Das Grabmal UrbansVIII. gleichfalls von Bernini. Der Kopf an der Figur des Pabstes aus Bronze ist ein gutes Bildniß, obgleich das Spiel der Muskeln fließender seyn könnte. Aber der Kör- per ist zu kurz: und der Faltenschlag des Gewandes unnatürlich, und dem Nackenden wenig vortheilhaft. Um sich davon zu überzeugen, darf man nur die Partie auf dem rechten Knie betrachten.
Unter dieser Statue ein Sarcophag an dem der gebrochene Giebel keinen reinen Geschmack verräth. Zu beiden Seiten eine Carita und die Gerechtigkeit. Die Carita hat ganz das Aussehn einer niederländi- schen Amme: ihr Lächeln würde einer Buhlerin anste- hen, und die schlaffen Formen, die ungeheuren Brü- ste mit großen Warzen widersprechen diesem Charakter nicht. Die Kinder sind von gemeiner Natur und wassersüchtig; ihre Stellungen sind schlecht gewählt. Die Gerechtigkeit hat noch weniger Anspruch auf un- sern Beifall. Das Gewand schwerfällig, im kleinli- chen Stile, entzieht das Nackende dem Auge ganz. Der Tod als Skelett, der den Nahmen des Pabstes in ein Buch zeichnet, ist eine ekelhafte, und die drei Bienen, die von dem Wappen des Pabstes aus an den Sarg hinaufkriechen, eine kindische Idee.
Was hat denn dieses Werk für sich, daß es ungebildete Augen noch anzieht? Niederländische Treue im Detail, den Schein mahlerischer Würkung, und die Behandlung des Marmors, der unter Ber- ninis Händen zu Wachs wurde. Mit dem Bronze verstand er nicht so gut umzugehen.
Gegen
Anmerkungen
Zur Rechten von dem Stuhle Petri ab:
Grabmal des Pabſtes Ur- ban VIII. von Bernini.
Das Grabmal UrbansVIII. gleichfalls von Bernini. Der Kopf an der Figur des Pabſtes aus Bronze iſt ein gutes Bildniß, obgleich das Spiel der Muskeln fließender ſeyn koͤnnte. Aber der Koͤr- per iſt zu kurz: und der Faltenſchlag des Gewandes unnatuͤrlich, und dem Nackenden wenig vortheilhaft. Um ſich davon zu uͤberzeugen, darf man nur die Partie auf dem rechten Knie betrachten.
Unter dieſer Statue ein Sarcophag an dem der gebrochene Giebel keinen reinen Geſchmack verraͤth. Zu beiden Seiten eine Carita und die Gerechtigkeit. Die Carita hat ganz das Ausſehn einer niederlaͤndi- ſchen Amme: ihr Laͤcheln wuͤrde einer Buhlerin anſte- hen, und die ſchlaffen Formen, die ungeheuren Bruͤ- ſte mit großen Warzen widerſprechen dieſem Charakter nicht. Die Kinder ſind von gemeiner Natur und waſſerſuͤchtig; ihre Stellungen ſind ſchlecht gewaͤhlt. Die Gerechtigkeit hat noch weniger Anſpruch auf un- ſern Beifall. Das Gewand ſchwerfaͤllig, im kleinli- chen Stile, entzieht das Nackende dem Auge ganz. Der Tod als Skelett, der den Nahmen des Pabſtes in ein Buch zeichnet, iſt eine ekelhafte, und die drei Bienen, die von dem Wappen des Pabſtes aus an den Sarg hinaufkriechen, eine kindiſche Idee.
Was hat denn dieſes Werk fuͤr ſich, daß es ungebildete Augen noch anzieht? Niederlaͤndiſche Treue im Detail, den Schein mahleriſcher Wuͤrkung, und die Behandlung des Marmors, der unter Ber- ninis Haͤnden zu Wachs wurde. Mit dem Bronze verſtand er nicht ſo gut umzugehen.
Gegen
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Anmerkungen
Zur Rechten von dem Stuhle Petri ab:
Das Grabmal Urbans VIII. gleichfalls von
Bernini. Der Kopf an der Figur des Pabſtes
aus Bronze iſt ein gutes Bildniß, obgleich das Spiel
der Muskeln fließender ſeyn koͤnnte. Aber der Koͤr-
per iſt zu kurz: und der Faltenſchlag des Gewandes
unnatuͤrlich, und dem Nackenden wenig vortheilhaft.
Um ſich davon zu uͤberzeugen, darf man nur die
Partie auf dem rechten Knie betrachten.
Unter dieſer Statue ein Sarcophag an dem der
gebrochene Giebel keinen reinen Geſchmack verraͤth.
Zu beiden Seiten eine Carita und die Gerechtigkeit.
Die Carita hat ganz das Ausſehn einer niederlaͤndi-
ſchen Amme: ihr Laͤcheln wuͤrde einer Buhlerin anſte-
hen, und die ſchlaffen Formen, die ungeheuren Bruͤ-
ſte mit großen Warzen widerſprechen dieſem Charakter
nicht. Die Kinder ſind von gemeiner Natur und
waſſerſuͤchtig; ihre Stellungen ſind ſchlecht gewaͤhlt.
Die Gerechtigkeit hat noch weniger Anſpruch auf un-
ſern Beifall. Das Gewand ſchwerfaͤllig, im kleinli-
chen Stile, entzieht das Nackende dem Auge ganz.
Der Tod als Skelett, der den Nahmen des Pabſtes
in ein Buch zeichnet, iſt eine ekelhafte, und die drei
Bienen, die von dem Wappen des Pabſtes aus an
den Sarg hinaufkriechen, eine kindiſche Idee.
Was hat denn dieſes Werk fuͤr ſich, daß es
ungebildete Augen noch anzieht? Niederlaͤndiſche
Treue im Detail, den Schein mahleriſcher Wuͤrkung,
und die Behandlung des Marmors, der unter Ber-
ninis Haͤnden zu Wachs wurde. Mit dem Bronze
verſtand er nicht ſo gut umzugehen.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/256>, abgerufen am 25.11.2024.
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