Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.unerträglich steif und ceremoniös geworden, um erhaben zu scheinen; bald minaudierend, süßlich, sprudelnd, ausgelassen, kindisch einfältig, um sich zart, lebhaft und naiv darzustellen; endlich hat man gar ein tölpelhaftes, freches, sich selbst und andere vernachlässigendes Betragen angenommen, um sich durch diesen falschen Anstrich des Natürlichen und Ungezwungenen von dem großen Haufen zu unterscheiden. Laßt uns sehen, wie der einzelne Mensch das wahre Edle, das wahre Schöne an seiner urbanen Person darstellt! Wie! sagt sich dieser, ist es denn um der Brauchbarkeit willen allein, daß ich mich gegen andere Menschen in den weiteren Verhältnissen des geselligen Umganges so betragen muß, daß wir sicher und behaglich neben einander herwandeln können? Nein, die Vollkommenheit, der ich nachstrebe, legt mir auf, in jedem Verhältnisse meines Lebens zu seyn was ich bin, was ich seyn sollte, Mensch: mithin muß ich mich auch so im geselligen Umgange zeigen. Als Mensch bin ich mir selbst Achtung, aber auch andern Achtung und Liebe schuldig. Zeige daher beydes in jeder deiner geselligen Aeußerungen; zeige es auch dadurch, daß du dich in die Conventionen des localen und feinen Tons schickst, und da, wo sie mit deinen Begriffen von Menschenwürde und Menschenliebe nicht übereinstimmen, sie so zu modificieren suchst, daß nicht so wohl Verachtung und Haß gegen diejenigen, die sich anders betragen, als Achtung und Liebe für eure gemeinschaftliche Bestimmung, Verstand und Vernunft zu gebrauchen, aus deinem Betragen hervorblicke! unerträglich steif und ceremoniös geworden, um erhaben zu scheinen; bald minaudierend, süßlich, sprudelnd, ausgelassen, kindisch einfältig, um sich zart, lebhaft und naiv darzustellen; endlich hat man gar ein tölpelhaftes, freches, sich selbst und andere vernachlässigendes Betragen angenommen, um sich durch diesen falschen Anstrich des Natürlichen und Ungezwungenen von dem großen Haufen zu unterscheiden. Laßt uns sehen, wie der einzelne Mensch das wahre Edle, das wahre Schöne an seiner urbanen Person darstellt! Wie! sagt sich dieser, ist es denn um der Brauchbarkeit willen allein, daß ich mich gegen andere Menschen in den weiteren Verhältnissen des geselligen Umganges so betragen muß, daß wir sicher und behaglich neben einander herwandeln können? Nein, die Vollkommenheit, der ich nachstrebe, legt mir auf, in jedem Verhältnisse meines Lebens zu seyn was ich bin, was ich seyn sollte, Mensch: mithin muß ich mich auch so im geselligen Umgange zeigen. Als Mensch bin ich mir selbst Achtung, aber auch andern Achtung und Liebe schuldig. Zeige daher beydes in jeder deiner geselligen Aeußerungen; zeige es auch dadurch, daß du dich in die Conventionen des localen und feinen Tons schickst, und da, wo sie mit deinen Begriffen von Menschenwürde und Menschenliebe nicht übereinstimmen, sie so zu modificieren suchst, daß nicht so wohl Verachtung und Haß gegen diejenigen, die sich anders betragen, als Achtung und Liebe für eure gemeinschaftliche Bestimmung, Verstand und Vernunft zu gebrauchen, aus deinem Betragen hervorblicke! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0223" n="223"/> unerträglich steif und ceremoniös geworden, um erhaben zu scheinen; bald minaudierend, süßlich, sprudelnd, ausgelassen, kindisch einfältig, um sich zart, lebhaft und naiv darzustellen; endlich hat man gar ein tölpelhaftes, freches, sich selbst und andere vernachlässigendes Betragen angenommen, um sich durch diesen falschen Anstrich des Natürlichen und Ungezwungenen von dem großen Haufen zu unterscheiden.</p> <p>Laßt uns sehen, wie der einzelne Mensch das wahre Edle, das wahre Schöne an seiner urbanen Person darstellt!</p> <p>Wie! sagt sich dieser, ist es denn um der Brauchbarkeit willen allein, daß ich mich gegen andere Menschen in den weiteren Verhältnissen des geselligen Umganges so betragen muß, daß wir sicher und behaglich neben einander herwandeln können? Nein, die Vollkommenheit, der ich nachstrebe, legt mir auf, in jedem Verhältnisse meines Lebens zu seyn was ich bin, was ich seyn sollte, Mensch: mithin muß ich mich auch so im geselligen Umgange zeigen. Als Mensch bin ich mir selbst Achtung, aber auch andern Achtung und Liebe schuldig. Zeige daher beydes in jeder deiner geselligen Aeußerungen; zeige es auch dadurch, daß du dich in die Conventionen des localen und feinen Tons schickst, und da, wo sie mit deinen Begriffen von Menschenwürde und Menschenliebe nicht übereinstimmen, sie so zu modificieren suchst, daß nicht so wohl Verachtung und Haß gegen diejenigen, die sich anders betragen, als Achtung und Liebe für eure gemeinschaftliche Bestimmung, Verstand und Vernunft zu gebrauchen, aus deinem Betragen hervorblicke!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0223]
unerträglich steif und ceremoniös geworden, um erhaben zu scheinen; bald minaudierend, süßlich, sprudelnd, ausgelassen, kindisch einfältig, um sich zart, lebhaft und naiv darzustellen; endlich hat man gar ein tölpelhaftes, freches, sich selbst und andere vernachlässigendes Betragen angenommen, um sich durch diesen falschen Anstrich des Natürlichen und Ungezwungenen von dem großen Haufen zu unterscheiden.
Laßt uns sehen, wie der einzelne Mensch das wahre Edle, das wahre Schöne an seiner urbanen Person darstellt!
Wie! sagt sich dieser, ist es denn um der Brauchbarkeit willen allein, daß ich mich gegen andere Menschen in den weiteren Verhältnissen des geselligen Umganges so betragen muß, daß wir sicher und behaglich neben einander herwandeln können? Nein, die Vollkommenheit, der ich nachstrebe, legt mir auf, in jedem Verhältnisse meines Lebens zu seyn was ich bin, was ich seyn sollte, Mensch: mithin muß ich mich auch so im geselligen Umgange zeigen. Als Mensch bin ich mir selbst Achtung, aber auch andern Achtung und Liebe schuldig. Zeige daher beydes in jeder deiner geselligen Aeußerungen; zeige es auch dadurch, daß du dich in die Conventionen des localen und feinen Tons schickst, und da, wo sie mit deinen Begriffen von Menschenwürde und Menschenliebe nicht übereinstimmen, sie so zu modificieren suchst, daß nicht so wohl Verachtung und Haß gegen diejenigen, die sich anders betragen, als Achtung und Liebe für eure gemeinschaftliche Bestimmung, Verstand und Vernunft zu gebrauchen, aus deinem Betragen hervorblicke!
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