Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.Pallast Nothwen-digkeit, die Ausbildung der Einbil- dungskraft zu gleicher Zeit mit der Erweiterung der Kennt- nisse, und der Fertig- keit der Hand zu be- sorgen. Ich kann bei dieser Gelegenheit nicht genung dar- Zum Professor mag er taugen, alte Statuen einer pedan- tischen, und zu theoreti- schen Lehr- methode. Dazu nehme man die pedantische Methode, die Con-
Pallaſt Nothwen-digkeit, die Ausbildung der Einbil- dungskraft zu gleicher Zeit mit der Erweiterung der Kennt- niſſe, und der Fertig- keit der Hand zu be- ſorgen. Ich kann bei dieſer Gelegenheit nicht genung dar- Zum Profeſſor mag er taugen, alte Statuen einer pedan- tiſchen, und zu theoreti- ſchen Lehr- methode. Dazu nehme man die pedantiſche Methode, die Con-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0170" n="146"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Pallaſt</hi> </fw><lb/> <note place="left">Nothwen-<lb/> digkeit, die<lb/> Ausbildung<lb/> der Einbil-<lb/> dungskraft<lb/> zu gleicher<lb/> Zeit mit der<lb/> Erweiterung<lb/> der Kennt-<lb/> niſſe, und<lb/> der Fertig-<lb/> keit der<lb/> Hand zu be-<lb/> ſorgen.</note> <p>Ich kann bei dieſer Gelegenheit nicht genung dar-<lb/> uͤber klagen, daß man ſo wenig Sorge dafuͤr traͤgt,<lb/> die Einbildungskraft des jungen Kuͤnſtlers, neben<lb/> der Ausbildung der mechaniſchen Fertigkeit ſeiner<lb/> Hand zu unterhalten und zu erweitern. Erſt ſpaͤt<lb/> giebt man ihm Veranlaſſung ſich im eigenen Compo-<lb/> niren zu uͤben. Erſt, ſagt man, ſoll er treu copiren<lb/> lernen, dann ſoll er die Anatomie, die Lehre der Ver-<lb/> haͤltniſſe, die Mathematik, die Statik, die Perſpek-<lb/> tive, die Architektur und der Himmel weiß! was<lb/> alles, inne haben. Dann lieſt man ihm ein Colle-<lb/> gium, giebt ihm Buͤcher in die Haͤnde uͤber Compo-<lb/> ſition, Anordnung, Leidenſchaften, Sittenlehre u. ſ. w.<lb/> und wenn er nun in dem allen perfekt iſt; — dann iſt<lb/> er gerade zum Kuͤnſtler verdorben.</p><lb/> <p>Zum Profeſſor mag er taugen, alte Statuen<lb/> von Kopf bis zu Fuß ſehr richtig und ſehr ſauber zu<lb/> copiren, ein Modell ſehr geſchickt zu ſtellen, Collegia<lb/> zu leſen, Kunſtbuͤcher zu ſchreiben; aber der Keim<lb/> des Genies iſt erſtickt, und fuͤr lauter Sorge keine der<lb/> ihm gegebenen Regeln zu beleidigen, erkaltet in ihm<lb/> der Trieb etwas Genievolles hervorzubringen.</p><lb/> <note place="left">Nachtheil<lb/> einer pedan-<lb/> tiſchen, und<lb/> zu theoreti-<lb/> ſchen Lehr-<lb/> methode.</note> <p>Dazu nehme man die pedantiſche Methode, die<lb/> willkuͤhrlichſten Sachen nach einer gewiſſen vorgeſchrie-<lb/> benen Form, mit einem gewiſſen <hi rendition="#aq">Apprêt</hi> zu thun,<lb/> den nur die ſalarirte Unthaͤtigkeit eines mittelmaͤßigen<lb/> Kopfs zur Nothwendigkeit machen kann. Iſt es er-<lb/> laubt, den Schuͤler wochenlang an einer Zeichnung<lb/> ſchraffiren oder tuſchen zu laſſen, die er in einem Tage<lb/><hi rendition="#aq">à maniere eſtompée</hi> ruͤnden kann! Dem Kupfer-<lb/> ſtecher mag das helfen, aber der Mahler und Bild-<lb/> hauer zeichnet nicht um zu zeichnen. Wenn er den<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Con-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [146/0170]
Pallaſt
Ich kann bei dieſer Gelegenheit nicht genung dar-
uͤber klagen, daß man ſo wenig Sorge dafuͤr traͤgt,
die Einbildungskraft des jungen Kuͤnſtlers, neben
der Ausbildung der mechaniſchen Fertigkeit ſeiner
Hand zu unterhalten und zu erweitern. Erſt ſpaͤt
giebt man ihm Veranlaſſung ſich im eigenen Compo-
niren zu uͤben. Erſt, ſagt man, ſoll er treu copiren
lernen, dann ſoll er die Anatomie, die Lehre der Ver-
haͤltniſſe, die Mathematik, die Statik, die Perſpek-
tive, die Architektur und der Himmel weiß! was
alles, inne haben. Dann lieſt man ihm ein Colle-
gium, giebt ihm Buͤcher in die Haͤnde uͤber Compo-
ſition, Anordnung, Leidenſchaften, Sittenlehre u. ſ. w.
und wenn er nun in dem allen perfekt iſt; — dann iſt
er gerade zum Kuͤnſtler verdorben.
Zum Profeſſor mag er taugen, alte Statuen
von Kopf bis zu Fuß ſehr richtig und ſehr ſauber zu
copiren, ein Modell ſehr geſchickt zu ſtellen, Collegia
zu leſen, Kunſtbuͤcher zu ſchreiben; aber der Keim
des Genies iſt erſtickt, und fuͤr lauter Sorge keine der
ihm gegebenen Regeln zu beleidigen, erkaltet in ihm
der Trieb etwas Genievolles hervorzubringen.
Dazu nehme man die pedantiſche Methode, die
willkuͤhrlichſten Sachen nach einer gewiſſen vorgeſchrie-
benen Form, mit einem gewiſſen Apprêt zu thun,
den nur die ſalarirte Unthaͤtigkeit eines mittelmaͤßigen
Kopfs zur Nothwendigkeit machen kann. Iſt es er-
laubt, den Schuͤler wochenlang an einer Zeichnung
ſchraffiren oder tuſchen zu laſſen, die er in einem Tage
à maniere eſtompée ruͤnden kann! Dem Kupfer-
ſtecher mag das helfen, aber der Mahler und Bild-
hauer zeichnet nicht um zu zeichnen. Wenn er den
Con-
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