Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Physischen. Und dieß ist der erste Charakter eines wollüstigen Genusses für das Auge; unser Körper wird in keinen thätigen oder strebenden Zustand dabey versetzt, er genießt mit Ruhe.

Ein zweyter Charakter dieser wollüstigen Empfindung für das Auge ist darin zu suchen, daß der Körper, dessen Farbe oder Licht oder Umriß uns gefallen soll, als etwas Abstechendes und Auffallendes wahrgenommen werden, und daß er sich daher durch gewisse Grenzen von unserm eigenen Körper, und von allen andern Körpern die ihn umringen, trennen muß. Trete ich so nahe hinan, daß mein Auge nichts neben ihm wahrnehmen kann, wovon er absticht, so ergetzt er mich nicht; entferne ich mich so weit, daß die Grenzen der Körper, die ihn umringen, mit den seinigen dergestalt zusammenfließen, daß ich ihn nicht bestimmt unterscheiden kann; so ist wieder die Wollust des Anblicks dahin! Farben, die unter sich zu wenig von einander abweichen, Lichter, die zu matt und schmutzig erscheinen, Linien, die sich zu unbestimmt vom Grunde abziehen, beleidigen das Auge oder lassen es ungerührt, sowohl in der Natur als im Gemählde.

Hierdurch wird der Begriff eines Verhältnisses zwischen meinem Körper und andern Körpern außer mir gegründet, das bey anscheinender Ruhe meines Physischen aus der Ferne auf mich wirkt, und das, wenn es wollüstig von mir empfunden werden soll, die nothwendige Bedingung voraussetzt, daß ich den Körper außer mir von meinem eigenen und andern ihn umringenden Körpern auffallend getrennt und abstechend wahrnehmen muß.

Physischen. Und dieß ist der erste Charakter eines wollüstigen Genusses für das Auge; unser Körper wird in keinen thätigen oder strebenden Zustand dabey versetzt, er genießt mit Ruhe.

Ein zweyter Charakter dieser wollüstigen Empfindung für das Auge ist darin zu suchen, daß der Körper, dessen Farbe oder Licht oder Umriß uns gefallen soll, als etwas Abstechendes und Auffallendes wahrgenommen werden, und daß er sich daher durch gewisse Grenzen von unserm eigenen Körper, und von allen andern Körpern die ihn umringen, trennen muß. Trete ich so nahe hinan, daß mein Auge nichts neben ihm wahrnehmen kann, wovon er absticht, so ergetzt er mich nicht; entferne ich mich so weit, daß die Grenzen der Körper, die ihn umringen, mit den seinigen dergestalt zusammenfließen, daß ich ihn nicht bestimmt unterscheiden kann; so ist wieder die Wollust des Anblicks dahin! Farben, die unter sich zu wenig von einander abweichen, Lichter, die zu matt und schmutzig erscheinen, Linien, die sich zu unbestimmt vom Grunde abziehen, beleidigen das Auge oder lassen es ungerührt, sowohl in der Natur als im Gemählde.

Hierdurch wird der Begriff eines Verhältnisses zwischen meinem Körper und andern Körpern außer mir gegründet, das bey anscheinender Ruhe meines Physischen aus der Ferne auf mich wirkt, und das, wenn es wollüstig von mir empfunden werden soll, die nothwendige Bedingung voraussetzt, daß ich den Körper außer mir von meinem eigenen und andern ihn umringenden Körpern auffallend getrennt und abstechend wahrnehmen muß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0027" n="27"/>
Physischen. Und dieß ist der erste Charakter eines wollüstigen Genusses für das Auge; unser Körper wird in keinen thätigen oder strebenden Zustand dabey versetzt, er genießt mit Ruhe.</p>
            <p>Ein zweyter Charakter dieser wollüstigen Empfindung für das Auge ist darin zu suchen, daß der Körper, dessen Farbe oder Licht oder Umriß uns gefallen soll, als etwas Abstechendes und Auffallendes wahrgenommen werden, und daß er sich daher durch gewisse Grenzen von unserm eigenen Körper, und von allen andern Körpern die ihn umringen, trennen muß. Trete ich so nahe hinan, daß mein Auge nichts neben ihm wahrnehmen kann, wovon er absticht, so ergetzt er mich nicht; entferne ich mich so weit, daß die Grenzen der Körper, die ihn umringen, mit den seinigen dergestalt zusammenfließen, daß ich ihn nicht bestimmt unterscheiden kann; so ist wieder die Wollust des Anblicks dahin! Farben, die unter sich zu wenig von einander abweichen, Lichter, die zu matt und schmutzig erscheinen, Linien, die sich zu unbestimmt vom Grunde abziehen, beleidigen das Auge oder lassen es ungerührt, sowohl in der Natur als im Gemählde.</p>
            <p>Hierdurch wird der Begriff eines Verhältnisses zwischen meinem Körper und andern Körpern außer mir gegründet, das bey anscheinender Ruhe meines Physischen aus der Ferne auf mich wirkt, und das, wenn es wollüstig von mir empfunden werden soll, die nothwendige Bedingung voraussetzt, daß ich den Körper außer mir von meinem eigenen und andern ihn umringenden Körpern auffallend getrennt und abstechend wahrnehmen muß.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0027] Physischen. Und dieß ist der erste Charakter eines wollüstigen Genusses für das Auge; unser Körper wird in keinen thätigen oder strebenden Zustand dabey versetzt, er genießt mit Ruhe. Ein zweyter Charakter dieser wollüstigen Empfindung für das Auge ist darin zu suchen, daß der Körper, dessen Farbe oder Licht oder Umriß uns gefallen soll, als etwas Abstechendes und Auffallendes wahrgenommen werden, und daß er sich daher durch gewisse Grenzen von unserm eigenen Körper, und von allen andern Körpern die ihn umringen, trennen muß. Trete ich so nahe hinan, daß mein Auge nichts neben ihm wahrnehmen kann, wovon er absticht, so ergetzt er mich nicht; entferne ich mich so weit, daß die Grenzen der Körper, die ihn umringen, mit den seinigen dergestalt zusammenfließen, daß ich ihn nicht bestimmt unterscheiden kann; so ist wieder die Wollust des Anblicks dahin! Farben, die unter sich zu wenig von einander abweichen, Lichter, die zu matt und schmutzig erscheinen, Linien, die sich zu unbestimmt vom Grunde abziehen, beleidigen das Auge oder lassen es ungerührt, sowohl in der Natur als im Gemählde. Hierdurch wird der Begriff eines Verhältnisses zwischen meinem Körper und andern Körpern außer mir gegründet, das bey anscheinender Ruhe meines Physischen aus der Ferne auf mich wirkt, und das, wenn es wollüstig von mir empfunden werden soll, die nothwendige Bedingung voraussetzt, daß ich den Körper außer mir von meinem eigenen und andern ihn umringenden Körpern auffallend getrennt und abstechend wahrnehmen muß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/27
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/27>, abgerufen am 24.11.2024.