Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.aber daß alle vernünftige Mütter sie als Muster für ihre Töchter aufstellen, das sey dir an ihr so werth! Solch ein Lob gründet zugleich den Ruhm ihres Charakters und des deinigen! Laß dir hier nichts entschlüpfen, nichts gleichgültig seyn, was durch den Werth der Tugend Anspruch auf das Mitgefühl deines Herzens hat! Wie glücklich wirst du seyn, wenn sie einen doppelten Lohn für jede gute That in sich selbst und in deinen Augen findet! Einst aß ich an der Tafel eines Großen in Gesellschaft eines liebenswürdigen Mädchens, das edel geliebt wurde. Es saß an der Seite des Fürsten, seinem Liebhaber gegenüber. Am Ende des Mahls wurden seltene Früchte aufgetragen. Der Fürst ließ sie herumgeben, als aber die Reihe an einen der Gäste kam, einen Greis, dem er nicht wohl wollte, so befahl er laut dem Bedienten, diesen zu übergehen. Alles staunte, alles schwieg! Das edle Mädchen faßte allein den Muth, die unerhörte Beleidigung zu versüßen. Es blickte den Geliebten an, und sandte dem übergangenen Greise seinen eigenen Antheil an den Früchten zu. Der Fürst sah es, erröthete und schwieg. Keiner wagte es, dem Mädchen seinen innern Beyfall zu bezeugen. Aber im Auge des Liebenden zitterte die Thräne der Achtung, der Dankbarkeit, der Bewunderung! Er sagte nichts, aber er sagte alles, und wie hielt sich die Edle dadurch belohnt! Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, daß Weiber denjenigen am stärksten lieben, der ihren Schwächen am stärksten huldigt. Es ist nicht wahr! Eine solche unbedingte Gefälligkeit ist ein Mittel, geduldet, gelitten zu werden, aber nicht das Herz an sich zu ketten. Willst du dieß fesseln, so erwecke Achtung für deinen festen, hohen männlichen Charakter, der den Besitz des geliebten Wesens aber daß alle vernünftige Mütter sie als Muster für ihre Töchter aufstellen, das sey dir an ihr so werth! Solch ein Lob gründet zugleich den Ruhm ihres Charakters und des deinigen! Laß dir hier nichts entschlüpfen, nichts gleichgültig seyn, was durch den Werth der Tugend Anspruch auf das Mitgefühl deines Herzens hat! Wie glücklich wirst du seyn, wenn sie einen doppelten Lohn für jede gute That in sich selbst und in deinen Augen findet! Einst aß ich an der Tafel eines Großen in Gesellschaft eines liebenswürdigen Mädchens, das edel geliebt wurde. Es saß an der Seite des Fürsten, seinem Liebhaber gegenüber. Am Ende des Mahls wurden seltene Früchte aufgetragen. Der Fürst ließ sie herumgeben, als aber die Reihe an einen der Gäste kam, einen Greis, dem er nicht wohl wollte, so befahl er laut dem Bedienten, diesen zu übergehen. Alles staunte, alles schwieg! Das edle Mädchen faßte allein den Muth, die unerhörte Beleidigung zu versüßen. Es blickte den Geliebten an, und sandte dem übergangenen Greise seinen eigenen Antheil an den Früchten zu. Der Fürst sah es, erröthete und schwieg. Keiner wagte es, dem Mädchen seinen innern Beyfall zu bezeugen. Aber im Auge des Liebenden zitterte die Thräne der Achtung, der Dankbarkeit, der Bewunderung! Er sagte nichts, aber er sagte alles, und wie hielt sich die Edle dadurch belohnt! Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, daß Weiber denjenigen am stärksten lieben, der ihren Schwächen am stärksten huldigt. Es ist nicht wahr! Eine solche unbedingte Gefälligkeit ist ein Mittel, geduldet, gelitten zu werden, aber nicht das Herz an sich zu ketten. Willst du dieß fesseln, so erwecke Achtung für deinen festen, hohen männlichen Charakter, der den Besitz des geliebten Wesens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0250" n="250"/> aber daß alle vernünftige Mütter sie als Muster für ihre Töchter aufstellen, das sey dir an ihr so werth! Solch ein Lob gründet zugleich den Ruhm ihres Charakters und des deinigen! Laß dir hier nichts entschlüpfen, nichts gleichgültig seyn, was durch den Werth der Tugend Anspruch auf das Mitgefühl deines Herzens hat! Wie glücklich wirst du seyn, wenn sie einen doppelten Lohn für jede gute That in sich selbst und in deinen Augen findet!</p> <p>Einst aß ich an der Tafel eines Großen in Gesellschaft eines liebenswürdigen Mädchens, das edel geliebt wurde. Es saß an der Seite des Fürsten, seinem Liebhaber gegenüber. Am Ende des Mahls wurden seltene Früchte aufgetragen. Der Fürst ließ sie herumgeben, als aber die Reihe an einen der Gäste kam, einen Greis, dem er nicht wohl wollte, so befahl er laut dem Bedienten, diesen zu übergehen. Alles staunte, alles schwieg! Das edle Mädchen faßte allein den Muth, die unerhörte Beleidigung zu versüßen. Es blickte den Geliebten an, und sandte dem übergangenen Greise seinen eigenen Antheil an den Früchten zu. Der Fürst sah es, erröthete und schwieg. Keiner wagte es, dem Mädchen seinen innern Beyfall zu bezeugen. Aber im Auge des Liebenden zitterte die Thräne der Achtung, der Dankbarkeit, der Bewunderung! Er sagte nichts, aber er sagte alles, und wie hielt sich die Edle dadurch belohnt!</p> <p>Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, daß Weiber denjenigen am stärksten lieben, der ihren Schwächen am stärksten huldigt. Es ist nicht wahr! Eine solche unbedingte Gefälligkeit ist ein Mittel, geduldet, gelitten zu werden, aber nicht das Herz an sich zu ketten. Willst du dieß fesseln, so erwecke Achtung für deinen festen, hohen männlichen Charakter, der den Besitz des geliebten Wesens </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [250/0250]
aber daß alle vernünftige Mütter sie als Muster für ihre Töchter aufstellen, das sey dir an ihr so werth! Solch ein Lob gründet zugleich den Ruhm ihres Charakters und des deinigen! Laß dir hier nichts entschlüpfen, nichts gleichgültig seyn, was durch den Werth der Tugend Anspruch auf das Mitgefühl deines Herzens hat! Wie glücklich wirst du seyn, wenn sie einen doppelten Lohn für jede gute That in sich selbst und in deinen Augen findet!
Einst aß ich an der Tafel eines Großen in Gesellschaft eines liebenswürdigen Mädchens, das edel geliebt wurde. Es saß an der Seite des Fürsten, seinem Liebhaber gegenüber. Am Ende des Mahls wurden seltene Früchte aufgetragen. Der Fürst ließ sie herumgeben, als aber die Reihe an einen der Gäste kam, einen Greis, dem er nicht wohl wollte, so befahl er laut dem Bedienten, diesen zu übergehen. Alles staunte, alles schwieg! Das edle Mädchen faßte allein den Muth, die unerhörte Beleidigung zu versüßen. Es blickte den Geliebten an, und sandte dem übergangenen Greise seinen eigenen Antheil an den Früchten zu. Der Fürst sah es, erröthete und schwieg. Keiner wagte es, dem Mädchen seinen innern Beyfall zu bezeugen. Aber im Auge des Liebenden zitterte die Thräne der Achtung, der Dankbarkeit, der Bewunderung! Er sagte nichts, aber er sagte alles, und wie hielt sich die Edle dadurch belohnt!
Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, daß Weiber denjenigen am stärksten lieben, der ihren Schwächen am stärksten huldigt. Es ist nicht wahr! Eine solche unbedingte Gefälligkeit ist ein Mittel, geduldet, gelitten zu werden, aber nicht das Herz an sich zu ketten. Willst du dieß fesseln, so erwecke Achtung für deinen festen, hohen männlichen Charakter, der den Besitz des geliebten Wesens
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |