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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Ueber die Kennz. des Kirchenstils
Körper denken ließ, ohne eine schöne Seele, und keine
schöne Seele ohne einen schönen Körper! Soll ich es
erst sagen, wie sehr der Künstler, der für die innere
Bildung seiner Landsleute, wie für ihr Vergnügen
arbeitete, der Mann des Staats, der Liebling der
Nation wurde! Wie das Bewußtseyn dieses wichti-
gen Antheils an dem allgemeinen Wohl ihn zu hohen
Ideen emporhob, den Begriff des wahrhaft Großen
und Edeln in ihm gründete, und wie die Bezeugung
öffentlicher Achtung ihn spornte, an höhere Vollkom-
menheit stets hinanzustreben!

So trug sittliche, religiöse und politische Erzie-
hung zu dem ausgezeichneten Geschmack der Griechen
an Schönheit der Gestalten bei: an Gestalten mit
hoher Bedeutung eines zum Besten der Menschheit
thätigen Wesens, an Gestalten, die neben jener Be-
deutung auch das Bewußtseyn ihres Werthes zu ha-
ben scheinen: An schönen, an mächtigen, aber auch
an stolzen Gestalten!

Ehe ich zu der Abweichung unserer Begriffe über
die Bildung der Personen, die den Gegenstand unse-
rer religiösen Verehrung ausmachen, übergehe, muß
ich noch eine Anmerkung über den Gang der Künste
bei den Griechen hinzufügen, welche es erklären wird,
warum sie bei ihrem unaufhörlichen Streben nach
Schönheit und hoher Bedeutung, dennoch die Grund-
regeln derselben, Simplicität, Ebenmaaß, Regelmäs-
sigkeit, Richtigkeit der Verhältnisse, kurz! alle Grund-
lagen unsers Vergnügens an dem Wohlgeordneten
und Uebereinstimmenden der Gestalt nie verlassen ha-
ben. Denn diese Schranken finden wir nicht über-
schritten, selbst in den spätesten Werken der alten

Kunst

Ueber die Kennz. des Kirchenſtils
Koͤrper denken ließ, ohne eine ſchoͤne Seele, und keine
ſchoͤne Seele ohne einen ſchoͤnen Koͤrper! Soll ich es
erſt ſagen, wie ſehr der Kuͤnſtler, der fuͤr die innere
Bildung ſeiner Landsleute, wie fuͤr ihr Vergnuͤgen
arbeitete, der Mann des Staats, der Liebling der
Nation wurde! Wie das Bewußtſeyn dieſes wichti-
gen Antheils an dem allgemeinen Wohl ihn zu hohen
Ideen emporhob, den Begriff des wahrhaft Großen
und Edeln in ihm gruͤndete, und wie die Bezeugung
oͤffentlicher Achtung ihn ſpornte, an hoͤhere Vollkom-
menheit ſtets hinanzuſtreben!

So trug ſittliche, religioͤſe und politiſche Erzie-
hung zu dem ausgezeichneten Geſchmack der Griechen
an Schoͤnheit der Geſtalten bei: an Geſtalten mit
hoher Bedeutung eines zum Beſten der Menſchheit
thaͤtigen Weſens, an Geſtalten, die neben jener Be-
deutung auch das Bewußtſeyn ihres Werthes zu ha-
ben ſcheinen: An ſchoͤnen, an maͤchtigen, aber auch
an ſtolzen Geſtalten!

Ehe ich zu der Abweichung unſerer Begriffe uͤber
die Bildung der Perſonen, die den Gegenſtand unſe-
rer religioͤſen Verehrung ausmachen, uͤbergehe, muß
ich noch eine Anmerkung uͤber den Gang der Kuͤnſte
bei den Griechen hinzufuͤgen, welche es erklaͤren wird,
warum ſie bei ihrem unaufhoͤrlichen Streben nach
Schoͤnheit und hoher Bedeutung, dennoch die Grund-
regeln derſelben, Simplicitaͤt, Ebenmaaß, Regelmaͤſ-
ſigkeit, Richtigkeit der Verhaͤltniſſe, kurz! alle Grund-
lagen unſers Vergnuͤgens an dem Wohlgeordneten
und Uebereinſtimmenden der Geſtalt nie verlaſſen ha-
ben. Denn dieſe Schranken finden wir nicht uͤber-
ſchritten, ſelbſt in den ſpaͤteſten Werken der alten

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[184/0208] Ueber die Kennz. des Kirchenſtils Koͤrper denken ließ, ohne eine ſchoͤne Seele, und keine ſchoͤne Seele ohne einen ſchoͤnen Koͤrper! Soll ich es erſt ſagen, wie ſehr der Kuͤnſtler, der fuͤr die innere Bildung ſeiner Landsleute, wie fuͤr ihr Vergnuͤgen arbeitete, der Mann des Staats, der Liebling der Nation wurde! Wie das Bewußtſeyn dieſes wichti- gen Antheils an dem allgemeinen Wohl ihn zu hohen Ideen emporhob, den Begriff des wahrhaft Großen und Edeln in ihm gruͤndete, und wie die Bezeugung oͤffentlicher Achtung ihn ſpornte, an hoͤhere Vollkom- menheit ſtets hinanzuſtreben! So trug ſittliche, religioͤſe und politiſche Erzie- hung zu dem ausgezeichneten Geſchmack der Griechen an Schoͤnheit der Geſtalten bei: an Geſtalten mit hoher Bedeutung eines zum Beſten der Menſchheit thaͤtigen Weſens, an Geſtalten, die neben jener Be- deutung auch das Bewußtſeyn ihres Werthes zu ha- ben ſcheinen: An ſchoͤnen, an maͤchtigen, aber auch an ſtolzen Geſtalten! Ehe ich zu der Abweichung unſerer Begriffe uͤber die Bildung der Perſonen, die den Gegenſtand unſe- rer religioͤſen Verehrung ausmachen, uͤbergehe, muß ich noch eine Anmerkung uͤber den Gang der Kuͤnſte bei den Griechen hinzufuͤgen, welche es erklaͤren wird, warum ſie bei ihrem unaufhoͤrlichen Streben nach Schoͤnheit und hoher Bedeutung, dennoch die Grund- regeln derſelben, Simplicitaͤt, Ebenmaaß, Regelmaͤſ- ſigkeit, Richtigkeit der Verhaͤltniſſe, kurz! alle Grund- lagen unſers Vergnuͤgens an dem Wohlgeordneten und Uebereinſtimmenden der Geſtalt nie verlaſſen ha- ben. Denn dieſe Schranken finden wir nicht uͤber- ſchritten, ſelbſt in den ſpaͤteſten Werken der alten Kunſt

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/208>, abgerufen am 24.11.2024.