sich so schön haben lesen lassen, ins Gedächtniß zu- rückgebracht würden.
Also soll die Mahlerei durchaus zum bloßen Hülfsmittel lebhafterer Erkenntniß der Gegenstände ernsthafter und schöner Wissenschaften werden?
Die Mahlerei so wenig wie die Bildhauerkunst sind nicht Ueberlieferinnen, Erzählerinnen geschehe- ner Begebenheiten. Sie sind es darum nicht, weil sie äußerst mangelhaft und äußerst untrau erzählen: Sie sind es darum nicht, weil über diese Nebenab- sicht, wenn sie zur Hauptabsicht würde, ihre wesent- licheren Vorzüge aufgeopfert werden müßten: Sie sind es endlich darum nicht, weil sie alsdann, wenn jene Hauptzwecke verlohren gehen sollten, mit ihren elenden Produktionen selbst des Vortheils der Lebhaf- tigkeit des Eindrucks verlustig gehen würden, den man durch sie intendirt.
Ich habe diesen Grundsatz schon an andern Or- ten ausgeführt, und will daher nur das hinzufügen: Die besondern Verhältnisse, deren Entwickelung eine historische Begebenheit wichtig macht, setzt eine Folge von Handlungen zum Voraus, welche die bildenden Künste nicht sichtbar darstellen können. Wer daher nur Veranlassung sucht, sich einer Reihe von vorherge- gangenen und nachfolgenden Auftritten lebhaft zu er- innern; wer nur ein sichtbares Zeichen verlangt, welches ihn auf die Spur des unsichtbaren helfen könne; der schaffe sich eine Folge von Medaillen an, die durch Bildnisse berühmter Personen, und durch Symbole der merkwürdigsten Begebenheiten jenen intendirten Vortheil vollständig befördern, ohne die
Mahlerei
Pallaſt Giuſtiniani.
ſich ſo ſchoͤn haben leſen laſſen, ins Gedaͤchtniß zu- ruͤckgebracht wuͤrden.
Alſo ſoll die Mahlerei durchaus zum bloßen Huͤlfsmittel lebhafterer Erkenntniß der Gegenſtaͤnde ernſthafter und ſchoͤner Wiſſenſchaften werden?
Die Mahlerei ſo wenig wie die Bildhauerkunſt ſind nicht Ueberlieferinnen, Erzaͤhlerinnen geſchehe- ner Begebenheiten. Sie ſind es darum nicht, weil ſie aͤußerſt mangelhaft und aͤußerſt untrau erzaͤhlen: Sie ſind es darum nicht, weil uͤber dieſe Nebenab- ſicht, wenn ſie zur Hauptabſicht wuͤrde, ihre weſent- licheren Vorzuͤge aufgeopfert werden muͤßten: Sie ſind es endlich darum nicht, weil ſie alsdann, wenn jene Hauptzwecke verlohren gehen ſollten, mit ihren elenden Produktionen ſelbſt des Vortheils der Lebhaf- tigkeit des Eindrucks verluſtig gehen wuͤrden, den man durch ſie intendirt.
Ich habe dieſen Grundſatz ſchon an andern Or- ten ausgefuͤhrt, und will daher nur das hinzufuͤgen: Die beſondern Verhaͤltniſſe, deren Entwickelung eine hiſtoriſche Begebenheit wichtig macht, ſetzt eine Folge von Handlungen zum Voraus, welche die bildenden Kuͤnſte nicht ſichtbar darſtellen koͤnnen. Wer daher nur Veranlaſſung ſucht, ſich einer Reihe von vorherge- gangenen und nachfolgenden Auftritten lebhaft zu er- innern; wer nur ein ſichtbares Zeichen verlangt, welches ihn auf die Spur des unſichtbaren helfen koͤnne; der ſchaffe ſich eine Folge von Medaillen an, die durch Bildniſſe beruͤhmter Perſonen, und durch Symbole der merkwuͤrdigſten Begebenheiten jenen intendirten Vortheil vollſtaͤndig befoͤrdern, ohne die
Mahlerei
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Pallaſt Giuſtiniani.
ſich ſo ſchoͤn haben leſen laſſen, ins Gedaͤchtniß zu-
ruͤckgebracht wuͤrden.
Alſo ſoll die Mahlerei durchaus zum bloßen
Huͤlfsmittel lebhafterer Erkenntniß der Gegenſtaͤnde
ernſthafter und ſchoͤner Wiſſenſchaften werden?
Die Mahlerei ſo wenig wie die Bildhauerkunſt
ſind nicht Ueberlieferinnen, Erzaͤhlerinnen geſchehe-
ner Begebenheiten. Sie ſind es darum nicht, weil
ſie aͤußerſt mangelhaft und aͤußerſt untrau erzaͤhlen:
Sie ſind es darum nicht, weil uͤber dieſe Nebenab-
ſicht, wenn ſie zur Hauptabſicht wuͤrde, ihre weſent-
licheren Vorzuͤge aufgeopfert werden muͤßten: Sie
ſind es endlich darum nicht, weil ſie alsdann, wenn
jene Hauptzwecke verlohren gehen ſollten, mit ihren
elenden Produktionen ſelbſt des Vortheils der Lebhaf-
tigkeit des Eindrucks verluſtig gehen wuͤrden, den
man durch ſie intendirt.
Ich habe dieſen Grundſatz ſchon an andern Or-
ten ausgefuͤhrt, und will daher nur das hinzufuͤgen:
Die beſondern Verhaͤltniſſe, deren Entwickelung eine
hiſtoriſche Begebenheit wichtig macht, ſetzt eine Folge
von Handlungen zum Voraus, welche die bildenden
Kuͤnſte nicht ſichtbar darſtellen koͤnnen. Wer daher
nur Veranlaſſung ſucht, ſich einer Reihe von vorherge-
gangenen und nachfolgenden Auftritten lebhaft zu er-
innern; wer nur ein ſichtbares Zeichen verlangt,
welches ihn auf die Spur des unſichtbaren helfen
koͤnne; der ſchaffe ſich eine Folge von Medaillen an,
die durch Bildniſſe beruͤhmter Perſonen, und durch
Symbole der merkwuͤrdigſten Begebenheiten jenen
intendirten Vortheil vollſtaͤndig befoͤrdern, ohne die
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/46>, abgerufen am 27.11.2024.
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