Seitdem Academien, Kunstschulen, errichtet wor-Ursachen des Verfalls der Künste in neuern Zei- ten. den, sagt man, sind keine große Künstler mehr gezogen!
Daß seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, seit der Zeit als die Schulen der Künstler öffentliche Anstalten wurden, die großen Meister seltener ge- worden sind, ist durch die Erfahrung außer Zweifel gesetzt: Nicht aber dadurch die Frage entschieden: ob die Errichtung der Academien eine begleitende Er- scheinung des Verfalls der Kunst sey, oder der Grund desselben und die Ursach?
In dem Begriff einer Academie an sich selbst, scheint wenigstens nichts nachtheiliges für die Ausbil- dung des jungen Künstlers zu liegen. Eine Anstalt, die ihm täglich Gelegenheit verschafft, nach den ge- wähltesten Formen nackender männlicher Körper zu arbeiten: Eine Anstalt, die rund um den Zögling her Sammlungen von Gemählden, von Kupfersti- chen, von Gipsabgüßen der Antiken, von Büchern versammlet; in der geschickte Männer in jedem Theile der Kunst ihre Erfahrungen und den darauf gebaue- ten Rath mittheilen; mit der nicht selten Pensionen verbunden sind, die den angehenden Künstler über die störende Sorge für drückende Bedürfnisse hinaus- setzen: die endlich durch die Vereinigung mehrerer Jünglinge von den besten Hoffnungen den größten Sporn zu höherem Verdienst, die Nacheiferung, er-
weckt
J 4
Pallaſt der Franzoͤſiſchen Aca- demie.
Seitdem Academien, Kunſtſchulen, errichtet wor-Urſachen des Verfalls der Kuͤnſte in neuern Zei- ten. den, ſagt man, ſind keine große Kuͤnſtler mehr gezogen!
Daß ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, ſeit der Zeit als die Schulen der Kuͤnſtler oͤffentliche Anſtalten wurden, die großen Meiſter ſeltener ge- worden ſind, iſt durch die Erfahrung außer Zweifel geſetzt: Nicht aber dadurch die Frage entſchieden: ob die Errichtung der Academien eine begleitende Er- ſcheinung des Verfalls der Kunſt ſey, oder der Grund deſſelben und die Urſach?
In dem Begriff einer Academie an ſich ſelbſt, ſcheint wenigſtens nichts nachtheiliges fuͤr die Ausbil- dung des jungen Kuͤnſtlers zu liegen. Eine Anſtalt, die ihm taͤglich Gelegenheit verſchafft, nach den ge- waͤhlteſten Formen nackender maͤnnlicher Koͤrper zu arbeiten: Eine Anſtalt, die rund um den Zoͤgling her Sammlungen von Gemaͤhlden, von Kupferſti- chen, von Gipsabguͤßen der Antiken, von Buͤchern verſammlet; in der geſchickte Maͤnner in jedem Theile der Kunſt ihre Erfahrungen und den darauf gebaue- ten Rath mittheilen; mit der nicht ſelten Penſionen verbunden ſind, die den angehenden Kuͤnſtler uͤber die ſtoͤrende Sorge fuͤr druͤckende Beduͤrfniſſe hinaus- ſetzen: die endlich durch die Vereinigung mehrerer Juͤnglinge von den beſten Hoffnungen den groͤßten Sporn zu hoͤherem Verdienſt, die Nacheiferung, er-
weckt
J 4
<TEI><text><body><pbfacs="#f0159"n="135"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Pallaſt der Franzoͤſiſchen Aca-<lb/>
demie.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>eitdem Academien, Kunſtſchulen, errichtet wor-<noteplace="right">Urſachen des<lb/>
Verfalls der<lb/>
Kuͤnſte in<lb/>
neuern Zei-<lb/>
ten.</note><lb/>
den, ſagt man, ſind keine große Kuͤnſtler<lb/>
mehr gezogen!</p><lb/><p>Daß ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts,<lb/>ſeit der Zeit als die Schulen der Kuͤnſtler oͤffentliche<lb/>
Anſtalten wurden, die großen Meiſter ſeltener ge-<lb/>
worden ſind, iſt durch die Erfahrung außer Zweifel<lb/>
geſetzt: Nicht aber dadurch die Frage entſchieden:<lb/>
ob die Errichtung der Academien eine begleitende Er-<lb/>ſcheinung des Verfalls der Kunſt ſey, oder der<lb/>
Grund deſſelben und die Urſach?</p><lb/><p>In dem Begriff einer Academie an ſich ſelbſt,<lb/>ſcheint wenigſtens nichts nachtheiliges fuͤr die Ausbil-<lb/>
dung des jungen Kuͤnſtlers zu liegen. Eine Anſtalt,<lb/>
die ihm taͤglich Gelegenheit verſchafft, nach den ge-<lb/>
waͤhlteſten Formen nackender maͤnnlicher Koͤrper zu<lb/>
arbeiten: Eine Anſtalt, die rund um den Zoͤgling<lb/>
her Sammlungen von Gemaͤhlden, von Kupferſti-<lb/>
chen, von Gipsabguͤßen der Antiken, von Buͤchern<lb/>
verſammlet; in der geſchickte Maͤnner in jedem Theile<lb/>
der Kunſt ihre Erfahrungen und den darauf gebaue-<lb/>
ten Rath mittheilen; mit der nicht ſelten Penſionen<lb/>
verbunden ſind, die den angehenden Kuͤnſtler uͤber<lb/>
die ſtoͤrende Sorge fuͤr druͤckende Beduͤrfniſſe hinaus-<lb/>ſetzen: die endlich durch die Vereinigung mehrerer<lb/>
Juͤnglinge von den beſten Hoffnungen den groͤßten<lb/>
Sporn zu hoͤherem Verdienſt, die Nacheiferung, er-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">weckt</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[135/0159]
Pallaſt der Franzoͤſiſchen Aca-
demie.
Seitdem Academien, Kunſtſchulen, errichtet wor-
den, ſagt man, ſind keine große Kuͤnſtler
mehr gezogen!
Urſachen des
Verfalls der
Kuͤnſte in
neuern Zei-
ten.
Daß ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts,
ſeit der Zeit als die Schulen der Kuͤnſtler oͤffentliche
Anſtalten wurden, die großen Meiſter ſeltener ge-
worden ſind, iſt durch die Erfahrung außer Zweifel
geſetzt: Nicht aber dadurch die Frage entſchieden:
ob die Errichtung der Academien eine begleitende Er-
ſcheinung des Verfalls der Kunſt ſey, oder der
Grund deſſelben und die Urſach?
In dem Begriff einer Academie an ſich ſelbſt,
ſcheint wenigſtens nichts nachtheiliges fuͤr die Ausbil-
dung des jungen Kuͤnſtlers zu liegen. Eine Anſtalt,
die ihm taͤglich Gelegenheit verſchafft, nach den ge-
waͤhlteſten Formen nackender maͤnnlicher Koͤrper zu
arbeiten: Eine Anſtalt, die rund um den Zoͤgling
her Sammlungen von Gemaͤhlden, von Kupferſti-
chen, von Gipsabguͤßen der Antiken, von Buͤchern
verſammlet; in der geſchickte Maͤnner in jedem Theile
der Kunſt ihre Erfahrungen und den darauf gebaue-
ten Rath mittheilen; mit der nicht ſelten Penſionen
verbunden ſind, die den angehenden Kuͤnſtler uͤber
die ſtoͤrende Sorge fuͤr druͤckende Beduͤrfniſſe hinaus-
ſetzen: die endlich durch die Vereinigung mehrerer
Juͤnglinge von den beſten Hoffnungen den groͤßten
Sporn zu hoͤherem Verdienſt, die Nacheiferung, er-
weckt
J 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/159>, abgerufen am 19.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.