ten leisten kann, d. h. weniger als ihre Muster in ein- zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zusammen- stimmung derselben in einem Werke.
Das war noch nicht hinreichend. Die Forde- rungen wurden immer größer. Die Franzosen und Engelländer bemeisterten sich der Kunst. Diese Na- tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol- len, legten dem Künstler eine vollkommene Kenntniß der Geschichte, der Fabel, u. s. w. auf. Nun soll er ihren Witz beschäfftigen, sie auf philosophische Betrach- tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles leisten. Will er sein Glück machen, er muß ein Mann von Welt seyn, seine artliche Manieren ha- ben, über die Kunst poetisch philosophisch schwatzen können, und das in mehreren Sprachen.
Wie unendlich hat sich also der Umfang von For- derungen vermehrt, die man seit Raphaels, Correg- gio's und Tizians Zeiten an den Künstler macht! Kaum weiß er, womit er unter so vielen Beschäffti- gungen den Anfang machen soll. Bald zeichnet er, bald lernt er tanzen, bald studirt er die Aesthetik, bald nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhält von Allem eine superficielle Kenntniß, und kommt im- mer von seinem Hauptzwecke mehr und mehr ab.
Dies sind, wie ich glaube, die Hauptgründe, war- um wir gegenwärtig so viel weniger große Künstler zählen als sonst. Einmal, weil wahrscheinlich nicht so viele Menschen mit so bestimmten Fähigkeiten zur Kunst gebohren werden, als sonst: Zweitens, weil diese Fähigkeiten durch die verminderte Liebhaberei eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens, weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die
abschre-
Pallaſt
ten leiſten kann, d. h. weniger als ihre Muſter in ein- zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zuſammen- ſtimmung derſelben in einem Werke.
Das war noch nicht hinreichend. Die Forde- rungen wurden immer groͤßer. Die Franzoſen und Engellaͤnder bemeiſterten ſich der Kunſt. Dieſe Na- tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol- len, legten dem Kuͤnſtler eine vollkommene Kenntniß der Geſchichte, der Fabel, u. ſ. w. auf. Nun ſoll er ihren Witz beſchaͤfftigen, ſie auf philoſophiſche Betrach- tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles leiſten. Will er ſein Gluͤck machen, er muß ein Mann von Welt ſeyn, ſeine artliche Manieren ha- ben, uͤber die Kunſt poetiſch philoſophiſch ſchwatzen koͤnnen, und das in mehreren Sprachen.
Wie unendlich hat ſich alſo der Umfang von For- derungen vermehrt, die man ſeit Raphaels, Correg- gio’s und Tizians Zeiten an den Kuͤnſtler macht! Kaum weiß er, womit er unter ſo vielen Beſchaͤffti- gungen den Anfang machen ſoll. Bald zeichnet er, bald lernt er tanzen, bald ſtudirt er die Aeſthetik, bald nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhaͤlt von Allem eine ſuperficielle Kenntniß, und kommt im- mer von ſeinem Hauptzwecke mehr und mehr ab.
Dies ſind, wie ich glaube, die Hauptgruͤnde, war- um wir gegenwaͤrtig ſo viel weniger große Kuͤnſtler zaͤhlen als ſonſt. Einmal, weil wahrſcheinlich nicht ſo viele Menſchen mit ſo beſtimmten Faͤhigkeiten zur Kunſt gebohren werden, als ſonſt: Zweitens, weil dieſe Faͤhigkeiten durch die verminderte Liebhaberei eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens, weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die
abſchre-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0166"n="142"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Pallaſt</hi></fw><lb/>
ten leiſten kann, d. h. weniger als ihre Muſter in ein-<lb/>
zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zuſammen-<lb/>ſtimmung derſelben in einem Werke.</p><lb/><p>Das war noch nicht hinreichend. Die Forde-<lb/>
rungen wurden immer groͤßer. Die Franzoſen und<lb/>
Engellaͤnder bemeiſterten ſich der Kunſt. Dieſe Na-<lb/>
tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol-<lb/>
len, legten dem Kuͤnſtler eine vollkommene Kenntniß<lb/>
der Geſchichte, der Fabel, u. ſ. w. auf. Nun ſoll er<lb/>
ihren Witz beſchaͤfftigen, ſie auf philoſophiſche Betrach-<lb/>
tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles<lb/>
leiſten. Will er ſein Gluͤck machen, er muß ein<lb/>
Mann von Welt ſeyn, ſeine artliche Manieren ha-<lb/>
ben, uͤber die Kunſt poetiſch philoſophiſch ſchwatzen<lb/>
koͤnnen, und das in mehreren Sprachen.</p><lb/><p>Wie unendlich hat ſich alſo der Umfang von For-<lb/>
derungen vermehrt, die man ſeit Raphaels, Correg-<lb/>
gio’s und Tizians Zeiten an den Kuͤnſtler macht!<lb/>
Kaum weiß er, womit er unter ſo vielen Beſchaͤffti-<lb/>
gungen den Anfang machen ſoll. Bald zeichnet er,<lb/>
bald lernt er tanzen, bald ſtudirt er die Aeſthetik, bald<lb/>
nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhaͤlt<lb/>
von Allem eine ſuperficielle Kenntniß, und kommt im-<lb/>
mer von ſeinem Hauptzwecke mehr und mehr ab.</p><lb/><p>Dies ſind, wie ich glaube, die Hauptgruͤnde, war-<lb/>
um wir gegenwaͤrtig ſo viel weniger große Kuͤnſtler<lb/>
zaͤhlen als ſonſt. Einmal, weil wahrſcheinlich nicht<lb/>ſo viele Menſchen mit ſo beſtimmten Faͤhigkeiten zur<lb/>
Kunſt gebohren werden, als ſonſt: Zweitens, weil<lb/>
dieſe Faͤhigkeiten durch die verminderte Liebhaberei<lb/>
eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens,<lb/>
weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">abſchre-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0166]
Pallaſt
ten leiſten kann, d. h. weniger als ihre Muſter in ein-
zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zuſammen-
ſtimmung derſelben in einem Werke.
Das war noch nicht hinreichend. Die Forde-
rungen wurden immer groͤßer. Die Franzoſen und
Engellaͤnder bemeiſterten ſich der Kunſt. Dieſe Na-
tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol-
len, legten dem Kuͤnſtler eine vollkommene Kenntniß
der Geſchichte, der Fabel, u. ſ. w. auf. Nun ſoll er
ihren Witz beſchaͤfftigen, ſie auf philoſophiſche Betrach-
tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles
leiſten. Will er ſein Gluͤck machen, er muß ein
Mann von Welt ſeyn, ſeine artliche Manieren ha-
ben, uͤber die Kunſt poetiſch philoſophiſch ſchwatzen
koͤnnen, und das in mehreren Sprachen.
Wie unendlich hat ſich alſo der Umfang von For-
derungen vermehrt, die man ſeit Raphaels, Correg-
gio’s und Tizians Zeiten an den Kuͤnſtler macht!
Kaum weiß er, womit er unter ſo vielen Beſchaͤffti-
gungen den Anfang machen ſoll. Bald zeichnet er,
bald lernt er tanzen, bald ſtudirt er die Aeſthetik, bald
nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhaͤlt
von Allem eine ſuperficielle Kenntniß, und kommt im-
mer von ſeinem Hauptzwecke mehr und mehr ab.
Dies ſind, wie ich glaube, die Hauptgruͤnde, war-
um wir gegenwaͤrtig ſo viel weniger große Kuͤnſtler
zaͤhlen als ſonſt. Einmal, weil wahrſcheinlich nicht
ſo viele Menſchen mit ſo beſtimmten Faͤhigkeiten zur
Kunſt gebohren werden, als ſonſt: Zweitens, weil
dieſe Faͤhigkeiten durch die verminderte Liebhaberei
eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens,
weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die
abſchre-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/166>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.