Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Werde wichtig für die Selbstheit, werde interessant für die Sympathie, werde reitzend, entzückend für den Beschauungshang, werde alles das zugleich, und werde es gerade vor den Augen des Geliebten, in den Verhältnissen ihres Geschlechts und ihrer Person; - das ist das große Geheimniß, welches den Gewinn der Herzen sichert. Was hilft dir aller Ruhm, den du bey entfernten Nationen eingeerntet hast, wenn er nicht dazu dient, dir und dem Weibe, das du durch deine Wahl auszeichnest, in der örtlichen Gesellschaft, worin du mit ihm lebst, Ansehn zu verschaffen? Du wunderst dich, daß große Feldherrn, Staatsmänner, Künstler und Gelehrte die Herzen eitler Weiber durch den Abglanz des Ruhms, den sie auf die Geliebte warfen, nicht gefesselt haben! Weißt du denn auch, ob nicht diese großen Genies sich durch gewisse Schwächen und Fehler im geselligen Umgange um ihr Ansehen bey denen gebracht haben, die sie täglich umringten? Die Forderungen des Frauenzimmers sind örtlich, sie erstrecken sich selten über die Grenzen ihres Wirkungskreises hinaus. Ein mittelmäßiger Kopf mit einem ephemerischen Nimbus, auf den sich sein geselliges Ansehen stützt! Große der Erde, deren Mittelmäßigkeit ein beygelegter Schimmer, und eine gewisse Weltklugheit bedeckt; Dichter, deren Produkte keinen Werth haben als den, das Parterre zu füllen; Kriegsmänner, die sich öfter mit ihren Cameraden in Spielgefechten, als mit dem Feinde in Schlachten gemessen haben; alle diese Menschen mit einem bloß localen Werthe interessieren die Eitelkeit der Weiber mehr, als die Solonen, die Türennen und die Rousseaus. Werde wichtig für die Selbstheit, werde interessant für die Sympathie, werde reitzend, entzückend für den Beschauungshang, werde alles das zugleich, und werde es gerade vor den Augen des Geliebten, in den Verhältnissen ihres Geschlechts und ihrer Person; – das ist das große Geheimniß, welches den Gewinn der Herzen sichert. Was hilft dir aller Ruhm, den du bey entfernten Nationen eingeerntet hast, wenn er nicht dazu dient, dir und dem Weibe, das du durch deine Wahl auszeichnest, in der örtlichen Gesellschaft, worin du mit ihm lebst, Ansehn zu verschaffen? Du wunderst dich, daß große Feldherrn, Staatsmänner, Künstler und Gelehrte die Herzen eitler Weiber durch den Abglanz des Ruhms, den sie auf die Geliebte warfen, nicht gefesselt haben! Weißt du denn auch, ob nicht diese großen Genies sich durch gewisse Schwächen und Fehler im geselligen Umgange um ihr Ansehen bey denen gebracht haben, die sie täglich umringten? Die Forderungen des Frauenzimmers sind örtlich, sie erstrecken sich selten über die Grenzen ihres Wirkungskreises hinaus. Ein mittelmäßiger Kopf mit einem ephemerischen Nimbus, auf den sich sein geselliges Ansehen stützt! Große der Erde, deren Mittelmäßigkeit ein beygelegter Schimmer, und eine gewisse Weltklugheit bedeckt; Dichter, deren Produkte keinen Werth haben als den, das Parterre zu füllen; Kriegsmänner, die sich öfter mit ihren Cameraden in Spielgefechten, als mit dem Feinde in Schlachten gemessen haben; alle diese Menschen mit einem bloß localen Werthe interessieren die Eitelkeit der Weiber mehr, als die Solonen, die Türennen und die Rousseaus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0202" n="202"/> <p>Werde wichtig für die Selbstheit, werde interessant für die Sympathie, werde reitzend, entzückend für den Beschauungshang, werde alles das zugleich, und werde es gerade vor den Augen des Geliebten, in den Verhältnissen ihres Geschlechts und ihrer Person; – das ist das große Geheimniß, welches den Gewinn der Herzen sichert.</p> <p>Was hilft dir aller Ruhm, den du bey entfernten Nationen eingeerntet hast, wenn er nicht dazu dient, dir und dem Weibe, das du durch deine Wahl auszeichnest, in der örtlichen Gesellschaft, worin du mit ihm lebst, Ansehn zu verschaffen? 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Große der Erde, deren Mittelmäßigkeit ein beygelegter Schimmer, und eine gewisse Weltklugheit bedeckt; Dichter, deren Produkte keinen Werth haben als den, das Parterre zu füllen; Kriegsmänner, die sich öfter mit ihren Cameraden in Spielgefechten, als mit dem Feinde in Schlachten gemessen haben; alle diese Menschen mit einem bloß localen Werthe interessieren die Eitelkeit der Weiber mehr, als die Solonen, die Türennen und die Rousseaus.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0202]
Werde wichtig für die Selbstheit, werde interessant für die Sympathie, werde reitzend, entzückend für den Beschauungshang, werde alles das zugleich, und werde es gerade vor den Augen des Geliebten, in den Verhältnissen ihres Geschlechts und ihrer Person; – das ist das große Geheimniß, welches den Gewinn der Herzen sichert.
Was hilft dir aller Ruhm, den du bey entfernten Nationen eingeerntet hast, wenn er nicht dazu dient, dir und dem Weibe, das du durch deine Wahl auszeichnest, in der örtlichen Gesellschaft, worin du mit ihm lebst, Ansehn zu verschaffen? Du wunderst dich, daß große Feldherrn, Staatsmänner, Künstler und Gelehrte die Herzen eitler Weiber durch den Abglanz des Ruhms, den sie auf die Geliebte warfen, nicht gefesselt haben! Weißt du denn auch, ob nicht diese großen Genies sich durch gewisse Schwächen und Fehler im geselligen Umgange um ihr Ansehen bey denen gebracht haben, die sie täglich umringten? Die Forderungen des Frauenzimmers sind örtlich, sie erstrecken sich selten über die Grenzen ihres Wirkungskreises hinaus. Ein mittelmäßiger Kopf mit einem ephemerischen Nimbus, auf den sich sein geselliges Ansehen stützt! Große der Erde, deren Mittelmäßigkeit ein beygelegter Schimmer, und eine gewisse Weltklugheit bedeckt; Dichter, deren Produkte keinen Werth haben als den, das Parterre zu füllen; Kriegsmänner, die sich öfter mit ihren Cameraden in Spielgefechten, als mit dem Feinde in Schlachten gemessen haben; alle diese Menschen mit einem bloß localen Werthe interessieren die Eitelkeit der Weiber mehr, als die Solonen, die Türennen und die Rousseaus.
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