Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Denn die Wonne an Befriedigung des Uebelwollens ist in Beziehung auf den Grundtrieb allerdings der Wonne an Befriedigung des Wohlwollens ähnlich. Beyde geben einen hohen Lebensgenuß. Aber bey ihrer Vergleichung unter einander sind sie sehr von einander verschieden. Ferner müssen diejenigen Gesinnungen, die als unmittelbare Gegenfüßler der Liebe anzusehen sind, von denjenigen unterschieden werden, die unmittelbarer Weise die Liebe hindern oder zerstören. Der Widerwille der Antipathie steht der Liebe geradezu entgegen. Die selbstischen Neigungen sind ihr nur mittelbarer Weise zuwider, indem sie leicht ein Uebelwollen herbeyführen. Endlich aber muß diejenige Gesinnung, die der Liebe in ihren Folgen für andre Menschen noch so ähnlich ist, von derjenigen abgesondert werden, die, ihrem innern Gehalt nach, unmittelbare Wonne an Beglückung mit sich führt. Wohlthätigkeit der feinsten Selbstheit ist noch nicht Liebe. Nach diesen Bemerkungen werde ich dieses Buch in drey Abschnitte theilen: in dem ersten dasjenige entwickeln, was der Liebe, als einzelnen Aufwallung, entgegensteht, und ihr bloß ähnlich ist. Im zweyten, was von ihr, als Anhänglichkeit betrachtet, abgesondert werden muß; und im dritten, was sich von ihr, unter den Begriff der Leidenschaft gebracht, unterscheidet. Denn die Wonne an Befriedigung des Uebelwollens ist in Beziehung auf den Grundtrieb allerdings der Wonne an Befriedigung des Wohlwollens ähnlich. Beyde geben einen hohen Lebensgenuß. Aber bey ihrer Vergleichung unter einander sind sie sehr von einander verschieden. Ferner müssen diejenigen Gesinnungen, die als unmittelbare Gegenfüßler der Liebe anzusehen sind, von denjenigen unterschieden werden, die unmittelbarer Weise die Liebe hindern oder zerstören. Der Widerwille der Antipathie steht der Liebe geradezu entgegen. Die selbstischen Neigungen sind ihr nur mittelbarer Weise zuwider, indem sie leicht ein Uebelwollen herbeyführen. Endlich aber muß diejenige Gesinnung, die der Liebe in ihren Folgen für andre Menschen noch so ähnlich ist, von derjenigen abgesondert werden, die, ihrem innern Gehalt nach, unmittelbare Wonne an Beglückung mit sich führt. Wohlthätigkeit der feinsten Selbstheit ist noch nicht Liebe. Nach diesen Bemerkungen werde ich dieses Buch in drey Abschnitte theilen: in dem ersten dasjenige entwickeln, was der Liebe, als einzelnen Aufwallung, entgegensteht, und ihr bloß ähnlich ist. Im zweyten, was von ihr, als Anhänglichkeit betrachtet, abgesondert werden muß; und im dritten, was sich von ihr, unter den Begriff der Leidenschaft gebracht, unterscheidet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0276" n="276"/> Denn die Wonne an Befriedigung des Uebelwollens ist in Beziehung auf den Grundtrieb allerdings der Wonne an Befriedigung des Wohlwollens ähnlich. Beyde geben einen hohen Lebensgenuß. Aber bey ihrer Vergleichung unter einander sind sie sehr von einander verschieden.</p> <p>Ferner müssen diejenigen Gesinnungen, die als unmittelbare Gegenfüßler der Liebe anzusehen sind, von denjenigen unterschieden werden, die unmittelbarer Weise die Liebe hindern oder zerstören. Der Widerwille der Antipathie steht der Liebe geradezu entgegen. Die selbstischen Neigungen sind ihr nur mittelbarer Weise zuwider, indem sie leicht ein Uebelwollen herbeyführen.</p> <p>Endlich aber muß diejenige Gesinnung, die der Liebe in ihren Folgen für andre Menschen noch so ähnlich ist, von derjenigen abgesondert werden, die, ihrem innern Gehalt nach, unmittelbare Wonne an Beglückung mit sich führt. Wohlthätigkeit der feinsten Selbstheit ist noch nicht Liebe.</p> <p>Nach diesen Bemerkungen werde ich dieses Buch in drey Abschnitte theilen: in dem ersten dasjenige entwickeln, was der Liebe, als einzelnen Aufwallung, entgegensteht, und ihr bloß ähnlich ist. Im zweyten, was von ihr, als Anhänglichkeit betrachtet, abgesondert werden muß; und im dritten, was sich von ihr, unter den Begriff der Leidenschaft gebracht, unterscheidet.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0276]
Denn die Wonne an Befriedigung des Uebelwollens ist in Beziehung auf den Grundtrieb allerdings der Wonne an Befriedigung des Wohlwollens ähnlich. Beyde geben einen hohen Lebensgenuß. Aber bey ihrer Vergleichung unter einander sind sie sehr von einander verschieden.
Ferner müssen diejenigen Gesinnungen, die als unmittelbare Gegenfüßler der Liebe anzusehen sind, von denjenigen unterschieden werden, die unmittelbarer Weise die Liebe hindern oder zerstören. Der Widerwille der Antipathie steht der Liebe geradezu entgegen. Die selbstischen Neigungen sind ihr nur mittelbarer Weise zuwider, indem sie leicht ein Uebelwollen herbeyführen.
Endlich aber muß diejenige Gesinnung, die der Liebe in ihren Folgen für andre Menschen noch so ähnlich ist, von derjenigen abgesondert werden, die, ihrem innern Gehalt nach, unmittelbare Wonne an Beglückung mit sich führt. Wohlthätigkeit der feinsten Selbstheit ist noch nicht Liebe.
Nach diesen Bemerkungen werde ich dieses Buch in drey Abschnitte theilen: in dem ersten dasjenige entwickeln, was der Liebe, als einzelnen Aufwallung, entgegensteht, und ihr bloß ähnlich ist. Im zweyten, was von ihr, als Anhänglichkeit betrachtet, abgesondert werden muß; und im dritten, was sich von ihr, unter den Begriff der Leidenschaft gebracht, unterscheidet.
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/276>, abgerufen am 16.02.2025. |