Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.von Liebkosungen, deren Geben und Empfangen kaum die untersten Kräfte unserer Seele spannt, ein Vergnügen, welches auch der edlere Genießer nicht verkennt, nicht verschmäht, aber mit sparsamer Behutsamkeit aufnimmt. Allein wenn der Arme in seiner Verbindung keine andere Nahrung findet, sich durch ihren Genuß für die Entbehrung jeder andern schadlos halten muß; ach! wie elend, wie erbärmlich ist dann sein Loos! Wie gewohnt sich dann der Geist so leicht, dem Geiste anderer nichts weiter abzufordern, ihm nichts weiter zurückzugeben! Indem unsere natürliche Trägheit jene beschränkten Freuden versüßt, stimmen wir unsere Forderungen so weit herab, um wohl gar in bloßen körperlichen Freuden das Wesen der Liebe und das Glück des Lebens zu suchen! So gehen Tage, Wochen, Jahre hin! Glücklich noch, wenn dieser Zustand dauern könnte! Aber er dauert nicht! Umstände, Lagen ändern sich, und ein Zufall weckt den edeln Sinn aus seinem Schlummer! Lautpochend melden sich in unserm Busen die Ansprüche auf Adel und Schönheit! Keine ehernen Ketten sind dann so drückend als der Pflaumenarm des Weibes, der sich um den Nacken des Mannes windet, ihn in seinem edeln Emporstreben aufzuhalten! Kein Kerker ist so grausenvoll für den Gatten, welcher die höhere Bestimmung eines vernünftigen Wesens für sich selbst, für den Verbündeten, und die gemeinschaftlichen Früchte ihrer Liebe ahndet, als der Aufenthalt bey einem Wesen, das im Gefühl seiner ängstlichen Zärtlichkeit und seiner Unbedeutung ihn an der Erfüllung seiner Pflichten hindert, weil es nicht mit ihm empor steigen kann. Ich habe sie gekannt, solche zwangvolle Verhältnisse, ich habe sie von Liebkosungen, deren Geben und Empfangen kaum die untersten Kräfte unserer Seele spannt, ein Vergnügen, welches auch der edlere Genießer nicht verkennt, nicht verschmäht, aber mit sparsamer Behutsamkeit aufnimmt. Allein wenn der Arme in seiner Verbindung keine andere Nahrung findet, sich durch ihren Genuß für die Entbehrung jeder andern schadlos halten muß; ach! wie elend, wie erbärmlich ist dann sein Loos! Wie gewohnt sich dann der Geist so leicht, dem Geiste anderer nichts weiter abzufordern, ihm nichts weiter zurückzugeben! Indem unsere natürliche Trägheit jene beschränkten Freuden versüßt, stimmen wir unsere Forderungen so weit herab, um wohl gar in bloßen körperlichen Freuden das Wesen der Liebe und das Glück des Lebens zu suchen! So gehen Tage, Wochen, Jahre hin! Glücklich noch, wenn dieser Zustand dauern könnte! Aber er dauert nicht! Umstände, Lagen ändern sich, und ein Zufall weckt den edeln Sinn aus seinem Schlummer! Lautpochend melden sich in unserm Busen die Ansprüche auf Adel und Schönheit! Keine ehernen Ketten sind dann so drückend als der Pflaumenarm des Weibes, der sich um den Nacken des Mannes windet, ihn in seinem edeln Emporstreben aufzuhalten! Kein Kerker ist so grausenvoll für den Gatten, welcher die höhere Bestimmung eines vernünftigen Wesens für sich selbst, für den Verbündeten, und die gemeinschaftlichen Früchte ihrer Liebe ahndet, als der Aufenthalt bey einem Wesen, das im Gefühl seiner ängstlichen Zärtlichkeit und seiner Unbedeutung ihn an der Erfüllung seiner Pflichten hindert, weil es nicht mit ihm empor steigen kann. 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Aber er dauert nicht! Umstände, Lagen ändern sich, und ein Zufall weckt den edeln Sinn aus seinem Schlummer! Lautpochend melden sich in unserm Busen die Ansprüche auf Adel und Schönheit! Keine ehernen Ketten sind dann so drückend als der Pflaumenarm des Weibes, der sich um den Nacken des Mannes windet, ihn in seinem edeln Emporstreben aufzuhalten! Kein Kerker ist so grausenvoll für den Gatten, welcher die höhere Bestimmung eines vernünftigen Wesens für sich selbst, für den Verbündeten, und die gemeinschaftlichen Früchte ihrer Liebe ahndet, als der Aufenthalt bey einem Wesen, das im Gefühl seiner ängstlichen Zärtlichkeit und seiner Unbedeutung ihn an der Erfüllung seiner Pflichten hindert, weil es nicht mit ihm empor steigen kann. Ich habe sie gekannt, solche zwangvolle Verhältnisse, ich habe sie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0174]
von Liebkosungen, deren Geben und Empfangen kaum die untersten Kräfte unserer Seele spannt, ein Vergnügen, welches auch der edlere Genießer nicht verkennt, nicht verschmäht, aber mit sparsamer Behutsamkeit aufnimmt. Allein wenn der Arme in seiner Verbindung keine andere Nahrung findet, sich durch ihren Genuß für die Entbehrung jeder andern schadlos halten muß; ach! wie elend, wie erbärmlich ist dann sein Loos! Wie gewohnt sich dann der Geist so leicht, dem Geiste anderer nichts weiter abzufordern, ihm nichts weiter zurückzugeben! Indem unsere natürliche Trägheit jene beschränkten Freuden versüßt, stimmen wir unsere Forderungen so weit herab, um wohl gar in bloßen körperlichen Freuden das Wesen der Liebe und das Glück des Lebens zu suchen!
So gehen Tage, Wochen, Jahre hin! Glücklich noch, wenn dieser Zustand dauern könnte! Aber er dauert nicht! Umstände, Lagen ändern sich, und ein Zufall weckt den edeln Sinn aus seinem Schlummer! Lautpochend melden sich in unserm Busen die Ansprüche auf Adel und Schönheit! Keine ehernen Ketten sind dann so drückend als der Pflaumenarm des Weibes, der sich um den Nacken des Mannes windet, ihn in seinem edeln Emporstreben aufzuhalten! Kein Kerker ist so grausenvoll für den Gatten, welcher die höhere Bestimmung eines vernünftigen Wesens für sich selbst, für den Verbündeten, und die gemeinschaftlichen Früchte ihrer Liebe ahndet, als der Aufenthalt bey einem Wesen, das im Gefühl seiner ängstlichen Zärtlichkeit und seiner Unbedeutung ihn an der Erfüllung seiner Pflichten hindert, weil es nicht mit ihm empor steigen kann. Ich habe sie gekannt, solche zwangvolle Verhältnisse, ich habe sie
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