Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Der kleine Pallast Farnese

In dem Zimmer der Galathea.
Venus Cal-
lipyga.

+ Venus Callipyga oder Callipygas, 5)
Statue. Die Göttin sieht mit zur Seite gebogenem

Kopfe
5) Die Venus hatte unter diesem Nahmen einen Tem-
pel in Sicilien, der durch folgende Begebenheit
entstanden war. Zwei schöne sicilianische Bauer-
mägdchen stritten darüber, wer von ihnen beiden
den schönsten Hintern hätte, und zwar auf öffent-
licher Landstraße. Ein vorübergehender Jüngling
ward herbeigerufen, den Streit zu entscheiden, und
nachdem man ihn in den Stand gesetzt hatte, ein
sachverständiges Urtheil durch die Vergleichung der
Theile, die den Streit veranlaßten, zu fällen, so
fiel dies für die älteste aus. Er hatte sich nicht
ungestraft mit den geheimen Reizen dieses schönen
Mägdchens bekannt machen dürfen. Er verliebte
sich in sie, und verfiel nach seiner Zuhausekunft in
eine Krankheit. Die Ursach derselben entdeckte er
seinem Bruder; dieser suchte die Mägdchens auf,
und verliebte sich in die jüngste. Der Vater, der
einen ansehnlichen Rang unter seinen Mitbürgern
behauptete, wollte anfänglich nicht in die Heirath
seiner Söhne mit Personen von so ungleicher Ab-
kunft willigen. Endlich siegte die Liebe, und die
Mägdchen widmeten der Venus einen Tempel,
worin ihre Bildsäule in derjenigen Stellung auf-
gestellet wurde, die den Grund zu ihrem gelegt
hatte.
Der Herr Hofrath Heyne Antiq. Aufsätze, 1stes
Stück, S. 153. glaubt, daß auch bei dieser Vor-
stellung die Idee von einer Venus, die aus dem
Bade kömmt, zum Grunde liege.
Der kleine Pallaſt Farneſe

In dem Zimmer der Galathea.
Venus Cal-
lipyga.

Venus Callipyga oder Callipygas, 5)
Statue. Die Goͤttin ſieht mit zur Seite gebogenem

Kopfe
5) Die Venus hatte unter dieſem Nahmen einen Tem-
pel in Sicilien, der durch folgende Begebenheit
entſtanden war. Zwei ſchoͤne ſicilianiſche Bauer-
maͤgdchen ſtritten daruͤber, wer von ihnen beiden
den ſchoͤnſten Hintern haͤtte, und zwar auf oͤffent-
licher Landſtraße. Ein voruͤbergehender Juͤngling
ward herbeigerufen, den Streit zu entſcheiden, und
nachdem man ihn in den Stand geſetzt hatte, ein
ſachverſtaͤndiges Urtheil durch die Vergleichung der
Theile, die den Streit veranlaßten, zu faͤllen, ſo
fiel dies fuͤr die aͤlteſte aus. Er hatte ſich nicht
ungeſtraft mit den geheimen Reizen dieſes ſchoͤnen
Maͤgdchens bekannt machen duͤrfen. Er verliebte
ſich in ſie, und verfiel nach ſeiner Zuhauſekunft in
eine Krankheit. Die Urſach derſelben entdeckte er
ſeinem Bruder; dieſer ſuchte die Maͤgdchens auf,
und verliebte ſich in die juͤngſte. Der Vater, der
einen anſehnlichen Rang unter ſeinen Mitbuͤrgern
behauptete, wollte anfaͤnglich nicht in die Heirath
ſeiner Soͤhne mit Perſonen von ſo ungleicher Ab-
kunft willigen. Endlich ſiegte die Liebe, und die
Maͤgdchen widmeten der Venus einen Tempel,
worin ihre Bildſaͤule in derjenigen Stellung auf-
geſtellet wurde, die den Grund zu ihrem gelegt
hatte.
Der Herr Hofrath Heyne Antiq. Aufſaͤtze, 1ſtes
Stuͤck, S. 153. glaubt, daß auch bei dieſer Vor-
ſtellung die Idee von einer Venus, die aus dem
Bade koͤmmt, zum Grunde liege.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0152" n="128"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der kleine Palla&#x017F;t Farne&#x017F;e</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">In dem Zimmer der Galathea.</hi> </head><lb/>
          <note place="left">Venus Cal-<lb/>
lipyga.</note>
          <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Venus Callipyga</hi> oder <hi rendition="#fr">Callipygas,</hi> <note place="foot" n="5)">Die Venus hatte unter die&#x017F;em Nahmen einen Tem-<lb/>
pel in Sicilien, der durch folgende Begebenheit<lb/>
ent&#x017F;tanden war. Zwei &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;iciliani&#x017F;che Bauer-<lb/>
ma&#x0364;gdchen &#x017F;tritten daru&#x0364;ber, wer von ihnen beiden<lb/>
den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Hintern ha&#x0364;tte, und zwar auf o&#x0364;ffent-<lb/>
licher Land&#x017F;traße. Ein voru&#x0364;bergehender Ju&#x0364;ngling<lb/>
ward herbeigerufen, den Streit zu ent&#x017F;cheiden, und<lb/>
nachdem man ihn in den Stand ge&#x017F;etzt hatte, ein<lb/>
&#x017F;achver&#x017F;ta&#x0364;ndiges Urtheil durch die Vergleichung der<lb/>
Theile, die den Streit veranlaßten, zu fa&#x0364;llen, &#x017F;o<lb/>
fiel dies fu&#x0364;r die a&#x0364;lte&#x017F;te aus. Er hatte &#x017F;ich nicht<lb/>
unge&#x017F;traft mit den geheimen Reizen die&#x017F;es &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Ma&#x0364;gdchens bekannt machen du&#x0364;rfen. Er verliebte<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;ie, und verfiel nach &#x017F;einer Zuhau&#x017F;ekunft in<lb/>
eine Krankheit. Die Ur&#x017F;ach der&#x017F;elben entdeckte er<lb/>
&#x017F;einem Bruder; die&#x017F;er &#x017F;uchte die Ma&#x0364;gdchens auf,<lb/>
und verliebte &#x017F;ich in die ju&#x0364;ng&#x017F;te. Der Vater, der<lb/>
einen an&#x017F;ehnlichen Rang unter &#x017F;einen Mitbu&#x0364;rgern<lb/>
behauptete, wollte anfa&#x0364;nglich nicht in die Heirath<lb/>
&#x017F;einer So&#x0364;hne mit Per&#x017F;onen von &#x017F;o ungleicher Ab-<lb/>
kunft willigen. Endlich &#x017F;iegte die Liebe, und die<lb/>
Ma&#x0364;gdchen widmeten der Venus einen Tempel,<lb/>
worin ihre Bild&#x017F;a&#x0364;ule in derjenigen Stellung auf-<lb/>
ge&#x017F;tellet wurde, die den Grund zu ihrem gelegt<lb/>
hatte.<lb/>
Der Herr Hofrath Heyne Antiq. Auf&#x017F;a&#x0364;tze, 1&#x017F;tes<lb/>
Stu&#x0364;ck, S. 153. glaubt, daß auch bei die&#x017F;er Vor-<lb/>
&#x017F;tellung die Idee von einer Venus, die aus dem<lb/>
Bade ko&#x0364;mmt, zum Grunde liege.</note><lb/>
Statue. Die Go&#x0364;ttin &#x017F;ieht mit zur Seite gebogenem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kopfe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0152] Der kleine Pallaſt Farneſe In dem Zimmer der Galathea. † Venus Callipyga oder Callipygas, 5) Statue. Die Goͤttin ſieht mit zur Seite gebogenem Kopfe 5) Die Venus hatte unter dieſem Nahmen einen Tem- pel in Sicilien, der durch folgende Begebenheit entſtanden war. Zwei ſchoͤne ſicilianiſche Bauer- maͤgdchen ſtritten daruͤber, wer von ihnen beiden den ſchoͤnſten Hintern haͤtte, und zwar auf oͤffent- licher Landſtraße. Ein voruͤbergehender Juͤngling ward herbeigerufen, den Streit zu entſcheiden, und nachdem man ihn in den Stand geſetzt hatte, ein ſachverſtaͤndiges Urtheil durch die Vergleichung der Theile, die den Streit veranlaßten, zu faͤllen, ſo fiel dies fuͤr die aͤlteſte aus. Er hatte ſich nicht ungeſtraft mit den geheimen Reizen dieſes ſchoͤnen Maͤgdchens bekannt machen duͤrfen. Er verliebte ſich in ſie, und verfiel nach ſeiner Zuhauſekunft in eine Krankheit. Die Urſach derſelben entdeckte er ſeinem Bruder; dieſer ſuchte die Maͤgdchens auf, und verliebte ſich in die juͤngſte. Der Vater, der einen anſehnlichen Rang unter ſeinen Mitbuͤrgern behauptete, wollte anfaͤnglich nicht in die Heirath ſeiner Soͤhne mit Perſonen von ſo ungleicher Ab- kunft willigen. Endlich ſiegte die Liebe, und die Maͤgdchen widmeten der Venus einen Tempel, worin ihre Bildſaͤule in derjenigen Stellung auf- geſtellet wurde, die den Grund zu ihrem gelegt hatte. Der Herr Hofrath Heyne Antiq. Aufſaͤtze, 1ſtes Stuͤck, S. 153. glaubt, daß auch bei dieſer Vor- ſtellung die Idee von einer Venus, die aus dem Bade koͤmmt, zum Grunde liege.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/152
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/152>, abgerufen am 19.11.2024.