ist nicht ohne Verdienst, inzwischen hat die poetische Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod aus den Händen eines nackten Mannes empfängt, unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt nicht für Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann zum Muster dienen. Der Ausdruck in dem Kaiser ist zu affektirt. Die Gruppe der Priester ist das Beste im Bilde: Man sieht darunter gute Köpfe. Die Zeichnung ist ohne auffallende Fehler, die Fär- bung schlecht, und das Helldunkle besser gedacht als ausgeführt.
Die Auferweckung des Lazarus von Co- stanzi. Die Anordnung ist gut, der Ton der Färbung, obgleich harmonisch, fällt zu sehr ins Schwarze.
Die Marter des heiligen Sebastians von Dome- nichino.
+ Die Marter des heiligen Sebastians von Domenichino. Weder die poetische Erfin- dung noch die mahlerische Anordnung verdienen ein besonderes Lob. Die Menge der hier vorgestellten Figuren ist dergestalt auf einander gehäuft, daß das Auge Mühe hat, sie aus einander zu sondern. Die Episode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus einander treibt, schadet der Einheit der Handlung, weil sie die Aufmerksamkeit zu sehr an sich zieht, und den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns machen sollte, auf keine Weise unterstützt. Man muß die Figuren einzeln sehen, um sich von ihrer Schönheit zu überzeugen: Jede sagt das, was sie sagen soll. Man sieht vortreffliche Köpfe; bei dem des Heiligen scheint der Mahler den Laocoon vor Au- gen gehabt zu haben. Der Körper ist nicht so edel
Die
Anmerkungen
iſt nicht ohne Verdienſt, inzwiſchen hat die poetiſche Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod aus den Haͤnden eines nackten Mannes empfaͤngt, unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt nicht fuͤr Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann zum Muſter dienen. Der Ausdruck in dem Kaiſer iſt zu affektirt. Die Gruppe der Prieſter iſt das Beſte im Bilde: Man ſieht darunter gute Koͤpfe. Die Zeichnung iſt ohne auffallende Fehler, die Faͤr- bung ſchlecht, und das Helldunkle beſſer gedacht als ausgefuͤhrt.
Die Auferweckung des Lazarus von Co- ſtanzi. Die Anordnung iſt gut, der Ton der Faͤrbung, obgleich harmoniſch, faͤllt zu ſehr ins Schwarze.
Die Marter des heiligen Sebaſtians von Dome- nichino.
† Die Marter des heiligen Sebaſtians von Domenichino. Weder die poetiſche Erfin- dung noch die mahleriſche Anordnung verdienen ein beſonderes Lob. Die Menge der hier vorgeſtellten Figuren iſt dergeſtalt auf einander gehaͤuft, daß das Auge Muͤhe hat, ſie aus einander zu ſondern. Die Epiſode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus einander treibt, ſchadet der Einheit der Handlung, weil ſie die Aufmerkſamkeit zu ſehr an ſich zieht, und den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns machen ſollte, auf keine Weiſe unterſtuͤtzt. Man muß die Figuren einzeln ſehen, um ſich von ihrer Schoͤnheit zu uͤberzeugen: Jede ſagt das, was ſie ſagen ſoll. Man ſieht vortreffliche Koͤpfe; bei dem des Heiligen ſcheint der Mahler den Laocoon vor Au- gen gehabt zu haben. Der Koͤrper iſt nicht ſo edel
Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0322"n="298"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anmerkungen</hi></fw><lb/>
iſt nicht ohne Verdienſt, inzwiſchen hat die poetiſche<lb/>
Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe<lb/>
des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod<lb/>
aus den Haͤnden eines nackten Mannes empfaͤngt,<lb/>
unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt<lb/>
nicht fuͤr Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann<lb/>
zum Muſter dienen. Der Ausdruck in dem Kaiſer<lb/>
iſt zu affektirt. Die Gruppe der Prieſter iſt das<lb/>
Beſte im Bilde: Man ſieht darunter gute Koͤpfe.<lb/>
Die Zeichnung iſt ohne auffallende Fehler, die Faͤr-<lb/>
bung ſchlecht, und das Helldunkle beſſer gedacht als<lb/>
ausgefuͤhrt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Die Auferweckung des Lazarus</hi> von <hirendition="#fr">Co-<lb/>ſtanzi.</hi> Die Anordnung iſt gut, der Ton der<lb/>
Faͤrbung, obgleich harmoniſch, faͤllt zu ſehr ins<lb/>
Schwarze.</p><lb/><noteplace="left">Die Marter<lb/>
des heiligen<lb/>
Sebaſtians<lb/>
von Dome-<lb/>
nichino.</note><p>†<hirendition="#fr">Die Marter des heiligen Sebaſtians</hi><lb/>
von <hirendition="#fr">Domenichino.</hi> Weder die poetiſche Erfin-<lb/>
dung noch die mahleriſche Anordnung verdienen ein<lb/>
beſonderes Lob. Die Menge der hier vorgeſtellten<lb/>
Figuren iſt dergeſtalt auf einander gehaͤuft, daß das<lb/>
Auge Muͤhe hat, ſie aus einander zu ſondern. Die<lb/>
Epiſode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus<lb/>
einander treibt, ſchadet der Einheit der Handlung,<lb/>
weil ſie die Aufmerkſamkeit zu ſehr an ſich zieht, und<lb/>
den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns<lb/>
machen ſollte, auf keine Weiſe unterſtuͤtzt. Man<lb/>
muß die Figuren einzeln ſehen, um ſich von ihrer<lb/>
Schoͤnheit zu uͤberzeugen: Jede ſagt das, was ſie<lb/>ſagen ſoll. Man ſieht vortreffliche Koͤpfe; bei dem<lb/>
des Heiligen ſcheint der Mahler den Laocoon vor Au-<lb/>
gen gehabt zu haben. Der Koͤrper iſt nicht ſo edel<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[298/0322]
Anmerkungen
iſt nicht ohne Verdienſt, inzwiſchen hat die poetiſche
Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe
des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod
aus den Haͤnden eines nackten Mannes empfaͤngt,
unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt
nicht fuͤr Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann
zum Muſter dienen. Der Ausdruck in dem Kaiſer
iſt zu affektirt. Die Gruppe der Prieſter iſt das
Beſte im Bilde: Man ſieht darunter gute Koͤpfe.
Die Zeichnung iſt ohne auffallende Fehler, die Faͤr-
bung ſchlecht, und das Helldunkle beſſer gedacht als
ausgefuͤhrt.
Die Auferweckung des Lazarus von Co-
ſtanzi. Die Anordnung iſt gut, der Ton der
Faͤrbung, obgleich harmoniſch, faͤllt zu ſehr ins
Schwarze.
† Die Marter des heiligen Sebaſtians
von Domenichino. Weder die poetiſche Erfin-
dung noch die mahleriſche Anordnung verdienen ein
beſonderes Lob. Die Menge der hier vorgeſtellten
Figuren iſt dergeſtalt auf einander gehaͤuft, daß das
Auge Muͤhe hat, ſie aus einander zu ſondern. Die
Epiſode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus
einander treibt, ſchadet der Einheit der Handlung,
weil ſie die Aufmerkſamkeit zu ſehr an ſich zieht, und
den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns
machen ſollte, auf keine Weiſe unterſtuͤtzt. Man
muß die Figuren einzeln ſehen, um ſich von ihrer
Schoͤnheit zu uͤberzeugen: Jede ſagt das, was ſie
ſagen ſoll. Man ſieht vortreffliche Koͤpfe; bei dem
des Heiligen ſcheint der Mahler den Laocoon vor Au-
gen gehabt zu haben. Der Koͤrper iſt nicht ſo edel
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/322>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.