abschreckenden großen Beispiele der vorausgegange- nen Künstler, und durch die erhöheten Forderungen der Zeitgenoßen, welche nur anschauen, vermehret sind.
Also wären die Academien bei dem Verfall derUeber den Antheil den die Lehrart in den Aca- demien an der vermin- derten An- zahl großer Künstler hat. Künste wohl ausser aller Schuld? Das sage ich nicht. Ich sage nur, daß sie nicht erste einzige Urheber des Unheils sind; daß sie ihren Theil dazu beigetragen ha- ben, mag ich nicht leugnen. 1)
Man kann den Künsten nachhelfen, man kann sie nicht zeugen; Man muß das Genie nicht belehren wollen, man muß es nur aufmerksam erhalten; Will man Schwierigkeiten wegräumen, so können es nur diejenigen seyn, bei deren Ueberwindung die Kunst, die Fertigkeit in der Kunst, nichts gewinnen.
Nicht blos bei dem einzelnen Künstler, bei gan-Die Natur, erste Lehre- rin des Künstlers. zen Nationen können wir es bemerken, wie sehr es ihnen vortheilhaft gewesen ist, daß sie in ihrer Aus- bildung stufenweise vorgerückt sind. Die Mühe, die Unzuverläßigkeit mit der sie ihre ersten Versuche mach- ten, belehrte sie von der Nothwendigkeit, von dem Nutzen sicherer Regeln: hinreichend mit diesen be- kannt, schritten sie erst zum Reize fort. Eben die- sen Weg sollte jeder angehende Künstler machen; man sollte ihn zuerst sich selbst überlassen, und ihn nach und nach auf das eigene Ausfinden der nothwendigsten Bestandtheile zur Wahrheit leiten: Wären diese sei- nem Kopfe und seiner Hand geläufig geworden, dann könnte man den Begriff von Schönheit hinzusetzen.
Dies
1) Ich bitte sehr das, was ich hier von Academien überhaupt sage, nicht von jeder einzelnen zu ver- stehen. Ich kenne deren sehr wenige.
der Franzoͤſiſchen Academie.
abſchreckenden großen Beiſpiele der vorausgegange- nen Kuͤnſtler, und durch die erhoͤheten Forderungen der Zeitgenoßen, welche nur anſchauen, vermehret ſind.
Alſo waͤren die Academien bei dem Verfall derUeber den Antheil den die Lehrart in den Aca- demien an der vermin- derten An- zahl großer Kuͤnſtler hat. Kuͤnſte wohl auſſer aller Schuld? Das ſage ich nicht. Ich ſage nur, daß ſie nicht erſte einzige Urheber des Unheils ſind; daß ſie ihren Theil dazu beigetragen ha- ben, mag ich nicht leugnen. 1)
Man kann den Kuͤnſten nachhelfen, man kann ſie nicht zeugen; Man muß das Genie nicht belehren wollen, man muß es nur aufmerkſam erhalten; Will man Schwierigkeiten wegraͤumen, ſo koͤnnen es nur diejenigen ſeyn, bei deren Ueberwindung die Kunſt, die Fertigkeit in der Kunſt, nichts gewinnen.
Nicht blos bei dem einzelnen Kuͤnſtler, bei gan-Die Natur, erſte Lehre- rin des Kuͤnſtlers. zen Nationen koͤnnen wir es bemerken, wie ſehr es ihnen vortheilhaft geweſen iſt, daß ſie in ihrer Aus- bildung ſtufenweiſe vorgeruͤckt ſind. Die Muͤhe, die Unzuverlaͤßigkeit mit der ſie ihre erſten Verſuche mach- ten, belehrte ſie von der Nothwendigkeit, von dem Nutzen ſicherer Regeln: hinreichend mit dieſen be- kannt, ſchritten ſie erſt zum Reize fort. Eben die- ſen Weg ſollte jeder angehende Kuͤnſtler machen; man ſollte ihn zuerſt ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und ihn nach und nach auf das eigene Ausfinden der nothwendigſten Beſtandtheile zur Wahrheit leiten: Waͤren dieſe ſei- nem Kopfe und ſeiner Hand gelaͤufig geworden, dann koͤnnte man den Begriff von Schoͤnheit hinzuſetzen.
Dies
1) Ich bitte ſehr das, was ich hier von Academien uͤberhaupt ſage, nicht von jeder einzelnen zu ver- ſtehen. Ich kenne deren ſehr wenige.
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der Franzoͤſiſchen Academie.
abſchreckenden großen Beiſpiele der vorausgegange-
nen Kuͤnſtler, und durch die erhoͤheten Forderungen
der Zeitgenoßen, welche nur anſchauen, vermehret
ſind.
Alſo waͤren die Academien bei dem Verfall der
Kuͤnſte wohl auſſer aller Schuld? Das ſage ich nicht.
Ich ſage nur, daß ſie nicht erſte einzige Urheber des
Unheils ſind; daß ſie ihren Theil dazu beigetragen ha-
ben, mag ich nicht leugnen. 1)
Ueber den
Antheil den
die Lehrart
in den Aca-
demien an
der vermin-
derten An-
zahl großer
Kuͤnſtler hat.
Man kann den Kuͤnſten nachhelfen, man kann
ſie nicht zeugen; Man muß das Genie nicht belehren
wollen, man muß es nur aufmerkſam erhalten; Will
man Schwierigkeiten wegraͤumen, ſo koͤnnen es nur
diejenigen ſeyn, bei deren Ueberwindung die Kunſt,
die Fertigkeit in der Kunſt, nichts gewinnen.
Nicht blos bei dem einzelnen Kuͤnſtler, bei gan-
zen Nationen koͤnnen wir es bemerken, wie ſehr es
ihnen vortheilhaft geweſen iſt, daß ſie in ihrer Aus-
bildung ſtufenweiſe vorgeruͤckt ſind. Die Muͤhe, die
Unzuverlaͤßigkeit mit der ſie ihre erſten Verſuche mach-
ten, belehrte ſie von der Nothwendigkeit, von dem
Nutzen ſicherer Regeln: hinreichend mit dieſen be-
kannt, ſchritten ſie erſt zum Reize fort. Eben die-
ſen Weg ſollte jeder angehende Kuͤnſtler machen; man
ſollte ihn zuerſt ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und ihn nach und
nach auf das eigene Ausfinden der nothwendigſten
Beſtandtheile zur Wahrheit leiten: Waͤren dieſe ſei-
nem Kopfe und ſeiner Hand gelaͤufig geworden, dann
koͤnnte man den Begriff von Schoͤnheit hinzuſetzen.
Die Natur,
erſte Lehre-
rin des
Kuͤnſtlers.
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uͤberhaupt ſage, nicht von jeder einzelnen zu ver-
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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