Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.im Ausdruck der höchsten Leidenschaft nicht verleugnet, und diesem Reitze leihet, die ihm der ungebildete Geist nicht zu geben vermag! Siebentes Kapitel. Gefahren des Genusses durch Bilder und schriftliche Mittheilung für die Liebe. So giebt uns denn die Liebe Genuß selbst bey physischer Trennung durch Bilder und schriftliche Mittheilung! Der Reitz dieses Genusses ist an sich so hoch, so süß; - der Geist fühlt sich dabey so gespannt; - das Thierische im Menschen scheint daran so wenig Antheil zu nehmen; - das Herz ist dabey so sicher vor der Gefahr des Ueberdrusses und der verminderten Begeisterung, daß viele Menschen die Freuden der Liebe willkührlich darauf beschränken, und dasjenige, was bloß Schadloshaltung seyn sollte, für ihre höchste Wonne ansehen! Eine Dame von großem Geiste sagte mir einst: das Beste was die Liebe giebt, ist, daß man an einander denkt und an einander schreibt. Aber wer fühlt es nicht, daß diese Beschränkung, wenn sie weder Pflicht noch Schicksal auflegt, wenn bloße Klugheit sie anräth, ein Spiel der Eitelkeit und der Phantasie, eine Befriedigung des Triebes nach Beschäftigung und Unterhaltung ist, und der Natur eben so sehr, als dem Wesen der Liebe zuwiderläuft! im Ausdruck der höchsten Leidenschaft nicht verleugnet, und diesem Reitze leihet, die ihm der ungebildete Geist nicht zu geben vermag! Siebentes Kapitel. Gefahren des Genusses durch Bilder und schriftliche Mittheilung für die Liebe. So giebt uns denn die Liebe Genuß selbst bey physischer Trennung durch Bilder und schriftliche Mittheilung! Der Reitz dieses Genusses ist an sich so hoch, so süß; – der Geist fühlt sich dabey so gespannt; – das Thierische im Menschen scheint daran so wenig Antheil zu nehmen; – das Herz ist dabey so sicher vor der Gefahr des Ueberdrusses und der verminderten Begeisterung, daß viele Menschen die Freuden der Liebe willkührlich darauf beschränken, und dasjenige, was bloß Schadloshaltung seyn sollte, für ihre höchste Wonne ansehen! Eine Dame von großem Geiste sagte mir einst: das Beste was die Liebe giebt, ist, daß man an einander denkt und an einander schreibt. Aber wer fühlt es nicht, daß diese Beschränkung, wenn sie weder Pflicht noch Schicksal auflegt, wenn bloße Klugheit sie anräth, ein Spiel der Eitelkeit und der Phantasie, eine Befriedigung des Triebes nach Beschäftigung und Unterhaltung ist, und der Natur eben so sehr, als dem Wesen der Liebe zuwiderläuft! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0283" n="283"/> im Ausdruck der höchsten Leidenschaft nicht verleugnet, und diesem Reitze leihet, die ihm der ungebildete Geist nicht zu geben vermag!</p> </div> <div n="2"> <head>Siebentes Kapitel.<lb/></head> <argument> <p>Gefahren des Genusses durch Bilder und schriftliche Mittheilung für die Liebe.<lb/></p> </argument> <p>So giebt uns denn die Liebe Genuß selbst bey physischer Trennung durch Bilder und schriftliche Mittheilung! Der Reitz dieses Genusses ist an sich so hoch, so süß; – der Geist fühlt sich dabey so gespannt; – das Thierische im Menschen scheint daran so wenig Antheil zu nehmen; – das Herz ist dabey so sicher vor der Gefahr des Ueberdrusses und der verminderten Begeisterung, daß viele Menschen die Freuden der Liebe willkührlich darauf beschränken, und dasjenige, was bloß Schadloshaltung seyn sollte, für ihre höchste Wonne ansehen! Eine Dame von großem Geiste sagte mir einst: das Beste was die Liebe giebt, ist, daß man an einander denkt und an einander schreibt.</p> <p>Aber wer fühlt es nicht, daß diese Beschränkung, wenn sie weder Pflicht noch Schicksal auflegt, wenn bloße Klugheit sie anräth, ein Spiel der Eitelkeit und der Phantasie, eine Befriedigung des Triebes nach Beschäftigung und Unterhaltung ist, und der Natur eben so sehr, als dem Wesen der Liebe zuwiderläuft!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0283]
im Ausdruck der höchsten Leidenschaft nicht verleugnet, und diesem Reitze leihet, die ihm der ungebildete Geist nicht zu geben vermag!
Siebentes Kapitel.
Gefahren des Genusses durch Bilder und schriftliche Mittheilung für die Liebe.
So giebt uns denn die Liebe Genuß selbst bey physischer Trennung durch Bilder und schriftliche Mittheilung! Der Reitz dieses Genusses ist an sich so hoch, so süß; – der Geist fühlt sich dabey so gespannt; – das Thierische im Menschen scheint daran so wenig Antheil zu nehmen; – das Herz ist dabey so sicher vor der Gefahr des Ueberdrusses und der verminderten Begeisterung, daß viele Menschen die Freuden der Liebe willkührlich darauf beschränken, und dasjenige, was bloß Schadloshaltung seyn sollte, für ihre höchste Wonne ansehen! Eine Dame von großem Geiste sagte mir einst: das Beste was die Liebe giebt, ist, daß man an einander denkt und an einander schreibt.
Aber wer fühlt es nicht, daß diese Beschränkung, wenn sie weder Pflicht noch Schicksal auflegt, wenn bloße Klugheit sie anräth, ein Spiel der Eitelkeit und der Phantasie, eine Befriedigung des Triebes nach Beschäftigung und Unterhaltung ist, und der Natur eben so sehr, als dem Wesen der Liebe zuwiderläuft!
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