Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

erhält er sogleich mit der Erleichterung seines Physischen Vorstellungen von ganz verschiedener Art, so daß er selbst über den Antheil lachen muß, den er an den vorigen genommen hat. Eben so können vermöge einer gewissen Stimmung der Seele zur Traurigkeit oder zur Heiterkeit, lauter analoge Bilder in uns aufsteigen. Darum sieht der Arme, der Bedrängte, alles, was auch in keiner genauen Beziehung mit seinem Zustande steht, im schwarzen; der Heitere hingegen alles im Rosenlichte.

Folglich können unsere physischen und Seelenkräfte eine solche Richtung erhalten, daß sie zu gewissen physischen Gefühlen und Bestrebungen, zu gewissen Bildern und Vorstellungen und davon abhängenden Reitzungen unsers Herzens, ja, zu gewissen anhaltenden Stimmungen des Gemüths ohne vorgängige besondere Vorstellung, oder ohne vorgängigen besondern sinnlichen Eindruck, eine solche Fertigkeit bekommen, daß wir selten das Bewußtseyn unsers Selbstes erhalten, ohne uns jener physischen Gefühle und Bestrebungen, jener Ideen und Aufwallungen des Herzens mit bewußt zu werden.

Dieß ist die Wirksamkeit der Figierungskraft. Sie so wohl, als die Verwandlungskraft, werden beyde auf eine doppelte Art in Bewegung gesetzt. Entweder, indem unsere physischen und Seelenkräfte auf Ein Mahl überspannt werden; oder, indem wir nach und nach ihnen eine nicht leicht wieder abzulegende Richtung geben. Nicht anders, wie wirkliche Schnellfedern entweder auf Ein Mahl überspannt, oder nach und nach zu einer gewissen dauernden Richtung hingebeuget werden können. Eine heftige Betrübniß, ein gewaltsamer Unmuth, können den Menschen eben so gut für beständig traurig und menschenfeindlich machen, als häufige kleine Versagungen

erhält er sogleich mit der Erleichterung seines Physischen Vorstellungen von ganz verschiedener Art, so daß er selbst über den Antheil lachen muß, den er an den vorigen genommen hat. Eben so können vermöge einer gewissen Stimmung der Seele zur Traurigkeit oder zur Heiterkeit, lauter analoge Bilder in uns aufsteigen. Darum sieht der Arme, der Bedrängte, alles, was auch in keiner genauen Beziehung mit seinem Zustande steht, im schwarzen; der Heitere hingegen alles im Rosenlichte.

Folglich können unsere physischen und Seelenkräfte eine solche Richtung erhalten, daß sie zu gewissen physischen Gefühlen und Bestrebungen, zu gewissen Bildern und Vorstellungen und davon abhängenden Reitzungen unsers Herzens, ja, zu gewissen anhaltenden Stimmungen des Gemüths ohne vorgängige besondere Vorstellung, oder ohne vorgängigen besondern sinnlichen Eindruck, eine solche Fertigkeit bekommen, daß wir selten das Bewußtseyn unsers Selbstes erhalten, ohne uns jener physischen Gefühle und Bestrebungen, jener Ideen und Aufwallungen des Herzens mit bewußt zu werden.

Dieß ist die Wirksamkeit der Figierungskraft. Sie so wohl, als die Verwandlungskraft, werden beyde auf eine doppelte Art in Bewegung gesetzt. Entweder, indem unsere physischen und Seelenkräfte auf Ein Mahl überspannt werden; oder, indem wir nach und nach ihnen eine nicht leicht wieder abzulegende Richtung geben. Nicht anders, wie wirkliche Schnellfedern entweder auf Ein Mahl überspannt, oder nach und nach zu einer gewissen dauernden Richtung hingebeuget werden können. Eine heftige Betrübniß, ein gewaltsamer Unmuth, können den Menschen eben so gut für beständig traurig und menschenfeindlich machen, als häufige kleine Versagungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0265" n="265"/>
erhält er sogleich mit der Erleichterung seines Physischen Vorstellungen von ganz verschiedener Art, so daß er selbst über den Antheil lachen muß, den er an den vorigen genommen hat. Eben so können vermöge einer gewissen Stimmung der Seele zur Traurigkeit oder zur Heiterkeit, lauter analoge Bilder in uns aufsteigen. Darum sieht der Arme, der Bedrängte, alles, was auch in keiner genauen Beziehung mit seinem Zustande steht, im schwarzen; der Heitere hingegen alles im Rosenlichte.</p>
            <p>Folglich können unsere physischen und Seelenkräfte eine solche Richtung erhalten, daß sie zu gewissen physischen Gefühlen und Bestrebungen, zu gewissen Bildern und Vorstellungen und davon abhängenden Reitzungen unsers Herzens, ja, zu gewissen anhaltenden Stimmungen des Gemüths ohne vorgängige besondere Vorstellung, oder ohne vorgängigen besondern sinnlichen Eindruck, eine solche Fertigkeit bekommen, daß wir selten das Bewußtseyn unsers Selbstes erhalten, ohne uns jener physischen Gefühle und Bestrebungen, jener Ideen und Aufwallungen des Herzens mit bewußt zu werden.</p>
            <p>Dieß ist die Wirksamkeit der Figierungskraft. Sie so wohl, als die Verwandlungskraft, werden beyde auf eine doppelte Art in Bewegung gesetzt. Entweder, indem unsere physischen und Seelenkräfte auf Ein Mahl überspannt werden; oder, indem wir nach und nach ihnen eine nicht leicht wieder abzulegende Richtung geben. Nicht anders, wie wirkliche Schnellfedern entweder auf Ein Mahl überspannt, oder nach und nach zu einer gewissen dauernden Richtung hingebeuget werden können. Eine heftige Betrübniß, ein gewaltsamer Unmuth, können den Menschen eben so gut für beständig traurig und menschenfeindlich machen, als häufige kleine Versagungen
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0265] erhält er sogleich mit der Erleichterung seines Physischen Vorstellungen von ganz verschiedener Art, so daß er selbst über den Antheil lachen muß, den er an den vorigen genommen hat. Eben so können vermöge einer gewissen Stimmung der Seele zur Traurigkeit oder zur Heiterkeit, lauter analoge Bilder in uns aufsteigen. Darum sieht der Arme, der Bedrängte, alles, was auch in keiner genauen Beziehung mit seinem Zustande steht, im schwarzen; der Heitere hingegen alles im Rosenlichte. Folglich können unsere physischen und Seelenkräfte eine solche Richtung erhalten, daß sie zu gewissen physischen Gefühlen und Bestrebungen, zu gewissen Bildern und Vorstellungen und davon abhängenden Reitzungen unsers Herzens, ja, zu gewissen anhaltenden Stimmungen des Gemüths ohne vorgängige besondere Vorstellung, oder ohne vorgängigen besondern sinnlichen Eindruck, eine solche Fertigkeit bekommen, daß wir selten das Bewußtseyn unsers Selbstes erhalten, ohne uns jener physischen Gefühle und Bestrebungen, jener Ideen und Aufwallungen des Herzens mit bewußt zu werden. Dieß ist die Wirksamkeit der Figierungskraft. Sie so wohl, als die Verwandlungskraft, werden beyde auf eine doppelte Art in Bewegung gesetzt. Entweder, indem unsere physischen und Seelenkräfte auf Ein Mahl überspannt werden; oder, indem wir nach und nach ihnen eine nicht leicht wieder abzulegende Richtung geben. Nicht anders, wie wirkliche Schnellfedern entweder auf Ein Mahl überspannt, oder nach und nach zu einer gewissen dauernden Richtung hingebeuget werden können. Eine heftige Betrübniß, ein gewaltsamer Unmuth, können den Menschen eben so gut für beständig traurig und menschenfeindlich machen, als häufige kleine Versagungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/265
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/265>, abgerufen am 22.11.2024.