Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.treuen Druck der Zärtlichkeit! Umarme mich, und ich will dir sagen, ob Liebe, Begierde oder Kälte in deinem Busen wohnt! Unaussprechlich sind freylich diese Kennzeichen, aber nicht unbemerkbar. Herrscht zu wenig Inbrunst in der Liebkosung, so ist sie die Larve der Gleichgültigkeit; herrscht mehr Unruhe der Erwartung als Wonne an dem gegenwärtigen Symbole der Vereinigung darin, so gehört sie der Lüsternheit, und ist eine zweydeutige Probe der Liebe! Wie abwechselnd, wie reich, wie stark kann die Bedeutung dieser Mimik werden! Der Mann sinkt zu den Füßen des Weibes und umfaßt ihre Knie. O Bild der Stärke, die gegen Zartheit geschmeidig wird! Das Weib schmiegt sich an den Geliebten, hängt an seiner Schulter, wird von ihm aufgehoben mit mächtigem Arme. O Bild der Stütze, die Zartheit bey der Stärke sucht und findet! Warum verhüllet die Liebende ihr Haupt an seinem klopfenden Busen? Hier will sich ihre Schamhaftigkeit vor ihrem Stolze bergen, hier will sie die Rechtfertigung für ihre Schwäche finden. O wie fein und wie deutlich zugleich! Sie führt die geliebte Hand an ihr Herz, tastet spähend das seinige aus, und spricht mit dieser Handlung und mit ihrem Blicke: du bist mir so viel werth, ach möchtest du mich eben so fühlen! Wie viel wird diesem Ausdruck verziehen! Wie kann es nicht rühren, wenn die Liebende in der Höhe ihrer Entzückung die Grenzen der Schamhaftigkeit und des Anstandes beynahe überschreitend streift, und in dem Augenblicke darauf durch höheres Erröthen, durch Verhüllung des Antlitzes und strengeres Verwehren, den ganzen Adel ihrer Seele und die ganze Uebermacht ihrer Empfindungen verkündigt! treuen Druck der Zärtlichkeit! Umarme mich, und ich will dir sagen, ob Liebe, Begierde oder Kälte in deinem Busen wohnt! Unaussprechlich sind freylich diese Kennzeichen, aber nicht unbemerkbar. Herrscht zu wenig Inbrunst in der Liebkosung, so ist sie die Larve der Gleichgültigkeit; herrscht mehr Unruhe der Erwartung als Wonne an dem gegenwärtigen Symbole der Vereinigung darin, so gehört sie der Lüsternheit, und ist eine zweydeutige Probe der Liebe! Wie abwechselnd, wie reich, wie stark kann die Bedeutung dieser Mimik werden! Der Mann sinkt zu den Füßen des Weibes und umfaßt ihre Knie. O Bild der Stärke, die gegen Zartheit geschmeidig wird! Das Weib schmiegt sich an den Geliebten, hängt an seiner Schulter, wird von ihm aufgehoben mit mächtigem Arme. O Bild der Stütze, die Zartheit bey der Stärke sucht und findet! Warum verhüllet die Liebende ihr Haupt an seinem klopfenden Busen? Hier will sich ihre Schamhaftigkeit vor ihrem Stolze bergen, hier will sie die Rechtfertigung für ihre Schwäche finden. O wie fein und wie deutlich zugleich! Sie führt die geliebte Hand an ihr Herz, tastet spähend das seinige aus, und spricht mit dieser Handlung und mit ihrem Blicke: du bist mir so viel werth, ach möchtest du mich eben so fühlen! Wie viel wird diesem Ausdruck verziehen! Wie kann es nicht rühren, wenn die Liebende in der Höhe ihrer Entzückung die Grenzen der Schamhaftigkeit und des Anstandes beynahe überschreitend streift, und in dem Augenblicke darauf durch höheres Erröthen, durch Verhüllung des Antlitzes und strengeres Verwehren, den ganzen Adel ihrer Seele und die ganze Uebermacht ihrer Empfindungen verkündigt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0285" n="285"/> treuen Druck der Zärtlichkeit! Umarme mich, und ich will dir sagen, ob Liebe, Begierde oder Kälte in deinem Busen wohnt! Unaussprechlich sind freylich diese Kennzeichen, aber nicht unbemerkbar. Herrscht zu wenig Inbrunst in der Liebkosung, so ist sie die Larve der Gleichgültigkeit; herrscht mehr Unruhe der Erwartung als Wonne an dem gegenwärtigen Symbole der Vereinigung darin, so gehört sie der Lüsternheit, und ist eine zweydeutige Probe der Liebe!</p> <p>Wie abwechselnd, wie reich, wie stark kann die Bedeutung dieser Mimik werden! Der Mann sinkt zu den Füßen des Weibes und umfaßt ihre Knie. O Bild der Stärke, die gegen Zartheit geschmeidig wird! Das Weib schmiegt sich an den Geliebten, hängt an seiner Schulter, wird von ihm aufgehoben mit mächtigem Arme. O Bild der Stütze, die Zartheit bey der Stärke sucht und findet! Warum verhüllet die Liebende ihr Haupt an seinem klopfenden Busen? Hier will sich ihre Schamhaftigkeit vor ihrem Stolze bergen, hier will sie die Rechtfertigung für ihre Schwäche finden. O wie fein und wie deutlich zugleich! Sie führt die geliebte Hand an ihr Herz, tastet spähend das seinige aus, und spricht mit dieser Handlung und mit ihrem Blicke: du bist mir so viel werth, ach möchtest du mich eben so fühlen!</p> <p>Wie viel wird diesem Ausdruck verziehen! Wie kann es nicht rühren, wenn die Liebende in der Höhe ihrer Entzückung die Grenzen der Schamhaftigkeit und des Anstandes beynahe überschreitend streift, und in dem Augenblicke darauf durch höheres Erröthen, durch Verhüllung des Antlitzes und strengeres Verwehren, den ganzen Adel ihrer Seele und die ganze Uebermacht ihrer Empfindungen verkündigt!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [285/0285]
treuen Druck der Zärtlichkeit! Umarme mich, und ich will dir sagen, ob Liebe, Begierde oder Kälte in deinem Busen wohnt! Unaussprechlich sind freylich diese Kennzeichen, aber nicht unbemerkbar. Herrscht zu wenig Inbrunst in der Liebkosung, so ist sie die Larve der Gleichgültigkeit; herrscht mehr Unruhe der Erwartung als Wonne an dem gegenwärtigen Symbole der Vereinigung darin, so gehört sie der Lüsternheit, und ist eine zweydeutige Probe der Liebe!
Wie abwechselnd, wie reich, wie stark kann die Bedeutung dieser Mimik werden! Der Mann sinkt zu den Füßen des Weibes und umfaßt ihre Knie. O Bild der Stärke, die gegen Zartheit geschmeidig wird! Das Weib schmiegt sich an den Geliebten, hängt an seiner Schulter, wird von ihm aufgehoben mit mächtigem Arme. O Bild der Stütze, die Zartheit bey der Stärke sucht und findet! Warum verhüllet die Liebende ihr Haupt an seinem klopfenden Busen? Hier will sich ihre Schamhaftigkeit vor ihrem Stolze bergen, hier will sie die Rechtfertigung für ihre Schwäche finden. O wie fein und wie deutlich zugleich! Sie führt die geliebte Hand an ihr Herz, tastet spähend das seinige aus, und spricht mit dieser Handlung und mit ihrem Blicke: du bist mir so viel werth, ach möchtest du mich eben so fühlen!
Wie viel wird diesem Ausdruck verziehen! Wie kann es nicht rühren, wenn die Liebende in der Höhe ihrer Entzückung die Grenzen der Schamhaftigkeit und des Anstandes beynahe überschreitend streift, und in dem Augenblicke darauf durch höheres Erröthen, durch Verhüllung des Antlitzes und strengeres Verwehren, den ganzen Adel ihrer Seele und die ganze Uebermacht ihrer Empfindungen verkündigt!
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