Wäre dies würklich der Gedanke des Künstlers gewesen, welches ich dahin gestellet seyn lasse, so wä- re es ein sehr unglücklicher. Aber wenn ich den En- gel aus dem Bilde wegnehme, oder mir blos einen spielenden Knaben darunter denke; so ist der Aus- druck des Bildes vortrefflich, und ganz der Fassung angemessen, mit der die Seele über einen wichtigen Gegenstand nachdenkt. Die prüfende Mine des Heiligen stimmt sehr gut mit dem öden Orte, mit der Aussicht auf die unabsehliche Fläche des Meers, und mit der finstern Farbe des Bildes, die einer Dämmerung ähnelt, überein.
Das Gemählde auf dem Hauptaltare ist die schönste unter diesen von mir angegebenen Mahle- reien des Lanfranco. Es sind Partien darin, welche Annibale Carraccio nicht besser hätte angeben können. Ueberhaupt gehören diese Werke unter die besten, die ich von diesem Meister kenne.
Der heil. Thomas, welcher Almosen aus- theilt, von Romanelli, ist beinahe ganz verblichen.
In der ersten Capelle beim Eingange lin- ker Hand eine Hirtenanbetung von Michael Angelo da Carravaggio, von niedriger Wahrheit.
In der Capelle Pamfili + der heil. Tho- mas von Villanuova, welcher einer schönen Bettlerin, die ihr Kind säugt, ein Almosen reichet, von Ercole Ferrata in Marmor7). Der Ausdruck in dem Heiligen scheint verfehlt. Die Bettlerin zeigt eine reizende, obgleich etwas ge-
drehete
7) Richardson behauptet, Ercole Ferrata habe das Werk blos geendigt. Die Idee gehöre einem ge- wissen Caffa, einem Maltheser.
Anmerkungen
Waͤre dies wuͤrklich der Gedanke des Kuͤnſtlers geweſen, welches ich dahin geſtellet ſeyn laſſe, ſo waͤ- re es ein ſehr ungluͤcklicher. Aber wenn ich den En- gel aus dem Bilde wegnehme, oder mir blos einen ſpielenden Knaben darunter denke; ſo iſt der Aus- druck des Bildes vortrefflich, und ganz der Faſſung angemeſſen, mit der die Seele uͤber einen wichtigen Gegenſtand nachdenkt. Die pruͤfende Mine des Heiligen ſtimmt ſehr gut mit dem oͤden Orte, mit der Ausſicht auf die unabſehliche Flaͤche des Meers, und mit der finſtern Farbe des Bildes, die einer Daͤmmerung aͤhnelt, uͤberein.
Das Gemaͤhlde auf dem Hauptaltare iſt die ſchoͤnſte unter dieſen von mir angegebenen Mahle- reien des Lanfranco. Es ſind Partien darin, welche Annibale Carraccio nicht beſſer haͤtte angeben koͤnnen. Ueberhaupt gehoͤren dieſe Werke unter die beſten, die ich von dieſem Meiſter kenne.
Der heil. Thomas, welcher Almoſen aus- theilt, von Romanelli, iſt beinahe ganz verblichen.
In der erſten Capelle beim Eingange lin- ker Hand eine Hirtenanbetung von Michael Angelo da Carravaggio, von niedriger Wahrheit.
In der Capelle Pamfili † der heil. Tho- mas von Villanuova, welcher einer ſchoͤnen Bettlerin, die ihr Kind ſaͤugt, ein Almoſen reichet, von Ercole Ferrata in Marmor7). Der Ausdruck in dem Heiligen ſcheint verfehlt. Die Bettlerin zeigt eine reizende, obgleich etwas ge-
drehete
7) Richardſon behauptet, Ercole Ferrata habe das Werk blos geendigt. Die Idee gehoͤre einem ge- wiſſen Caffa, einem Maltheſer.
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Anmerkungen
Waͤre dies wuͤrklich der Gedanke des Kuͤnſtlers
geweſen, welches ich dahin geſtellet ſeyn laſſe, ſo waͤ-
re es ein ſehr ungluͤcklicher. Aber wenn ich den En-
gel aus dem Bilde wegnehme, oder mir blos einen
ſpielenden Knaben darunter denke; ſo iſt der Aus-
druck des Bildes vortrefflich, und ganz der Faſſung
angemeſſen, mit der die Seele uͤber einen wichtigen
Gegenſtand nachdenkt. Die pruͤfende Mine des
Heiligen ſtimmt ſehr gut mit dem oͤden Orte, mit
der Ausſicht auf die unabſehliche Flaͤche des Meers,
und mit der finſtern Farbe des Bildes, die einer
Daͤmmerung aͤhnelt, uͤberein.
Das Gemaͤhlde auf dem Hauptaltare iſt die
ſchoͤnſte unter dieſen von mir angegebenen Mahle-
reien des Lanfranco. Es ſind Partien darin, welche
Annibale Carraccio nicht beſſer haͤtte angeben koͤnnen.
Ueberhaupt gehoͤren dieſe Werke unter die beſten, die
ich von dieſem Meiſter kenne.
Der heil. Thomas, welcher Almoſen aus-
theilt, von Romanelli, iſt beinahe ganz verblichen.
In der erſten Capelle beim Eingange lin-
ker Hand eine Hirtenanbetung von Michael
Angelo da Carravaggio, von niedriger Wahrheit.
In der Capelle Pamfili † der heil. Tho-
mas von Villanuova, welcher einer ſchoͤnen
Bettlerin, die ihr Kind ſaͤugt, ein Almoſen
reichet, von Ercole Ferrata in Marmor 7).
Der Ausdruck in dem Heiligen ſcheint verfehlt.
Die Bettlerin zeigt eine reizende, obgleich etwas ge-
drehete
7) Richardſon behauptet, Ercole Ferrata habe das
Werk blos geendigt. Die Idee gehoͤre einem ge-
wiſſen Caffa, einem Maltheſer.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/274>, abgerufen am 16.02.2025.
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