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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Nachtrag.

Rund herum, Engel und einige weibliche
allegorische Figuren in Ovalen.
Eine darun-
ter ist unter dem Nahmen la frascatana sehr berühmt.

Mehrere Süjets aus der heiligen Ge-
schichte en Camayeu.
Sie haben sehr gelitten. 1)

Bei dem letzten Werke, welches ich vom Dome-
nichino anzeige, will ich dessen Charakter noch zu
zeichnen suchen.

Seit Raphael ist kein Mahler wieder aufgestanden,Charakter
des Domeni-
chino.

der den Ausdruck der dramatischen Mahlerei, der
Affekte, die sich durch Gebärden gerne mittheilen und
verständlich machen, so sehr in seiner Gewalt gehabt
hätte als Domenico Zampieri, il Domenichino ge-
nannt. Sein Talent in diesem Stücke war aber
weniger ausgebreitet als das seines Vorgängers. Die-
ser sahe wie ein Mann, weitumfassend, klar, deutlich,
richtig: jener wie ein Weib, fein, scharf, aber ein-
zeln und unzuverläßig. Domenichino bemerkte und
empfand, Raphael that beides in weit größerem Um-
fange, dachte und schuf überher.

Domenichino schränkte sich hauptsächlich auf die
gewöhnlichen Affekte der Naivetät, der Unschuld un-

erfahr-
1) Das Bild der heiligen Theresia in der Kirche, ist
nicht von Guido und keinesweges die Veranlassung
zu der Gruppe der Theresia von Bernini in der
Kirche Madonna della Vittoria gewesen, wie
Hr. D. Volkmann dem Hrn. Bernoulli Histor. krit.
Nachr. über Italien, Th. I. S. 923. nachschreibt.
Ich habe es schon bei Gelegenheit meiner Anmer-
kungen über diese Kirche gesagt. Das hiesige ist
ganz verschieden gedacht, und von schlechter Aus-
führung.
A a 3
Nachtrag.

Rund herum, Engel und einige weibliche
allegoriſche Figuren in Ovalen.
Eine darun-
ter iſt unter dem Nahmen la frascatana ſehr beruͤhmt.

Mehrere Suͤjets aus der heiligen Ge-
ſchichte en Camayeu.
Sie haben ſehr gelitten. 1)

Bei dem letzten Werke, welches ich vom Dome-
nichino anzeige, will ich deſſen Charakter noch zu
zeichnen ſuchen.

Seit Raphael iſt kein Mahler wieder aufgeſtanden,Charakter
des Domeni-
chino.

der den Ausdruck der dramatiſchen Mahlerei, der
Affekte, die ſich durch Gebaͤrden gerne mittheilen und
verſtaͤndlich machen, ſo ſehr in ſeiner Gewalt gehabt
haͤtte als Domenico Zampieri, il Domenichino ge-
nannt. Sein Talent in dieſem Stuͤcke war aber
weniger ausgebreitet als das ſeines Vorgaͤngers. Die-
ſer ſahe wie ein Mann, weitumfaſſend, klar, deutlich,
richtig: jener wie ein Weib, fein, ſcharf, aber ein-
zeln und unzuverlaͤßig. Domenichino bemerkte und
empfand, Raphael that beides in weit groͤßerem Um-
fange, dachte und ſchuf uͤberher.

Domenichino ſchraͤnkte ſich hauptſaͤchlich auf die
gewoͤhnlichen Affekte der Naivetaͤt, der Unſchuld un-

erfahr-
1) Das Bild der heiligen Thereſia in der Kirche, iſt
nicht von Guido und keinesweges die Veranlaſſung
zu der Gruppe der Thereſia von Bernini in der
Kirche Madonna della Vittoria geweſen, wie
Hr. D. Volkmann dem Hrn. Bernoulli Hiſtor. krit.
Nachr. uͤber Italien, Th. I. S. 923. nachſchreibt.
Ich habe es ſchon bei Gelegenheit meiner Anmer-
kungen uͤber dieſe Kirche geſagt. Das hieſige iſt
ganz verſchieden gedacht, und von ſchlechter Aus-
fuͤhrung.
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[373/0397] Nachtrag. Rund herum, Engel und einige weibliche allegoriſche Figuren in Ovalen. Eine darun- ter iſt unter dem Nahmen la frascatana ſehr beruͤhmt. Mehrere Suͤjets aus der heiligen Ge- ſchichte en Camayeu. Sie haben ſehr gelitten. 1) Bei dem letzten Werke, welches ich vom Dome- nichino anzeige, will ich deſſen Charakter noch zu zeichnen ſuchen. Seit Raphael iſt kein Mahler wieder aufgeſtanden, der den Ausdruck der dramatiſchen Mahlerei, der Affekte, die ſich durch Gebaͤrden gerne mittheilen und verſtaͤndlich machen, ſo ſehr in ſeiner Gewalt gehabt haͤtte als Domenico Zampieri, il Domenichino ge- nannt. Sein Talent in dieſem Stuͤcke war aber weniger ausgebreitet als das ſeines Vorgaͤngers. Die- ſer ſahe wie ein Mann, weitumfaſſend, klar, deutlich, richtig: jener wie ein Weib, fein, ſcharf, aber ein- zeln und unzuverlaͤßig. Domenichino bemerkte und empfand, Raphael that beides in weit groͤßerem Um- fange, dachte und ſchuf uͤberher. Charakter des Domeni- chino. Domenichino ſchraͤnkte ſich hauptſaͤchlich auf die gewoͤhnlichen Affekte der Naivetaͤt, der Unſchuld un- erfahr- 1) Das Bild der heiligen Thereſia in der Kirche, iſt nicht von Guido und keinesweges die Veranlaſſung zu der Gruppe der Thereſia von Bernini in der Kirche Madonna della Vittoria geweſen, wie Hr. D. Volkmann dem Hrn. Bernoulli Hiſtor. krit. Nachr. uͤber Italien, Th. I. S. 923. nachſchreibt. Ich habe es ſchon bei Gelegenheit meiner Anmer- kungen uͤber dieſe Kirche geſagt. Das hieſige iſt ganz verſchieden gedacht, und von ſchlechter Aus- fuͤhrung. A a 3

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/397>, abgerufen am 24.11.2024.