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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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der Französischen Academie.
heit nur Wahrscheinlichkeit ist, seinen Zeitgenoßen im-
mer unwahr scheinen wird?

Aber der Nachfolger ist ein kühnes Originalge-
nie: kühn und ehrsüchtig, wie alle diejenigen, die
fremde Fesseln nicht vertragen können. Er geht sei-
ne eigene Bahn: Aber wie? Er studirt den Be-
schauer, und seine Schwächen mehr als die Natur;
er wählt nicht was wahr ist, sondern was Aufsehn
machen kann; stellt so hin, wie man mit schiefem
Blicke sieht, wird von seinen Zeitgenossen bestaunt,
besungen und bezahlt wie sein wahrerer Vorgänger,
und von den Nachkommen über seinen noch dreisteren
Schüler vergessen.

So zeigt uns die Geschichte der Kunst einen Ba-
roccio, einen Tintoretto, einen Zuccheri.

Eben so häufig aber hatten auch die ersten Künst-
ler sclavische Nachahmer angezogen, welche nicht die
Natur, sondern die Werke ihrer Vorgänger studir-
ten, und ihren Darstellungen die verdoppelte Untreue,
des Abfalls des Originals gegen die Natur, und der
Copie gegen das Original, mittheilten.

Unterdessen waren Critiker aufgestanden, welche
in ihrem Kopfe das Ideal einer vollkommenen Dar-
stellung aus verschiedenen Gemählden, die in einzel-
nen Theilen ihre Forderungen befriedigt hatten, zu-
sammensetzten. Zeichnet wie Raphael, sagten sie zu
dem angehenden Künstler, färbet wie Tizian, beleuch-
tet wie Correggio, und ihr werdet neu seyn, indem
ihr zuerst vollkommen seyd. Es fanden sich Män-
ner von Scharfsinn, welche diese Bahn betraten.
Die Carracci und ihre Schüler leisteten so viel, --
als man in der Vereinigung so vieler Vollkommenhei-

ten

der Franzoͤſiſchen Academie.
heit nur Wahrſcheinlichkeit iſt, ſeinen Zeitgenoßen im-
mer unwahr ſcheinen wird?

Aber der Nachfolger iſt ein kuͤhnes Originalge-
nie: kuͤhn und ehrſuͤchtig, wie alle diejenigen, die
fremde Feſſeln nicht vertragen koͤnnen. Er geht ſei-
ne eigene Bahn: Aber wie? Er ſtudirt den Be-
ſchauer, und ſeine Schwaͤchen mehr als die Natur;
er waͤhlt nicht was wahr iſt, ſondern was Aufſehn
machen kann; ſtellt ſo hin, wie man mit ſchiefem
Blicke ſieht, wird von ſeinen Zeitgenoſſen beſtaunt,
beſungen und bezahlt wie ſein wahrerer Vorgaͤnger,
und von den Nachkommen uͤber ſeinen noch dreiſteren
Schuͤler vergeſſen.

So zeigt uns die Geſchichte der Kunſt einen Ba-
roccio, einen Tintoretto, einen Zuccheri.

Eben ſo haͤufig aber hatten auch die erſten Kuͤnſt-
ler ſclaviſche Nachahmer angezogen, welche nicht die
Natur, ſondern die Werke ihrer Vorgaͤnger ſtudir-
ten, und ihren Darſtellungen die verdoppelte Untreue,
des Abfalls des Originals gegen die Natur, und der
Copie gegen das Original, mittheilten.

Unterdeſſen waren Critiker aufgeſtanden, welche
in ihrem Kopfe das Ideal einer vollkommenen Dar-
ſtellung aus verſchiedenen Gemaͤhlden, die in einzel-
nen Theilen ihre Forderungen befriedigt hatten, zu-
ſammenſetzten. Zeichnet wie Raphael, ſagten ſie zu
dem angehenden Kuͤnſtler, faͤrbet wie Tizian, beleuch-
tet wie Correggio, und ihr werdet neu ſeyn, indem
ihr zuerſt vollkommen ſeyd. Es fanden ſich Maͤn-
ner von Scharfſinn, welche dieſe Bahn betraten.
Die Carracci und ihre Schuͤler leiſteten ſo viel, —
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[141/0165] der Franzoͤſiſchen Academie. heit nur Wahrſcheinlichkeit iſt, ſeinen Zeitgenoßen im- mer unwahr ſcheinen wird? Aber der Nachfolger iſt ein kuͤhnes Originalge- nie: kuͤhn und ehrſuͤchtig, wie alle diejenigen, die fremde Feſſeln nicht vertragen koͤnnen. Er geht ſei- ne eigene Bahn: Aber wie? Er ſtudirt den Be- ſchauer, und ſeine Schwaͤchen mehr als die Natur; er waͤhlt nicht was wahr iſt, ſondern was Aufſehn machen kann; ſtellt ſo hin, wie man mit ſchiefem Blicke ſieht, wird von ſeinen Zeitgenoſſen beſtaunt, beſungen und bezahlt wie ſein wahrerer Vorgaͤnger, und von den Nachkommen uͤber ſeinen noch dreiſteren Schuͤler vergeſſen. So zeigt uns die Geſchichte der Kunſt einen Ba- roccio, einen Tintoretto, einen Zuccheri. Eben ſo haͤufig aber hatten auch die erſten Kuͤnſt- ler ſclaviſche Nachahmer angezogen, welche nicht die Natur, ſondern die Werke ihrer Vorgaͤnger ſtudir- ten, und ihren Darſtellungen die verdoppelte Untreue, des Abfalls des Originals gegen die Natur, und der Copie gegen das Original, mittheilten. Unterdeſſen waren Critiker aufgeſtanden, welche in ihrem Kopfe das Ideal einer vollkommenen Dar- ſtellung aus verſchiedenen Gemaͤhlden, die in einzel- nen Theilen ihre Forderungen befriedigt hatten, zu- ſammenſetzten. Zeichnet wie Raphael, ſagten ſie zu dem angehenden Kuͤnſtler, faͤrbet wie Tizian, beleuch- tet wie Correggio, und ihr werdet neu ſeyn, indem ihr zuerſt vollkommen ſeyd. Es fanden ſich Maͤn- ner von Scharfſinn, welche dieſe Bahn betraten. Die Carracci und ihre Schuͤler leiſteten ſo viel, — als man in der Vereinigung ſo vieler Vollkommenhei- ten

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/165>, abgerufen am 22.11.2024.