Die göttliche Lebhastigkeit der ersten gefaßten Ideen muß dem Kenner bei der geringen Anzahl eben so gut ausgeführter als gedachter Gemählde unstreitig äußerst willkommen seyn. Aber wenn er nun eben diese göttliche Lebhaftigkeit, der langsamen Behand- lung ungeachtet, ungeschwächt in dem letzten Pinsel- strich des vollendeten Gemähldes antrifft; dann wird er eben fühlen, warum in der Mahlerei Erfindung so weit unter Ausführung steht.
Dasjenige was Hemsterhuys aus der Aktivität der reproducirenden Fähigkeit der Seele folgert, was er von der Dicht- und Rednerkunst hier analogisch zur Anwendung bringt, beruhet auf einer gänzlichen Vermengung der Gränzen verschiedener Künste und Wissenschaften, auf Verwechselung der besonderen Modificationen der bildenden Kraft der Seele, auf welche sie verschieden würken sollen. Es würde zu weitläuftig seyn, dies hier auseinander zu setzen, und ich kann dessen billig überhoben seyn, da Herr Her- der 4) an zweien Orten wie mich dünkt deutlich ge- zeigt hat, daß das Bild als Werk für einen ewigen Anblick geschaffen, nicht als Energie, nicht als Folge von Eindrücken, die sich wechselseitig verstärken, auf uns würke.
Ich finde nöthig, die Sätze dieses Schriftstel- lers nach meinen Ideen dahin näher zu bestimmen: Die Mahlerei spannt nicht die Einbildungskraft, sie
füllt
4) Kritische Wälder: 1stes Wäldchen nr. 9. Abhandlung: Ob Mahlerei oder Tonkunst eine größere Würkung gewähre?
Pallaſt Giuſtiniani.
Die goͤttliche Lebhaſtigkeit der erſten gefaßten Ideen muß dem Kenner bei der geringen Anzahl eben ſo gut ausgefuͤhrter als gedachter Gemaͤhlde unſtreitig aͤußerſt willkommen ſeyn. Aber wenn er nun eben dieſe goͤttliche Lebhaftigkeit, der langſamen Behand- lung ungeachtet, ungeſchwaͤcht in dem letzten Pinſel- ſtrich des vollendeten Gemaͤhldes antrifft; dann wird er eben fuͤhlen, warum in der Mahlerei Erfindung ſo weit unter Ausfuͤhrung ſteht.
Dasjenige was Hemſterhuys aus der Aktivitaͤt der reproducirenden Faͤhigkeit der Seele folgert, was er von der Dicht- und Rednerkunſt hier analogiſch zur Anwendung bringt, beruhet auf einer gaͤnzlichen Vermengung der Graͤnzen verſchiedener Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, auf Verwechſelung der beſonderen Modificationen der bildenden Kraft der Seele, auf welche ſie verſchieden wuͤrken ſollen. Es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, dies hier auseinander zu ſetzen, und ich kann deſſen billig uͤberhoben ſeyn, da Herr Her- der 4) an zweien Orten wie mich duͤnkt deutlich ge- zeigt hat, daß das Bild als Werk fuͤr einen ewigen Anblick geſchaffen, nicht als Energie, nicht als Folge von Eindruͤcken, die ſich wechſelſeitig verſtaͤrken, auf uns wuͤrke.
Ich finde noͤthig, die Saͤtze dieſes Schriftſtel- lers nach meinen Ideen dahin naͤher zu beſtimmen: Die Mahlerei ſpannt nicht die Einbildungskraft, ſie
fuͤllt
4) Kritiſche Waͤlder: 1ſtes Waͤldchen nr. 9. Abhandlung: Ob Mahlerei oder Tonkunſt eine groͤßere Wuͤrkung gewaͤhre?
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Pallaſt Giuſtiniani.
Die goͤttliche Lebhaſtigkeit der erſten gefaßten
Ideen muß dem Kenner bei der geringen Anzahl eben
ſo gut ausgefuͤhrter als gedachter Gemaͤhlde unſtreitig
aͤußerſt willkommen ſeyn. Aber wenn er nun eben
dieſe goͤttliche Lebhaftigkeit, der langſamen Behand-
lung ungeachtet, ungeſchwaͤcht in dem letzten Pinſel-
ſtrich des vollendeten Gemaͤhldes antrifft; dann wird
er eben fuͤhlen, warum in der Mahlerei Erfindung
ſo weit unter Ausfuͤhrung ſteht.
Dasjenige was Hemſterhuys aus der Aktivitaͤt
der reproducirenden Faͤhigkeit der Seele folgert, was
er von der Dicht- und Rednerkunſt hier analogiſch
zur Anwendung bringt, beruhet auf einer gaͤnzlichen
Vermengung der Graͤnzen verſchiedener Kuͤnſte und
Wiſſenſchaften, auf Verwechſelung der beſonderen
Modificationen der bildenden Kraft der Seele, auf
welche ſie verſchieden wuͤrken ſollen. Es wuͤrde zu
weitlaͤuftig ſeyn, dies hier auseinander zu ſetzen, und
ich kann deſſen billig uͤberhoben ſeyn, da Herr Her-
der 4) an zweien Orten wie mich duͤnkt deutlich ge-
zeigt hat, daß das Bild als Werk fuͤr einen ewigen
Anblick geſchaffen, nicht als Energie, nicht als Folge
von Eindruͤcken, die ſich wechſelſeitig verſtaͤrken, auf
uns wuͤrke.
Ich finde noͤthig, die Saͤtze dieſes Schriftſtel-
lers nach meinen Ideen dahin naͤher zu beſtimmen:
Die Mahlerei ſpannt nicht die Einbildungskraft, ſie
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/55>, abgerufen am 16.07.2024.
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