Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Der kleine Pallast Farnese.
Göttin ist vortrefflich ausgedrückt, und allgemein
durch sich selbst verständlich: das Süjet ist dem
Raum zur Darstellung angemessen.

5) Venus beschwert sich beim Jupiter
über das ihr angethane Unrecht.
Venus hat
ganz den Ausdruck eines Weibes, die gern ihrer Sache
eine gute Wendung geben möchte, und Jupiter scheint
ihre Beschwerden mit einer Güte anzuhören, die gern
durch die Aufmerksamkeit auf die Klagen der Ge-
kränkten beruhigen möchte. Auch dies Süjet ist nach
den vorhero festgesetzten Grundsätzen gut gewählt.

6) Mercur durchstreicht die Lüfte, und
kündigt unter dem Klange der Trompete dem-
jenigen eine Belohnung an, der den Aufent-
halt der Psyche entdecken wird.
Der Kopf des
Mercurs stimmt mit der Schönheit des Körpers nicht
überein. Man schiebt die Schuld auf die Ausbesse-
rung. Gegen das Süjet läßt sich nichts erinnern;
so wenig als gegen folgendes:

7) Psyche von Liebesgöttern unterstützt,
bringt aus der Hölle die Büchse, welche zu
öffnen ihr verboten war, und die das Recept
zur Wiedererhaltung verlohren gegangener
Schönheit enthielt.
Diese Gruppe ist schön ge-
dacht. Der Kopf der Psyche ist sehr reizend, aber
die Stellung ist ein wenig gezwungen.

8) Psyche überreicht der Venus diese
Büchse.
Psyche hat einen vortrefflichen Ausdruck
von bescheidener Hingebung in ihr Schicksal, und eben
so vortrefflich ist der Ausdruck des Erstaunens der
Göttin untermischt mit Aerger über die Erfüllung einer
Aufgabe, an der ihre Feindin scheitern sollte. Die beschei-

dene
H 4

Der kleine Pallaſt Farneſe.
Goͤttin iſt vortrefflich ausgedruͤckt, und allgemein
durch ſich ſelbſt verſtaͤndlich: das Suͤjet iſt dem
Raum zur Darſtellung angemeſſen.

5) Venus beſchwert ſich beim Jupiter
uͤber das ihr angethane Unrecht.
Venus hat
ganz den Ausdruck eines Weibes, die gern ihrer Sache
eine gute Wendung geben moͤchte, und Jupiter ſcheint
ihre Beſchwerden mit einer Guͤte anzuhoͤren, die gern
durch die Aufmerkſamkeit auf die Klagen der Ge-
kraͤnkten beruhigen moͤchte. Auch dies Suͤjet iſt nach
den vorhero feſtgeſetzten Grundſaͤtzen gut gewaͤhlt.

6) Mercur durchſtreicht die Luͤfte, und
kuͤndigt unter dem Klange der Trompete dem-
jenigen eine Belohnung an, der den Aufent-
halt der Pſyche entdecken wird.
Der Kopf des
Mercurs ſtimmt mit der Schoͤnheit des Koͤrpers nicht
uͤberein. Man ſchiebt die Schuld auf die Ausbeſſe-
rung. Gegen das Suͤjet laͤßt ſich nichts erinnern;
ſo wenig als gegen folgendes:

7) Pſyche von Liebesgoͤttern unterſtuͤtzt,
bringt aus der Hoͤlle die Buͤchſe, welche zu
oͤffnen ihr verboten war, und die das Recept
zur Wiedererhaltung verlohren gegangener
Schoͤnheit enthielt.
Dieſe Gruppe iſt ſchoͤn ge-
dacht. Der Kopf der Pſyche iſt ſehr reizend, aber
die Stellung iſt ein wenig gezwungen.

8) Pſyche uͤberreicht der Venus dieſe
Buͤchſe.
Pſyche hat einen vortrefflichen Ausdruck
von beſcheidener Hingebung in ihr Schickſal, und eben
ſo vortrefflich iſt der Ausdruck des Erſtaunens der
Goͤttin untermiſcht mit Aerger uͤber die Erfuͤllung einer
Aufgabe, an der ihre Feindin ſcheitern ſollte. Die beſchei-

dene
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der kleine Palla&#x017F;t Farne&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Go&#x0364;ttin i&#x017F;t vortrefflich ausgedru&#x0364;ckt, und allgemein<lb/>
durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich: das Su&#x0364;jet i&#x017F;t dem<lb/>
Raum zur Dar&#x017F;tellung angeme&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>5) <hi rendition="#fr">Venus be&#x017F;chwert &#x017F;ich beim Jupiter<lb/>
u&#x0364;ber das ihr angethane Unrecht.</hi> Venus hat<lb/>
ganz den Ausdruck eines Weibes, die gern ihrer Sache<lb/>
eine gute Wendung geben mo&#x0364;chte, und Jupiter &#x017F;cheint<lb/>
ihre Be&#x017F;chwerden mit einer Gu&#x0364;te anzuho&#x0364;ren, die gern<lb/>
durch die Aufmerk&#x017F;amkeit auf die Klagen der Ge-<lb/>
kra&#x0364;nkten beruhigen mo&#x0364;chte. Auch dies Su&#x0364;jet i&#x017F;t nach<lb/>
den vorhero fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen gut gewa&#x0364;hlt.</p><lb/>
          <p>6) <hi rendition="#fr">Mercur durch&#x017F;treicht die Lu&#x0364;fte, und<lb/>
ku&#x0364;ndigt unter dem Klange der Trompete dem-<lb/>
jenigen eine Belohnung an, der den Aufent-<lb/>
halt der P&#x017F;yche entdecken wird.</hi> Der Kopf des<lb/>
Mercurs &#x017F;timmt mit der Scho&#x0364;nheit des Ko&#x0364;rpers nicht<lb/>
u&#x0364;berein. Man &#x017F;chiebt die Schuld auf die Ausbe&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
rung. Gegen das Su&#x0364;jet la&#x0364;ßt &#x017F;ich nichts erinnern;<lb/>
&#x017F;o wenig als gegen folgendes:</p><lb/>
          <p>7) <hi rendition="#fr">P&#x017F;yche von Liebesgo&#x0364;ttern unter&#x017F;tu&#x0364;tzt,<lb/>
bringt aus der Ho&#x0364;lle die Bu&#x0364;ch&#x017F;e, welche zu<lb/>
o&#x0364;ffnen ihr verboten war, und die das Recept<lb/>
zur Wiedererhaltung verlohren gegangener<lb/>
Scho&#x0364;nheit enthielt.</hi> Die&#x017F;e Gruppe i&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;n ge-<lb/>
dacht. Der Kopf der P&#x017F;yche i&#x017F;t &#x017F;ehr reizend, aber<lb/>
die Stellung i&#x017F;t ein wenig gezwungen.</p><lb/>
          <p>8) <hi rendition="#fr">P&#x017F;yche u&#x0364;berreicht der Venus die&#x017F;e<lb/>
Bu&#x0364;ch&#x017F;e.</hi> P&#x017F;yche hat einen vortrefflichen Ausdruck<lb/>
von be&#x017F;cheidener Hingebung in ihr Schick&#x017F;al, und eben<lb/>
&#x017F;o vortrefflich i&#x017F;t der Ausdruck des Er&#x017F;taunens der<lb/>
Go&#x0364;ttin untermi&#x017F;cht mit Aerger u&#x0364;ber die Erfu&#x0364;llung einer<lb/>
Aufgabe, an der ihre Feindin &#x017F;cheitern &#x017F;ollte. Die be&#x017F;chei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">dene</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0143] Der kleine Pallaſt Farneſe. Goͤttin iſt vortrefflich ausgedruͤckt, und allgemein durch ſich ſelbſt verſtaͤndlich: das Suͤjet iſt dem Raum zur Darſtellung angemeſſen. 5) Venus beſchwert ſich beim Jupiter uͤber das ihr angethane Unrecht. Venus hat ganz den Ausdruck eines Weibes, die gern ihrer Sache eine gute Wendung geben moͤchte, und Jupiter ſcheint ihre Beſchwerden mit einer Guͤte anzuhoͤren, die gern durch die Aufmerkſamkeit auf die Klagen der Ge- kraͤnkten beruhigen moͤchte. Auch dies Suͤjet iſt nach den vorhero feſtgeſetzten Grundſaͤtzen gut gewaͤhlt. 6) Mercur durchſtreicht die Luͤfte, und kuͤndigt unter dem Klange der Trompete dem- jenigen eine Belohnung an, der den Aufent- halt der Pſyche entdecken wird. Der Kopf des Mercurs ſtimmt mit der Schoͤnheit des Koͤrpers nicht uͤberein. Man ſchiebt die Schuld auf die Ausbeſſe- rung. Gegen das Suͤjet laͤßt ſich nichts erinnern; ſo wenig als gegen folgendes: 7) Pſyche von Liebesgoͤttern unterſtuͤtzt, bringt aus der Hoͤlle die Buͤchſe, welche zu oͤffnen ihr verboten war, und die das Recept zur Wiedererhaltung verlohren gegangener Schoͤnheit enthielt. Dieſe Gruppe iſt ſchoͤn ge- dacht. Der Kopf der Pſyche iſt ſehr reizend, aber die Stellung iſt ein wenig gezwungen. 8) Pſyche uͤberreicht der Venus dieſe Buͤchſe. Pſyche hat einen vortrefflichen Ausdruck von beſcheidener Hingebung in ihr Schickſal, und eben ſo vortrefflich iſt der Ausdruck des Erſtaunens der Goͤttin untermiſcht mit Aerger uͤber die Erfuͤllung einer Aufgabe, an der ihre Feindin ſcheitern ſollte. Die beſchei- dene H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/143
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/143>, abgerufen am 22.11.2024.