KircheS. Antonio di Padova, gewöhnlich della Concezione de' Padri Cap- puccini genannt.
Rechter Hand vom Eingang. Erste Capelle.
+ Der Erzengel Michael schlägt den über-Der Erzengel Michael von Guido Reni. wundenen Satan in Fesseln. Der Engel schwebt über dem Satan in einer sehr theatralischen Stellung. Sein flatterndes Gewand und seine ausgebreiteten Flügel bilden übrigens eine angenehme Masse, welche die Fläche vortrefflich ausfüllt. Der Kopf ist kleinlich an Charakter, und unbedeutend an Ausdruck. Der Teufel ist eine Carricatur von Häßlichkeit und Ver- worfenheit.
Worin liegt der Grund, daß unsere neuerenUeber En- gels- und Teufelsge- stalt in der neueren Mahlerei. Mahler, wenn sie den oberen Geistern Körper bil- deten, selten solche Formen gewählt haben, welche auf Hoheit und Größe des Geistes schließen lassen? Warum hat eben der Guido, der einen Erzengel Michael als einen hübschen blonden Jungen mahlte, eine Judith mit so erhabenen Formen und einem so hohen Ausdrucke von Seelenstärke dargestellt?
Ich glaube ein Theil dieser Erscheinung ist auf Rechnung unserer Religionsbegriffe zu setzen. Ho- heit des Geistes läßt sich bei dem Manne ohne ein ge- wisses Gefühl seines Werthes nicht denken, das bei der Aeußerung in Mine und Stellung gar leicht mit Stolz und Uebermuth verwechselt wird. In einer Religion, wo Derjenige, der über Engel thront, 11)
als
11) Herr Volkmann S. 264. Titi S. 336.
uͤber die einzelnen Kirchen.
KircheS. Antonio di Padova, gewoͤhnlich della Concezione de’ Padri Cap- puccini genannt.
Rechter Hand vom Eingang. Erſte Capelle.
† Der Erzengel Michael ſchlaͤgt den uͤber-Der Erzengel Michael von Guido Reni. wundenen Satan in Feſſeln. Der Engel ſchwebt uͤber dem Satan in einer ſehr theatraliſchen Stellung. Sein flatterndes Gewand und ſeine ausgebreiteten Fluͤgel bilden uͤbrigens eine angenehme Maſſe, welche die Flaͤche vortrefflich ausfuͤllt. Der Kopf iſt kleinlich an Charakter, und unbedeutend an Ausdruck. Der Teufel iſt eine Carricatur von Haͤßlichkeit und Ver- worfenheit.
Worin liegt der Grund, daß unſere neuerenUeber En- gels- und Teufelsge- ſtalt in der neueren Mahlerei. Mahler, wenn ſie den oberen Geiſtern Koͤrper bil- deten, ſelten ſolche Formen gewaͤhlt haben, welche auf Hoheit und Groͤße des Geiſtes ſchließen laſſen? Warum hat eben der Guido, der einen Erzengel Michael als einen huͤbſchen blonden Jungen mahlte, eine Judith mit ſo erhabenen Formen und einem ſo hohen Ausdrucke von Seelenſtaͤrke dargeſtellt?
Ich glaube ein Theil dieſer Erſcheinung iſt auf Rechnung unſerer Religionsbegriffe zu ſetzen. Ho- heit des Geiſtes laͤßt ſich bei dem Manne ohne ein ge- wiſſes Gefuͤhl ſeines Werthes nicht denken, das bei der Aeußerung in Mine und Stellung gar leicht mit Stolz und Uebermuth verwechſelt wird. In einer Religion, wo Derjenige, der uͤber Engel thront, 11)
als
11) Herr Volkmann S. 264. Titi S. 336.
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uͤber die einzelnen Kirchen.
Kirche S. Antonio di Padova, gewoͤhnlich
della Concezione de’ Padri Cap-
puccini genannt.
Rechter Hand vom Eingang. Erſte Capelle.
† Der Erzengel Michael ſchlaͤgt den uͤber-
wundenen Satan in Feſſeln. Der Engel ſchwebt
uͤber dem Satan in einer ſehr theatraliſchen Stellung.
Sein flatterndes Gewand und ſeine ausgebreiteten
Fluͤgel bilden uͤbrigens eine angenehme Maſſe, welche
die Flaͤche vortrefflich ausfuͤllt. Der Kopf iſt kleinlich
an Charakter, und unbedeutend an Ausdruck. Der
Teufel iſt eine Carricatur von Haͤßlichkeit und Ver-
worfenheit.
Der Erzengel
Michael von
Guido Reni.
Worin liegt der Grund, daß unſere neueren
Mahler, wenn ſie den oberen Geiſtern Koͤrper bil-
deten, ſelten ſolche Formen gewaͤhlt haben, welche
auf Hoheit und Groͤße des Geiſtes ſchließen laſſen?
Warum hat eben der Guido, der einen Erzengel
Michael als einen huͤbſchen blonden Jungen mahlte,
eine Judith mit ſo erhabenen Formen und einem ſo
hohen Ausdrucke von Seelenſtaͤrke dargeſtellt?
Ueber En-
gels- und
Teufelsge-
ſtalt in der
neueren
Mahlerei.
Ich glaube ein Theil dieſer Erſcheinung iſt auf
Rechnung unſerer Religionsbegriffe zu ſetzen. Ho-
heit des Geiſtes laͤßt ſich bei dem Manne ohne ein ge-
wiſſes Gefuͤhl ſeines Werthes nicht denken, das bei
der Aeußerung in Mine und Stellung gar leicht mit
Stolz und Uebermuth verwechſelt wird. In einer
Religion, wo Derjenige, der uͤber Engel thront,
als
11)
11) Herr Volkmann S. 264. Titi S. 336.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/279>, abgerufen am 23.02.2025.
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