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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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Gegenstandes, der ihn begeistert, in sich aufnimmt, und sich von diesem beseelt glaubt; der Selbstverwandler nimmt aber auch den Körper und alle Verhältnisse des begeisternden Gegenstandes in sich auf; er sieht sich an, als ob er sein ganzes persönliches Wesen verlassen hätte, um sich in der Persönlichkeit des andern zu verlieren.

Die Besessenheit empfindet oft der Künstler, der einen Helden auf dem Theater darzustellen hat. Die Idee des Außerordentlichen, des Ungewöhnlichen, verbunden mit der Eitelkeit, so zu scheinen, kann wirklich seine Natur auf eine Zeitlang verändern, und ihn überzeugen, daß er von Cäsars oder Richards Geist beseelt werde. Allein so weit schreitet dieser Zustand doch selten vorwärts, daß die Akteurs wirklich römische Dictatoren, oder Englands Könige mit ihrem Körper und mit allen ihren Verhältnissen zu seyn wähnen.

Beyde, die Besessenheit und die Selbstverwandlung, können auch aus ganz verschiedenen Ursachen entstehen. Die erste wird nur da erweckt, wo wir ein Wohlverhältniß zwischen der Inferiorität unsers Geistes und der Superiorität eines andern fühlen, zu dem wir uns hinaufzuheben hoffen. Aber der Selbstverwandlungstrieb entsteht sehr häufig aus ganz zufälligen Ursachen. Sehr oft halten wir uns in dasjenige verwandelt, was gerade der Gegenstand unsers Widerwillens und unsers Abscheues gewesen ist. Ein heftiger Schrecken, der einen Candidaten überfiel, als ihn sein Examinator, ein furchtbarer Orthodox, der Heteroxie beschuldigte, hatte die Wirkung, daß der Erschrockene sich gerade in seinen Feind verwandelt glaubte, und fortan wie dieser dachte, sprach und handelte. Die gleichgültigsten Dinge, welche gerade das letzte Bild in der Seele erweckt, den letzten sinnlichen

Gegenstandes, der ihn begeistert, in sich aufnimmt, und sich von diesem beseelt glaubt; der Selbstverwandler nimmt aber auch den Körper und alle Verhältnisse des begeisternden Gegenstandes in sich auf; er sieht sich an, als ob er sein ganzes persönliches Wesen verlassen hätte, um sich in der Persönlichkeit des andern zu verlieren.

Die Besessenheit empfindet oft der Künstler, der einen Helden auf dem Theater darzustellen hat. Die Idee des Außerordentlichen, des Ungewöhnlichen, verbunden mit der Eitelkeit, so zu scheinen, kann wirklich seine Natur auf eine Zeitlang verändern, und ihn überzeugen, daß er von Cäsars oder Richards Geist beseelt werde. Allein so weit schreitet dieser Zustand doch selten vorwärts, daß die Akteurs wirklich römische Dictatoren, oder Englands Könige mit ihrem Körper und mit allen ihren Verhältnissen zu seyn wähnen.

Beyde, die Besessenheit und die Selbstverwandlung, können auch aus ganz verschiedenen Ursachen entstehen. Die erste wird nur da erweckt, wo wir ein Wohlverhältniß zwischen der Inferiorität unsers Geistes und der Superiorität eines andern fühlen, zu dem wir uns hinaufzuheben hoffen. Aber der Selbstverwandlungstrieb entsteht sehr häufig aus ganz zufälligen Ursachen. Sehr oft halten wir uns in dasjenige verwandelt, was gerade der Gegenstand unsers Widerwillens und unsers Abscheues gewesen ist. Ein heftiger Schrecken, der einen Candidaten überfiel, als ihn sein Examinator, ein furchtbarer Orthodox, der Heteroxie beschuldigte, hatte die Wirkung, daß der Erschrockene sich gerade in seinen Feind verwandelt glaubte, und fortan wie dieser dachte, sprach und handelte. Die gleichgültigsten Dinge, welche gerade das letzte Bild in der Seele erweckt, den letzten sinnlichen

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[261/0261] Gegenstandes, der ihn begeistert, in sich aufnimmt, und sich von diesem beseelt glaubt; der Selbstverwandler nimmt aber auch den Körper und alle Verhältnisse des begeisternden Gegenstandes in sich auf; er sieht sich an, als ob er sein ganzes persönliches Wesen verlassen hätte, um sich in der Persönlichkeit des andern zu verlieren. Die Besessenheit empfindet oft der Künstler, der einen Helden auf dem Theater darzustellen hat. Die Idee des Außerordentlichen, des Ungewöhnlichen, verbunden mit der Eitelkeit, so zu scheinen, kann wirklich seine Natur auf eine Zeitlang verändern, und ihn überzeugen, daß er von Cäsars oder Richards Geist beseelt werde. Allein so weit schreitet dieser Zustand doch selten vorwärts, daß die Akteurs wirklich römische Dictatoren, oder Englands Könige mit ihrem Körper und mit allen ihren Verhältnissen zu seyn wähnen. Beyde, die Besessenheit und die Selbstverwandlung, können auch aus ganz verschiedenen Ursachen entstehen. Die erste wird nur da erweckt, wo wir ein Wohlverhältniß zwischen der Inferiorität unsers Geistes und der Superiorität eines andern fühlen, zu dem wir uns hinaufzuheben hoffen. Aber der Selbstverwandlungstrieb entsteht sehr häufig aus ganz zufälligen Ursachen. Sehr oft halten wir uns in dasjenige verwandelt, was gerade der Gegenstand unsers Widerwillens und unsers Abscheues gewesen ist. Ein heftiger Schrecken, der einen Candidaten überfiel, als ihn sein Examinator, ein furchtbarer Orthodox, der Heteroxie beschuldigte, hatte die Wirkung, daß der Erschrockene sich gerade in seinen Feind verwandelt glaubte, und fortan wie dieser dachte, sprach und handelte. Die gleichgültigsten Dinge, welche gerade das letzte Bild in der Seele erweckt, den letzten sinnlichen

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/261>, abgerufen am 22.11.2024.