Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.zärtlich Liebende kann ihm dieß Gefühl, dieses Glück vollständig gewähren! Warum verdirbt er sich seine Freuden? So denkt, so betrügt sich vielleicht nur die zärtliche Liebe! So stellt sich ihr Eigennutz, ihre Eifersucht vor ihr selbst als uneigennützig dar! Hingegen die wirklich eigennützige Anhänglichkeit ist eifersüchtig auf alles, was dem Vereinigten Gutes widerfährt, sobald sie nicht Antheil daran hat, sobald sie nicht wenigstens das Gefühl erhält: er hat's von mir! Die liebende Ergebenheit, welche nicht mit Zärtlichkeit verbunden ist, hat dieß zum Voraus, daß sie überhaupt nicht, oder weniger eifersüchtig ist. Der Diener gönnt dem Herrn jedes Glück, welches ihm nicht durch ihn widerfährt, welches er nicht mit ihm theilt; eben so das Kind seinen Aeltern; umgekehrt der Herr dem Diener, die Aeltern den Kindern, in so fern nehmlich die Anhänglichkeit dieser Personen nicht in Zärtlichkeit übergegangen ist. Dagegen aber opfern diese Personen auch weit weniger von ihrem Persönlichen auf, um den Geliebten zu beglücken; ihr Beytrag zu seiner Zufriedenheit wird nicht so von ihrem Innersten, Engsten, Nächsten genommen, wie bey der Zärtlichkeit. Wie ein mehreres geben der Freund, der Gatte, die zärtlichen Aeltern von ihrem isolierten Wohlstande, von ihrer isolierten Bequemlichkeit, Ruhe, Gesundheit, Vermögen, Erheiterung u. s. w. hin; wie viel näher nehmen sie es von ihrem Selbst weg, um es dem Geliebten zu geben! Gewiß, die Zärtlichkeit ist in diesem Sinne viel uneigennütziger als die liebende Ergebenheit! Inzwischen nimmt die Zärtlichkeit doch einen besondern Charakter durch die Beymischung des ihr eigenen zärtlich Liebende kann ihm dieß Gefühl, dieses Glück vollständig gewähren! Warum verdirbt er sich seine Freuden? So denkt, so betrügt sich vielleicht nur die zärtliche Liebe! So stellt sich ihr Eigennutz, ihre Eifersucht vor ihr selbst als uneigennützig dar! Hingegen die wirklich eigennützige Anhänglichkeit ist eifersüchtig auf alles, was dem Vereinigten Gutes widerfährt, sobald sie nicht Antheil daran hat, sobald sie nicht wenigstens das Gefühl erhält: er hat’s von mir! Die liebende Ergebenheit, welche nicht mit Zärtlichkeit verbunden ist, hat dieß zum Voraus, daß sie überhaupt nicht, oder weniger eifersüchtig ist. Der Diener gönnt dem Herrn jedes Glück, welches ihm nicht durch ihn widerfährt, welches er nicht mit ihm theilt; eben so das Kind seinen Aeltern; umgekehrt der Herr dem Diener, die Aeltern den Kindern, in so fern nehmlich die Anhänglichkeit dieser Personen nicht in Zärtlichkeit übergegangen ist. Dagegen aber opfern diese Personen auch weit weniger von ihrem Persönlichen auf, um den Geliebten zu beglücken; ihr Beytrag zu seiner Zufriedenheit wird nicht so von ihrem Innersten, Engsten, Nächsten genommen, wie bey der Zärtlichkeit. Wie ein mehreres geben der Freund, der Gatte, die zärtlichen Aeltern von ihrem isolierten Wohlstande, von ihrer isolierten Bequemlichkeit, Ruhe, Gesundheit, Vermögen, Erheiterung u. s. w. hin; wie viel näher nehmen sie es von ihrem Selbst weg, um es dem Geliebten zu geben! Gewiß, die Zärtlichkeit ist in diesem Sinne viel uneigennütziger als die liebende Ergebenheit! 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Der Diener gönnt dem Herrn jedes Glück, welches ihm nicht durch ihn widerfährt, welches er nicht mit ihm theilt; eben so das Kind seinen Aeltern; umgekehrt der Herr dem Diener, die Aeltern den Kindern, in so fern nehmlich die Anhänglichkeit dieser Personen nicht in Zärtlichkeit übergegangen ist. Dagegen aber opfern diese Personen auch weit weniger von ihrem Persönlichen auf, um den Geliebten zu beglücken; ihr Beytrag zu seiner Zufriedenheit wird nicht so von ihrem Innersten, Engsten, Nächsten genommen, wie bey der Zärtlichkeit. Wie ein mehreres geben der Freund, der Gatte, die zärtlichen Aeltern von ihrem isolierten Wohlstande, von ihrer isolierten Bequemlichkeit, Ruhe, Gesundheit, Vermögen, Erheiterung u. s. w. hin; wie viel näher nehmen sie es von ihrem Selbst weg, um es dem Geliebten zu geben! Gewiß, die Zärtlichkeit ist in diesem Sinne viel uneigennütziger als die liebende Ergebenheit!</p> <p>Inzwischen nimmt die Zärtlichkeit doch einen besondern Charakter durch die Beymischung des ihr eigenen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0110]
zärtlich Liebende kann ihm dieß Gefühl, dieses Glück vollständig gewähren! Warum verdirbt er sich seine Freuden?
So denkt, so betrügt sich vielleicht nur die zärtliche Liebe! So stellt sich ihr Eigennutz, ihre Eifersucht vor ihr selbst als uneigennützig dar! Hingegen die wirklich eigennützige Anhänglichkeit ist eifersüchtig auf alles, was dem Vereinigten Gutes widerfährt, sobald sie nicht Antheil daran hat, sobald sie nicht wenigstens das Gefühl erhält: er hat’s von mir!
Die liebende Ergebenheit, welche nicht mit Zärtlichkeit verbunden ist, hat dieß zum Voraus, daß sie überhaupt nicht, oder weniger eifersüchtig ist. Der Diener gönnt dem Herrn jedes Glück, welches ihm nicht durch ihn widerfährt, welches er nicht mit ihm theilt; eben so das Kind seinen Aeltern; umgekehrt der Herr dem Diener, die Aeltern den Kindern, in so fern nehmlich die Anhänglichkeit dieser Personen nicht in Zärtlichkeit übergegangen ist. Dagegen aber opfern diese Personen auch weit weniger von ihrem Persönlichen auf, um den Geliebten zu beglücken; ihr Beytrag zu seiner Zufriedenheit wird nicht so von ihrem Innersten, Engsten, Nächsten genommen, wie bey der Zärtlichkeit. Wie ein mehreres geben der Freund, der Gatte, die zärtlichen Aeltern von ihrem isolierten Wohlstande, von ihrer isolierten Bequemlichkeit, Ruhe, Gesundheit, Vermögen, Erheiterung u. s. w. hin; wie viel näher nehmen sie es von ihrem Selbst weg, um es dem Geliebten zu geben! Gewiß, die Zärtlichkeit ist in diesem Sinne viel uneigennütziger als die liebende Ergebenheit!
Inzwischen nimmt die Zärtlichkeit doch einen besondern Charakter durch die Beymischung des ihr eigenen
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/110>, abgerufen am 16.02.2025. |