Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Völker, die Philosophie des Lebens und des Geschmacks, liefern den Stoff zum Gespräch unter Menschen von besserer Erziehung. Wie drückend ist der Mangel an den nöthigen Kenntnissen in diesen Stücken, den der Liebende an dem geliebten Weibe antrifft. Es werden so viele Gegenstände von der Unterredung ausgeschlossen! Man muß sich so sehr hüten, durch die Erinnerung daran den heimlichen Vorwurf vernachlässigter Geistesbildung zu erwecken und zu machen! Es werden so viel Freuden genommen, die man mit der Geliebten theilen möchte! Und dann, wie reitzend ist die Unterhaltung, welche die edlere Frau aus einer zweckmäßigen Aufklärung ihres Geistes für sich selbst zieht! Wie sehr hält sie diese Beschäftigung von gefährlichen Zerstreuungen ab! Ich glaube sogar, daß eine gewisse Gründlichkeit in denjenigen Kenntnissen, die den weiblichen Geistesanlagen angemessen sind, zu den Vorzügen des zärteren Geschlechts gehören könne. Ich glaube, daß das Frauenzimmer, seiner Liebenswürdigkeit unbeschadet, die Geschichte, die Länderkunde, die Naturkunde, die Botanik, die Theorie der Künste, die Sprachlehre, ja, die Philosophie des gemeinen Lebens in einem gewissen Umfange und Zusammenhange inne haben könne, und daß es zu seinem Bestreben nach Vollkommenheit gehöre, es darin so weit als möglich zu bringen. Nur muß es nicht dabey vergessen, daß es alles zu einem praktischen Gebrauche, und keinesweges um des leeren Wissens Willen erlerne; daß es die Sache des Mannes sey, die Wahrheit aufzufinden, die seinige aber, sie sich anzueignen, sie faßlich und gefällig darzustellen, damit sie frappanter und eindringender werde. Ich möchte sogar dem Weibe unter gewissen Lagen nicht das Recht absprechen, Schriftstellerin zu werden, Völker, die Philosophie des Lebens und des Geschmacks, liefern den Stoff zum Gespräch unter Menschen von besserer Erziehung. Wie drückend ist der Mangel an den nöthigen Kenntnissen in diesen Stücken, den der Liebende an dem geliebten Weibe antrifft. Es werden so viele Gegenstände von der Unterredung ausgeschlossen! Man muß sich so sehr hüten, durch die Erinnerung daran den heimlichen Vorwurf vernachlässigter Geistesbildung zu erwecken und zu machen! Es werden so viel Freuden genommen, die man mit der Geliebten theilen möchte! Und dann, wie reitzend ist die Unterhaltung, welche die edlere Frau aus einer zweckmäßigen Aufklärung ihres Geistes für sich selbst zieht! Wie sehr hält sie diese Beschäftigung von gefährlichen Zerstreuungen ab! Ich glaube sogar, daß eine gewisse Gründlichkeit in denjenigen Kenntnissen, die den weiblichen Geistesanlagen angemessen sind, zu den Vorzügen des zärteren Geschlechts gehören könne. Ich glaube, daß das Frauenzimmer, seiner Liebenswürdigkeit unbeschadet, die Geschichte, die Länderkunde, die Naturkunde, die Botanik, die Theorie der Künste, die Sprachlehre, ja, die Philosophie des gemeinen Lebens in einem gewissen Umfange und Zusammenhange inne haben könne, und daß es zu seinem Bestreben nach Vollkommenheit gehöre, es darin so weit als möglich zu bringen. Nur muß es nicht dabey vergessen, daß es alles zu einem praktischen Gebrauche, und keinesweges um des leeren Wissens Willen erlerne; daß es die Sache des Mannes sey, die Wahrheit aufzufinden, die seinige aber, sie sich anzueignen, sie faßlich und gefällig darzustellen, damit sie frappanter und eindringender werde. Ich möchte sogar dem Weibe unter gewissen Lagen nicht das Recht absprechen, Schriftstellerin zu werden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0322" n="322"/> Völker, die Philosophie des Lebens und des Geschmacks, liefern den Stoff zum Gespräch unter Menschen von besserer Erziehung. Wie drückend ist der Mangel an den nöthigen Kenntnissen in diesen Stücken, den der Liebende an dem geliebten Weibe antrifft. Es werden so viele Gegenstände von der Unterredung ausgeschlossen! Man muß sich so sehr hüten, durch die Erinnerung daran den heimlichen Vorwurf vernachlässigter Geistesbildung zu erwecken und zu machen! Es werden so viel Freuden genommen, die man mit der Geliebten theilen möchte! Und dann, wie reitzend ist die Unterhaltung, welche die edlere Frau aus einer zweckmäßigen Aufklärung ihres Geistes für sich selbst zieht! Wie sehr hält sie diese Beschäftigung von gefährlichen Zerstreuungen ab! Ich glaube sogar, daß eine gewisse Gründlichkeit in denjenigen Kenntnissen, die den weiblichen Geistesanlagen angemessen sind, zu den Vorzügen des zärteren Geschlechts gehören könne. Ich glaube, daß das Frauenzimmer, seiner Liebenswürdigkeit unbeschadet, die Geschichte, die Länderkunde, die Naturkunde, die Botanik, die Theorie der Künste, die Sprachlehre, ja, die Philosophie des gemeinen Lebens in einem gewissen Umfange und Zusammenhange inne haben könne, und daß es zu seinem Bestreben nach Vollkommenheit gehöre, es darin so weit als möglich zu bringen. Nur muß es nicht dabey vergessen, daß es alles zu einem praktischen Gebrauche, und keinesweges um des leeren Wissens Willen erlerne; daß es die Sache des Mannes sey, die Wahrheit aufzufinden, die seinige aber, sie sich anzueignen, sie faßlich und gefällig darzustellen, damit sie frappanter und eindringender werde. Ich möchte sogar dem Weibe unter gewissen Lagen nicht das Recht absprechen, Schriftstellerin zu werden, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0322]
Völker, die Philosophie des Lebens und des Geschmacks, liefern den Stoff zum Gespräch unter Menschen von besserer Erziehung. Wie drückend ist der Mangel an den nöthigen Kenntnissen in diesen Stücken, den der Liebende an dem geliebten Weibe antrifft. Es werden so viele Gegenstände von der Unterredung ausgeschlossen! Man muß sich so sehr hüten, durch die Erinnerung daran den heimlichen Vorwurf vernachlässigter Geistesbildung zu erwecken und zu machen! Es werden so viel Freuden genommen, die man mit der Geliebten theilen möchte! Und dann, wie reitzend ist die Unterhaltung, welche die edlere Frau aus einer zweckmäßigen Aufklärung ihres Geistes für sich selbst zieht! Wie sehr hält sie diese Beschäftigung von gefährlichen Zerstreuungen ab! Ich glaube sogar, daß eine gewisse Gründlichkeit in denjenigen Kenntnissen, die den weiblichen Geistesanlagen angemessen sind, zu den Vorzügen des zärteren Geschlechts gehören könne. Ich glaube, daß das Frauenzimmer, seiner Liebenswürdigkeit unbeschadet, die Geschichte, die Länderkunde, die Naturkunde, die Botanik, die Theorie der Künste, die Sprachlehre, ja, die Philosophie des gemeinen Lebens in einem gewissen Umfange und Zusammenhange inne haben könne, und daß es zu seinem Bestreben nach Vollkommenheit gehöre, es darin so weit als möglich zu bringen. Nur muß es nicht dabey vergessen, daß es alles zu einem praktischen Gebrauche, und keinesweges um des leeren Wissens Willen erlerne; daß es die Sache des Mannes sey, die Wahrheit aufzufinden, die seinige aber, sie sich anzueignen, sie faßlich und gefällig darzustellen, damit sie frappanter und eindringender werde. Ich möchte sogar dem Weibe unter gewissen Lagen nicht das Recht absprechen, Schriftstellerin zu werden,
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