Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

der Französischen Academie.
beinahe gar nicht für möglich halte; sondern vielmehr,
um mich deutlich zu machen, andern aber Veranlas-
sung zu geben, über die Sache nachzudenken, und
etwas Besseres auszufinden.

Die Anlagen, welche den Künstler ausmachen,
scheinen zwischen denen in der Mitte zu stehen, die
auf der einen Seite bei dem Genie des Dichters, auf
der andern bei dem Talent des Mechanikers zum
Grunde liegen. Seine Einbildungskraft darf einge-
schränkter als bei jenem, die Geschicklichkeit seiner
Hand minder als bei diesem seyn. Aber allemal
sind diese Fähigkeiten nothwendige Grundlagen bei
der künftigen Ausbildung zum Darsteller des sicht-
bar Schönen, und es ist in diesem Sinne wahr, daß
der Künstler gebohren, nicht gezogen werde. Ich
halte es daher für gefährlich, den Fähigkeiten eines
jungen Kopfs gerade Richtung zu den bildenden Kün-
sten geben zu wollen, ehe man mit Sicherheit weiß,
ob die Natur ihm die seltenen Gaben dazu verliehen
habe. Und diese Vorsicht scheint um so nöthiger zu
einer Zeit, wo, bei der verminderten Anzahl der Lieb-
haber, die Bestimmung eines jungen Mannes zum
Künstler, keine sichere Anwartschaft auf eine glückli-
che Lage in der bürgerlichen Welt zu geben scheint.

Bis ins vierzehnte Jahr, dünkt mich, würde ich
das Kind als Kind betrachten: ihm dasjenige lehren,
was in jeder seiner dereinstigen Bestimmungen nütz-
lich, was zu erlernen ihm alsdann am leichtesten
wird: Sprachen, Nahmenkenntniß. Aber ich wür-
de zu gleicher Zeit suchen, sein Gefühl für das mora-
lisch und physisch Schöne überhaupt auszubilden, ihm
gute Dichter, vorzüglich epische und dramatische le-

sen,
K 3

der Franzoͤſiſchen Academie.
beinahe gar nicht fuͤr moͤglich halte; ſondern vielmehr,
um mich deutlich zu machen, andern aber Veranlaſ-
ſung zu geben, uͤber die Sache nachzudenken, und
etwas Beſſeres auszufinden.

Die Anlagen, welche den Kuͤnſtler ausmachen,
ſcheinen zwiſchen denen in der Mitte zu ſtehen, die
auf der einen Seite bei dem Genie des Dichters, auf
der andern bei dem Talent des Mechanikers zum
Grunde liegen. Seine Einbildungskraft darf einge-
ſchraͤnkter als bei jenem, die Geſchicklichkeit ſeiner
Hand minder als bei dieſem ſeyn. Aber allemal
ſind dieſe Faͤhigkeiten nothwendige Grundlagen bei
der kuͤnftigen Ausbildung zum Darſteller des ſicht-
bar Schoͤnen, und es iſt in dieſem Sinne wahr, daß
der Kuͤnſtler gebohren, nicht gezogen werde. Ich
halte es daher fuͤr gefaͤhrlich, den Faͤhigkeiten eines
jungen Kopfs gerade Richtung zu den bildenden Kuͤn-
ſten geben zu wollen, ehe man mit Sicherheit weiß,
ob die Natur ihm die ſeltenen Gaben dazu verliehen
habe. Und dieſe Vorſicht ſcheint um ſo noͤthiger zu
einer Zeit, wo, bei der verminderten Anzahl der Lieb-
haber, die Beſtimmung eines jungen Mannes zum
Kuͤnſtler, keine ſichere Anwartſchaft auf eine gluͤckli-
che Lage in der buͤrgerlichen Welt zu geben ſcheint.

Bis ins vierzehnte Jahr, duͤnkt mich, wuͤrde ich
das Kind als Kind betrachten: ihm dasjenige lehren,
was in jeder ſeiner dereinſtigen Beſtimmungen nuͤtz-
lich, was zu erlernen ihm alsdann am leichteſten
wird: Sprachen, Nahmenkenntniß. Aber ich wuͤr-
de zu gleicher Zeit ſuchen, ſein Gefuͤhl fuͤr das mora-
liſch und phyſiſch Schoͤne uͤberhaupt auszubilden, ihm
gute Dichter, vorzuͤglich epiſche und dramatiſche le-

ſen,
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="149"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Academie.</hi></fw><lb/>
beinahe gar nicht fu&#x0364;r mo&#x0364;glich halte; &#x017F;ondern vielmehr,<lb/>
um mich deutlich zu machen, andern aber Veranla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung zu geben, u&#x0364;ber die Sache nachzudenken, und<lb/>
etwas Be&#x017F;&#x017F;eres auszufinden.</p><lb/>
        <p>Die Anlagen, welche den Ku&#x0364;n&#x017F;tler ausmachen,<lb/>
&#x017F;cheinen zwi&#x017F;chen denen in der Mitte zu &#x017F;tehen, die<lb/>
auf der einen Seite bei dem Genie des Dichters, auf<lb/>
der andern bei dem Talent des Mechanikers zum<lb/>
Grunde liegen. Seine Einbildungskraft darf einge-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkter als bei jenem, die Ge&#x017F;chicklichkeit &#x017F;einer<lb/>
Hand minder als bei die&#x017F;em &#x017F;eyn. Aber allemal<lb/>
&#x017F;ind die&#x017F;e Fa&#x0364;higkeiten nothwendige Grundlagen bei<lb/>
der ku&#x0364;nftigen Ausbildung zum Dar&#x017F;teller des &#x017F;icht-<lb/>
bar Scho&#x0364;nen, und es i&#x017F;t in die&#x017F;em Sinne wahr, daß<lb/>
der Ku&#x0364;n&#x017F;tler gebohren, nicht gezogen werde. Ich<lb/>
halte es daher fu&#x0364;r gefa&#x0364;hrlich, den Fa&#x0364;higkeiten eines<lb/>
jungen Kopfs gerade Richtung zu den bildenden Ku&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;ten geben zu wollen, ehe man mit Sicherheit weiß,<lb/>
ob die Natur ihm die &#x017F;eltenen Gaben dazu verliehen<lb/>
habe. Und die&#x017F;e Vor&#x017F;icht &#x017F;cheint um &#x017F;o no&#x0364;thiger zu<lb/>
einer Zeit, wo, bei der verminderten Anzahl der Lieb-<lb/>
haber, die Be&#x017F;timmung eines jungen Mannes zum<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tler, keine &#x017F;ichere Anwart&#x017F;chaft auf eine glu&#x0364;ckli-<lb/>
che Lage in der bu&#x0364;rgerlichen Welt zu geben &#x017F;cheint.</p><lb/>
        <p>Bis ins vierzehnte Jahr, du&#x0364;nkt mich, wu&#x0364;rde ich<lb/>
das Kind als Kind betrachten: ihm dasjenige lehren,<lb/>
was in jeder &#x017F;einer derein&#x017F;tigen Be&#x017F;timmungen nu&#x0364;tz-<lb/>
lich, was zu erlernen ihm alsdann am leichte&#x017F;ten<lb/>
wird: Sprachen, Nahmenkenntniß. Aber ich wu&#x0364;r-<lb/>
de zu gleicher Zeit &#x017F;uchen, &#x017F;ein Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r das mora-<lb/>
li&#x017F;ch und phy&#x017F;i&#x017F;ch Scho&#x0364;ne u&#x0364;berhaupt auszubilden, ihm<lb/>
gute Dichter, vorzu&#x0364;glich epi&#x017F;che und dramati&#x017F;che le-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0173] der Franzoͤſiſchen Academie. beinahe gar nicht fuͤr moͤglich halte; ſondern vielmehr, um mich deutlich zu machen, andern aber Veranlaſ- ſung zu geben, uͤber die Sache nachzudenken, und etwas Beſſeres auszufinden. Die Anlagen, welche den Kuͤnſtler ausmachen, ſcheinen zwiſchen denen in der Mitte zu ſtehen, die auf der einen Seite bei dem Genie des Dichters, auf der andern bei dem Talent des Mechanikers zum Grunde liegen. Seine Einbildungskraft darf einge- ſchraͤnkter als bei jenem, die Geſchicklichkeit ſeiner Hand minder als bei dieſem ſeyn. Aber allemal ſind dieſe Faͤhigkeiten nothwendige Grundlagen bei der kuͤnftigen Ausbildung zum Darſteller des ſicht- bar Schoͤnen, und es iſt in dieſem Sinne wahr, daß der Kuͤnſtler gebohren, nicht gezogen werde. Ich halte es daher fuͤr gefaͤhrlich, den Faͤhigkeiten eines jungen Kopfs gerade Richtung zu den bildenden Kuͤn- ſten geben zu wollen, ehe man mit Sicherheit weiß, ob die Natur ihm die ſeltenen Gaben dazu verliehen habe. Und dieſe Vorſicht ſcheint um ſo noͤthiger zu einer Zeit, wo, bei der verminderten Anzahl der Lieb- haber, die Beſtimmung eines jungen Mannes zum Kuͤnſtler, keine ſichere Anwartſchaft auf eine gluͤckli- che Lage in der buͤrgerlichen Welt zu geben ſcheint. Bis ins vierzehnte Jahr, duͤnkt mich, wuͤrde ich das Kind als Kind betrachten: ihm dasjenige lehren, was in jeder ſeiner dereinſtigen Beſtimmungen nuͤtz- lich, was zu erlernen ihm alsdann am leichteſten wird: Sprachen, Nahmenkenntniß. Aber ich wuͤr- de zu gleicher Zeit ſuchen, ſein Gefuͤhl fuͤr das mora- liſch und phyſiſch Schoͤne uͤberhaupt auszubilden, ihm gute Dichter, vorzuͤglich epiſche und dramatiſche le- ſen, K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/173
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/173>, abgerufen am 24.11.2024.