Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Aber vergleicht man diese sympathetischen Wonnegefühle mit dem lebenden Menschen nun wieder unter sich, so nähern sich einige mehr dem Beschauungshange, andere mehr der Selbstheit, und nur eine Art derselben bleibt als reine Sympathie stehen, die wir denn auch Liebe im engsten Sinne nennen. Gesetzt ich höre die Nachricht von den glänzendsten Fortschritten, die ein Held, der mein Zeitgenosse ist, seinen Talenten und einer außerordentlichen Verkettung der Umstände verdankt. Ich sympathisiere dergestalt mit ihm, daß jeder neue Triumph, der ihm zu Theil wird, mich mit Wonne erfüllt, und die Niederlage, die er nachher erfährt, mich in eine Art von Verzweiflung stürzt; Liebe ich? Wir wollen sehen. Der Held ist der Gefahr des Todes entkommen; er hat sich an einen sichern Zufluchtsort begeben, wo er unbekannt bloß für's gesellige Vergnügen lebt, und seine Muße so lieb gewonnen hat, daß der Geschmack und die Kraft, etwas Großes zu unternehmen, auf gleiche Weise bey ihm verschwunden sind. Er ist in die Reihe gewöhnlicher Menschen zurückgetreten, fühlt sich aber dabey glücklicher als vorher. Dieß sagt man mir, und verfinstert dadurch das Bild des Außerordentlichen, das ich mir von meinem Helden gemacht hatte. Unwillig rufe ich aus! ich wollte, er wäre gestorben. Er hat sich überlebt! Wie! War nun die Empfindung, die er mir eingeflößt hatte, Liebe? Wahrlich nicht mehr, als die Empfindung, die mir die poetische Darstellung von einem verstorbenen Helden einflößt, in dessen Bild ich sein außerordentliches Glück als eine auffallende Eigenthümlichkeit mit aufnehme, um sie aus der Ferne zu beschauen, Aber vergleicht man diese sympathetischen Wonnegefühle mit dem lebenden Menschen nun wieder unter sich, so nähern sich einige mehr dem Beschauungshange, andere mehr der Selbstheit, und nur eine Art derselben bleibt als reine Sympathie stehen, die wir denn auch Liebe im engsten Sinne nennen. Gesetzt ich höre die Nachricht von den glänzendsten Fortschritten, die ein Held, der mein Zeitgenosse ist, seinen Talenten und einer außerordentlichen Verkettung der Umstände verdankt. Ich sympathisiere dergestalt mit ihm, daß jeder neue Triumph, der ihm zu Theil wird, mich mit Wonne erfüllt, und die Niederlage, die er nachher erfährt, mich in eine Art von Verzweiflung stürzt; Liebe ich? Wir wollen sehen. Der Held ist der Gefahr des Todes entkommen; er hat sich an einen sichern Zufluchtsort begeben, wo er unbekannt bloß für’s gesellige Vergnügen lebt, und seine Muße so lieb gewonnen hat, daß der Geschmack und die Kraft, etwas Großes zu unternehmen, auf gleiche Weise bey ihm verschwunden sind. Er ist in die Reihe gewöhnlicher Menschen zurückgetreten, fühlt sich aber dabey glücklicher als vorher. Dieß sagt man mir, und verfinstert dadurch das Bild des Außerordentlichen, das ich mir von meinem Helden gemacht hatte. Unwillig rufe ich aus! ich wollte, er wäre gestorben. Er hat sich überlebt! Wie! War nun die Empfindung, die er mir eingeflößt hatte, Liebe? Wahrlich nicht mehr, als die Empfindung, die mir die poetische Darstellung von einem verstorbenen Helden einflößt, in dessen Bild ich sein außerordentliches Glück als eine auffallende Eigenthümlichkeit mit aufnehme, um sie aus der Ferne zu beschauen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0055" n="55"/> <p>Aber vergleicht man diese sympathetischen Wonnegefühle mit dem lebenden Menschen nun wieder unter sich, so nähern sich einige mehr dem Beschauungshange, andere mehr der Selbstheit, und nur eine Art derselben bleibt als reine Sympathie stehen, die wir denn auch Liebe im engsten Sinne nennen.</p> <p>Gesetzt ich höre die Nachricht von den glänzendsten Fortschritten, die ein Held, der mein Zeitgenosse ist, seinen Talenten und einer außerordentlichen Verkettung der Umstände verdankt. 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Aber vergleicht man diese sympathetischen Wonnegefühle mit dem lebenden Menschen nun wieder unter sich, so nähern sich einige mehr dem Beschauungshange, andere mehr der Selbstheit, und nur eine Art derselben bleibt als reine Sympathie stehen, die wir denn auch Liebe im engsten Sinne nennen.
Gesetzt ich höre die Nachricht von den glänzendsten Fortschritten, die ein Held, der mein Zeitgenosse ist, seinen Talenten und einer außerordentlichen Verkettung der Umstände verdankt. Ich sympathisiere dergestalt mit ihm, daß jeder neue Triumph, der ihm zu Theil wird, mich mit Wonne erfüllt, und die Niederlage, die er nachher erfährt, mich in eine Art von Verzweiflung stürzt; Liebe ich? Wir wollen sehen. Der Held ist der Gefahr des Todes entkommen; er hat sich an einen sichern Zufluchtsort begeben, wo er unbekannt bloß für’s gesellige Vergnügen lebt, und seine Muße so lieb gewonnen hat, daß der Geschmack und die Kraft, etwas Großes zu unternehmen, auf gleiche Weise bey ihm verschwunden sind. Er ist in die Reihe gewöhnlicher Menschen zurückgetreten, fühlt sich aber dabey glücklicher als vorher. Dieß sagt man mir, und verfinstert dadurch das Bild des Außerordentlichen, das ich mir von meinem Helden gemacht hatte. Unwillig rufe ich aus! ich wollte, er wäre gestorben. Er hat sich überlebt!
Wie! War nun die Empfindung, die er mir eingeflößt hatte, Liebe? Wahrlich nicht mehr, als die Empfindung, die mir die poetische Darstellung von einem verstorbenen Helden einflößt, in dessen Bild ich sein außerordentliches Glück als eine auffallende Eigenthümlichkeit mit aufnehme, um sie aus der Ferne zu beschauen,
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