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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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Die Verblendung der Phantasie, vermöge deren wir Bilder, die in unserm Kopfe existieren, für wirklich äußere Gegenstände halten, ist gleichfalls mit der Selbstverwandlung keinesweges einerley. Wer eine Erscheinung, ein Gespenst zu sehen glaubt, betrachtet das Bild seines Gehirns als etwas körperliches, das sich von andern Körpern und von seinem Kopfe absondert, und ein für sich bestehendes Wesen annimmt. Er verwechselt die Verhältnisse, worin Körper und bloße Bilder seines Kopfes zu einander, und zu seinem Selbst stehen. Aber wer sich in Glas und Stroh, in einen Gott, in einen Helden verwandelt glaubt, der erkennt keine Trennung, keine Absonderung an, der sieht sich selbst in einer veränderten Gestalt.

So ist auch die pathetische Illusion von der Selbstverwandlung verschieden. Wir können bey der Vorstellung eines Trauerspiels, und noch mehr im gemeinen Leben, dergestalt durch das Leiden oder durch die Freude anderer gerührt werden, daß wir unsere Lage mit der ihrigen verwechseln, und wirklich glauben, wir hätten Ursach, unmittelbar zu trauern, oder uns unmittelbar zu freuen. Allein so geschickt diese pathetische Illusion auch seyn kann, die Selbstverwandlung zu befördern; so ist sie doch keinesweges ein und derselbe Zustand. Wir eignen uns nur ähnliche äußere Verhältnisse mit der Person, an der wir Antheil nehmen, an: nicht ihre Person, nicht ihren Geist, nicht ihren Körper, nicht ihr engeres Selbst.

Dagegen hat die Selbstverwandlung mit der Besessenheit, oder schwärmerischen Aneignung der Geister, eine größere Aehnlichkeit. Sie unterscheiden sich nur dadurch von einander, daß der Besessene den Geist des

Die Verblendung der Phantasie, vermöge deren wir Bilder, die in unserm Kopfe existieren, für wirklich äußere Gegenstände halten, ist gleichfalls mit der Selbstverwandlung keinesweges einerley. Wer eine Erscheinung, ein Gespenst zu sehen glaubt, betrachtet das Bild seines Gehirns als etwas körperliches, das sich von andern Körpern und von seinem Kopfe absondert, und ein für sich bestehendes Wesen annimmt. Er verwechselt die Verhältnisse, worin Körper und bloße Bilder seines Kopfes zu einander, und zu seinem Selbst stehen. Aber wer sich in Glas und Stroh, in einen Gott, in einen Helden verwandelt glaubt, der erkennt keine Trennung, keine Absonderung an, der sieht sich selbst in einer veränderten Gestalt.

So ist auch die pathetische Illusion von der Selbstverwandlung verschieden. Wir können bey der Vorstellung eines Trauerspiels, und noch mehr im gemeinen Leben, dergestalt durch das Leiden oder durch die Freude anderer gerührt werden, daß wir unsere Lage mit der ihrigen verwechseln, und wirklich glauben, wir hätten Ursach, unmittelbar zu trauern, oder uns unmittelbar zu freuen. Allein so geschickt diese pathetische Illusion auch seyn kann, die Selbstverwandlung zu befördern; so ist sie doch keinesweges ein und derselbe Zustand. Wir eignen uns nur ähnliche äußere Verhältnisse mit der Person, an der wir Antheil nehmen, an: nicht ihre Person, nicht ihren Geist, nicht ihren Körper, nicht ihr engeres Selbst.

Dagegen hat die Selbstverwandlung mit der Besessenheit, oder schwärmerischen Aneignung der Geister, eine größere Aehnlichkeit. Sie unterscheiden sich nur dadurch von einander, daß der Besessene den Geist des

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[260/0260] Die Verblendung der Phantasie, vermöge deren wir Bilder, die in unserm Kopfe existieren, für wirklich äußere Gegenstände halten, ist gleichfalls mit der Selbstverwandlung keinesweges einerley. Wer eine Erscheinung, ein Gespenst zu sehen glaubt, betrachtet das Bild seines Gehirns als etwas körperliches, das sich von andern Körpern und von seinem Kopfe absondert, und ein für sich bestehendes Wesen annimmt. Er verwechselt die Verhältnisse, worin Körper und bloße Bilder seines Kopfes zu einander, und zu seinem Selbst stehen. Aber wer sich in Glas und Stroh, in einen Gott, in einen Helden verwandelt glaubt, der erkennt keine Trennung, keine Absonderung an, der sieht sich selbst in einer veränderten Gestalt. So ist auch die pathetische Illusion von der Selbstverwandlung verschieden. Wir können bey der Vorstellung eines Trauerspiels, und noch mehr im gemeinen Leben, dergestalt durch das Leiden oder durch die Freude anderer gerührt werden, daß wir unsere Lage mit der ihrigen verwechseln, und wirklich glauben, wir hätten Ursach, unmittelbar zu trauern, oder uns unmittelbar zu freuen. Allein so geschickt diese pathetische Illusion auch seyn kann, die Selbstverwandlung zu befördern; so ist sie doch keinesweges ein und derselbe Zustand. Wir eignen uns nur ähnliche äußere Verhältnisse mit der Person, an der wir Antheil nehmen, an: nicht ihre Person, nicht ihren Geist, nicht ihren Körper, nicht ihr engeres Selbst. Dagegen hat die Selbstverwandlung mit der Besessenheit, oder schwärmerischen Aneignung der Geister, eine größere Aehnlichkeit. Sie unterscheiden sich nur dadurch von einander, daß der Besessene den Geist des

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/260>, abgerufen am 22.11.2024.