freude wieder zu vereinigen. Wo dieß wegfällt, da werden sie sich oft quälen und sich entzweyen müssen, um nur in dem Geschäfte der Wiedervereinigung Mittel gegen Einförmigkeit und Langeweile zu finden.

Es ist aber nicht genug, daß man sich überhaupt etwas zu thun mache, etwas um die Hand nehme; die Beschäftigung muß von der Art seyn, daß unsere Kräfte auf einen bestimmten Zweck hingeleitet werden, der mit der edleren Bestimmung des Menschen, Wahrheit und Vollkommenheit zu suchen, und Glück zu verbreiten, im Verhältnisse steht. Jene unbestimmte Thätigkeit, die nichts als ein süßes Nichtsthun in sich faßt, ist dem Charakter und der Liebe eben so gefährlich, als eine völlige Unthätigkeit. Aus diesem Grunde sind so viele Ehen unter den Reichen und Vornehmen unglücklich. Die Gatten fühlen daß sie Geschäfte haben müssen, aber sie machen sich dergleichen aus Zerstreuungen, die eigentlich nur zur Erholung dienen sollen. Sie lesen ein wenig, sie treiben ein wenig die schönen Künste, sie verschönern ein wenig ihr Gut und ihren Garten; alles ohne Zweck, ohne Regsamkeit des Triebes nach Vollkommenheit. Aber dieß reicht nicht hin, uns vor den Gefahren der Langenweile, und vor dem quälenden Bewußtseyn einer verfehlten Bestimmung zu bewahren. Nein! Wollen wir lesen, so geschehe es um uns zu unterrichten, um eine gewisse Vollständigkeit in unsere Kenntnisse, eine größere Richtigkeit in unsere Urtheile zu bringen: wollen wir uns den schönen Künsten widmen, so sey es, um in ihrer Ausübung,

Die glücklichsten Ehen finden sich im Mittelstande, wo die Gatten durch angewiesene Geschäfte gezwungen werden, sich zuweilen zu trennen, um sich mit erhöheter Freude wieder zu vereinigen. Wo dieß wegfällt, da werden sie sich oft quälen und sich entzweyen müssen, um nur in dem Geschäfte der Wiedervereinigung Mittel gegen Einförmigkeit und Langeweile zu finden.

Es ist aber nicht genug, daß man sich überhaupt etwas zu thun mache, etwas um die Hand nehme; die Beschäftigung muß von der Art seyn, daß unsere Kräfte auf einen bestimmten Zweck hingeleitet werden, der mit der edleren Bestimmung des Menschen, Wahrheit und Vollkommenheit zu suchen, und Glück zu verbreiten, im Verhältnisse steht. Jene unbestimmte Thätigkeit, die nichts als ein süßes Nichtsthun in sich faßt, ist dem Charakter und der Liebe eben so gefährlich, als eine völlige Unthätigkeit. Aus diesem Grunde sind so viele Ehen unter den Reichen und Vornehmen unglücklich. Die Gatten fühlen daß sie Geschäfte haben müssen, aber sie machen sich dergleichen aus Zerstreuungen, die eigentlich nur zur Erholung dienen sollen. Sie lesen ein wenig, sie treiben ein wenig die schönen Künste, sie verschönern ein wenig ihr Gut und ihren Garten; alles ohne Zweck, ohne Regsamkeit des Triebes nach Vollkommenheit. Aber dieß reicht nicht hin, uns vor den Gefahren der Langenweile, und vor dem quälenden Bewußtseyn einer verfehlten Bestimmung zu bewahren. Nein! Wollen wir lesen, so geschehe es um uns zu unterrichten, um eine gewisse Vollständigkeit in unsere Kenntnisse, eine größere Richtigkeit in unsere Urtheile zu bringen: wollen wir uns den schönen Künsten widmen, so sey es, um in ihrer Ausübung,

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[353/0353] Die glücklichsten Ehen finden sich im Mittelstande, wo die Gatten durch angewiesene Geschäfte gezwungen werden, sich zuweilen zu trennen, um sich mit erhöheter Freude wieder zu vereinigen. Wo dieß wegfällt, da werden sie sich oft quälen und sich entzweyen müssen, um nur in dem Geschäfte der Wiedervereinigung Mittel gegen Einförmigkeit und Langeweile zu finden. Es ist aber nicht genug, daß man sich überhaupt etwas zu thun mache, etwas um die Hand nehme; die Beschäftigung muß von der Art seyn, daß unsere Kräfte auf einen bestimmten Zweck hingeleitet werden, der mit der edleren Bestimmung des Menschen, Wahrheit und Vollkommenheit zu suchen, und Glück zu verbreiten, im Verhältnisse steht. Jene unbestimmte Thätigkeit, die nichts als ein süßes Nichtsthun in sich faßt, ist dem Charakter und der Liebe eben so gefährlich, als eine völlige Unthätigkeit. Aus diesem Grunde sind so viele Ehen unter den Reichen und Vornehmen unglücklich. Die Gatten fühlen daß sie Geschäfte haben müssen, aber sie machen sich dergleichen aus Zerstreuungen, die eigentlich nur zur Erholung dienen sollen. Sie lesen ein wenig, sie treiben ein wenig die schönen Künste, sie verschönern ein wenig ihr Gut und ihren Garten; alles ohne Zweck, ohne Regsamkeit des Triebes nach Vollkommenheit. Aber dieß reicht nicht hin, uns vor den Gefahren der Langenweile, und vor dem quälenden Bewußtseyn einer verfehlten Bestimmung zu bewahren. Nein! Wollen wir lesen, so geschehe es um uns zu unterrichten, um eine gewisse Vollständigkeit in unsere Kenntnisse, eine größere Richtigkeit in unsere Urtheile zu bringen: wollen wir uns den schönen Künsten widmen, so sey es, um in ihrer Ausübung,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/353>, abgerufen am 22.11.2024.