Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Willst du das eitle gefallsüchtige Wesen, das Wesen, dem mehr an Beschäftigung als an Ausfüllung seines Herzens gelegen ist, von dem zärtlich liebenden unterscheiden, so prüfe sein Betragen in denjenigen Augenblicken, worin es sicher zu seyn glaubt nicht von dir bemerkt zu werden. Ueberrasche es da, wo es auf sich selbst nicht achtet, sein äußeres Betragen nicht bewacht! Ja, sieh nicht auf die einzelne Handlung, sieh auf das Betragen im Ganzen. Der unwillkührliche, anhaltende, stets rege Wunsch, sich mit dir in Vereinigung zu denken, das Streben nach Zusammensetzung der Personen, das sich oft unverdächtiger in Kleinigkeiten als bey wichtigen Vorfällen äußert, das bürgt allein für die Wahrheit der Gegenliebe. Alle andere Beweise sind unzuverlässig, sind trüglich. Die Kunst macht sie alle nach, und wenn du gar eine Ziererey bemerkst, diese Beweise recht auffallend für dich und andere zu geben, so sey sicher, daß das Herz kalt und ungerührt ist. Ich habe eine Dame gekannt, die in der Gesellschaft mit mehreren Personen zuweilen mit einer Art konvulsivischer Zuckung nach dem Gewande oder nach der Hand des Geliebten griff, und dann mit der Anmaßung, bemerkt werden zu wollen, um sich her sah. Der Sinn des Wahren ward dadurch eben so beleidigt, als der Sinn des Schönen. Der erste Genuß, dem die Vereinigung der Herzen nachstrebt, ist das Gefühl physischer Gegenwart. Unerklärbar für jeden, unbegreiflich und lächerlich für alle, die nicht lieben, ist diese Begierde, sich zu sehen, und zusammen zu seyn, welche Liebende auszeichnet. Wo sie dieser Gegenwart nicht wirklich theilhaftig werden können, da symbolisieren, da allegorisieren sie diese durch Bilder, die oft nur ihnen verständlich seyn können. Seht, Willst du das eitle gefallsüchtige Wesen, das Wesen, dem mehr an Beschäftigung als an Ausfüllung seines Herzens gelegen ist, von dem zärtlich liebenden unterscheiden, so prüfe sein Betragen in denjenigen Augenblicken, worin es sicher zu seyn glaubt nicht von dir bemerkt zu werden. Ueberrasche es da, wo es auf sich selbst nicht achtet, sein äußeres Betragen nicht bewacht! Ja, sieh nicht auf die einzelne Handlung, sieh auf das Betragen im Ganzen. Der unwillkührliche, anhaltende, stets rege Wunsch, sich mit dir in Vereinigung zu denken, das Streben nach Zusammensetzung der Personen, das sich oft unverdächtiger in Kleinigkeiten als bey wichtigen Vorfällen äußert, das bürgt allein für die Wahrheit der Gegenliebe. Alle andere Beweise sind unzuverlässig, sind trüglich. Die Kunst macht sie alle nach, und wenn du gar eine Ziererey bemerkst, diese Beweise recht auffallend für dich und andere zu geben, so sey sicher, daß das Herz kalt und ungerührt ist. Ich habe eine Dame gekannt, die in der Gesellschaft mit mehreren Personen zuweilen mit einer Art konvulsivischer Zuckung nach dem Gewande oder nach der Hand des Geliebten griff, und dann mit der Anmaßung, bemerkt werden zu wollen, um sich her sah. Der Sinn des Wahren ward dadurch eben so beleidigt, als der Sinn des Schönen. Der erste Genuß, dem die Vereinigung der Herzen nachstrebt, ist das Gefühl physischer Gegenwart. Unerklärbar für jeden, unbegreiflich und lächerlich für alle, die nicht lieben, ist diese Begierde, sich zu sehen, und zusammen zu seyn, welche Liebende auszeichnet. Wo sie dieser Gegenwart nicht wirklich theilhaftig werden können, da symbolisieren, da allegorisieren sie diese durch Bilder, die oft nur ihnen verständlich seyn können. 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Die Kunst macht sie alle nach, und wenn du gar eine Ziererey bemerkst, diese Beweise recht auffallend für dich und andere zu geben, so sey sicher, daß das Herz kalt und ungerührt ist. Ich habe eine Dame gekannt, die in der Gesellschaft mit mehreren Personen zuweilen mit einer Art konvulsivischer Zuckung nach dem Gewande oder nach der Hand des Geliebten griff, und dann mit der Anmaßung, bemerkt werden zu wollen, um sich her sah. Der Sinn des Wahren ward dadurch eben so beleidigt, als der Sinn des Schönen.</p> <p>Der erste Genuß, dem die Vereinigung der Herzen nachstrebt, ist das Gefühl physischer Gegenwart. Unerklärbar für jeden, unbegreiflich und lächerlich für alle, die nicht lieben, ist diese Begierde, sich zu sehen, und zusammen zu seyn, welche Liebende auszeichnet. Wo sie dieser Gegenwart nicht wirklich theilhaftig werden können, da symbolisieren, da allegorisieren sie diese durch Bilder, die oft nur ihnen verständlich seyn können. 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Willst du das eitle gefallsüchtige Wesen, das Wesen, dem mehr an Beschäftigung als an Ausfüllung seines Herzens gelegen ist, von dem zärtlich liebenden unterscheiden, so prüfe sein Betragen in denjenigen Augenblicken, worin es sicher zu seyn glaubt nicht von dir bemerkt zu werden. Ueberrasche es da, wo es auf sich selbst nicht achtet, sein äußeres Betragen nicht bewacht! Ja, sieh nicht auf die einzelne Handlung, sieh auf das Betragen im Ganzen. Der unwillkührliche, anhaltende, stets rege Wunsch, sich mit dir in Vereinigung zu denken, das Streben nach Zusammensetzung der Personen, das sich oft unverdächtiger in Kleinigkeiten als bey wichtigen Vorfällen äußert, das bürgt allein für die Wahrheit der Gegenliebe. Alle andere Beweise sind unzuverlässig, sind trüglich. Die Kunst macht sie alle nach, und wenn du gar eine Ziererey bemerkst, diese Beweise recht auffallend für dich und andere zu geben, so sey sicher, daß das Herz kalt und ungerührt ist. Ich habe eine Dame gekannt, die in der Gesellschaft mit mehreren Personen zuweilen mit einer Art konvulsivischer Zuckung nach dem Gewande oder nach der Hand des Geliebten griff, und dann mit der Anmaßung, bemerkt werden zu wollen, um sich her sah. Der Sinn des Wahren ward dadurch eben so beleidigt, als der Sinn des Schönen.
Der erste Genuß, dem die Vereinigung der Herzen nachstrebt, ist das Gefühl physischer Gegenwart. Unerklärbar für jeden, unbegreiflich und lächerlich für alle, die nicht lieben, ist diese Begierde, sich zu sehen, und zusammen zu seyn, welche Liebende auszeichnet. Wo sie dieser Gegenwart nicht wirklich theilhaftig werden können, da symbolisieren, da allegorisieren sie diese durch Bilder, die oft nur ihnen verständlich seyn können. Seht,
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