Eine detaillirtere Beurtheilung der Gemählde selbst wird den Grund dieser Forderungen noch mehr ins Licht setzen.
Vierzehn fliegende Amorinen füllen die Win- kel, die das Gewölbe bildet. Sie tragen die Attri- bute verschiedener Götter, welche der Macht der Liebe gehuldiget haben, als Siegeszeichen. Diese Figuren erfüllen den Anspruch, den wir an die einzelne Darstellung in Thätigkeit zu machen berech- tigt sind, vollkommen, durch den allgemein verständ- lichen Ausdruck des losen Frohsinns und des Fliegens. Man kann die äußerste Fruchtbarkeit der Einbildungs- kraft des Meisters in den verschiedenen Stellungen dieser Amorinen, deren kein einziger dem andern ähn- lich ist, nicht genung bewundern. Ihre Köpfe sind reizend. Inzwischen ist die Natur des Alters nicht treu genung beobachtet. Die Köpfe sind zu klein, die Körper zu ausgebildet, der Muskelnbau zu stark an- gedeutet.
Die größern Felder, an der Zahl zehn, nehmen Vorstellungen einiger Begebenheiten aus der Fabel der Psyche ein.
1) Venus zeigt ihrem Sohne ihre Neben- buhlerin an Schönheit, und fordert ihn auf, sie dadurch zu rächen, daß er ihr eine unzüch- tige Liebe einflöße. Amor macht sich dazu be- reit, er zielt auf Psyche mit dem Pfeile; allein man sieht diesen Gegenstand nicht. Bei dieser dramatischen Darstellung fehlt die bestimmte Veran- lassung zur Thätigkeit. Das Gemählde würde ohne das Localverhältniß mit den übrigen Gemählden nicht verständlich seyn: Die Vorstellung ist also mangelhaft.
Einen
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Der kleine Pallaſt Farneſe.
Eine detaillirtere Beurtheilung der Gemaͤhlde ſelbſt wird den Grund dieſer Forderungen noch mehr ins Licht ſetzen.
Vierzehn fliegende Amorinen fuͤllen die Win- kel, die das Gewoͤlbe bildet. Sie tragen die Attri- bute verſchiedener Goͤtter, welche der Macht der Liebe gehuldiget haben, als Siegeszeichen. Dieſe Figuren erfuͤllen den Anſpruch, den wir an die einzelne Darſtellung in Thaͤtigkeit zu machen berech- tigt ſind, vollkommen, durch den allgemein verſtaͤnd- lichen Ausdruck des loſen Frohſinns und des Fliegens. Man kann die aͤußerſte Fruchtbarkeit der Einbildungs- kraft des Meiſters in den verſchiedenen Stellungen dieſer Amorinen, deren kein einziger dem andern aͤhn- lich iſt, nicht genung bewundern. Ihre Koͤpfe ſind reizend. Inzwiſchen iſt die Natur des Alters nicht treu genung beobachtet. Die Koͤpfe ſind zu klein, die Koͤrper zu ausgebildet, der Muskelnbau zu ſtark an- gedeutet.
Die groͤßern Felder, an der Zahl zehn, nehmen Vorſtellungen einiger Begebenheiten aus der Fabel der Pſyche ein.
1) Venus zeigt ihrem Sohne ihre Neben- buhlerin an Schoͤnheit, und fordert ihn auf, ſie dadurch zu raͤchen, daß er ihr eine unzuͤch- tige Liebe einfloͤße. Amor macht ſich dazu be- reit, er zielt auf Pſyche mit dem Pfeile; allein man ſieht dieſen Gegenſtand nicht. Bei dieſer dramatiſchen Darſtellung fehlt die beſtimmte Veran- laſſung zur Thaͤtigkeit. Das Gemaͤhlde wuͤrde ohne das Localverhaͤltniß mit den uͤbrigen Gemaͤhlden nicht verſtaͤndlich ſeyn: Die Vorſtellung iſt alſo mangelhaft.
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Der kleine Pallaſt Farneſe.
Eine detaillirtere Beurtheilung der Gemaͤhlde
ſelbſt wird den Grund dieſer Forderungen noch mehr
ins Licht ſetzen.
Vierzehn fliegende Amorinen fuͤllen die Win-
kel, die das Gewoͤlbe bildet. Sie tragen die Attri-
bute verſchiedener Goͤtter, welche der Macht
der Liebe gehuldiget haben, als Siegeszeichen.
Dieſe Figuren erfuͤllen den Anſpruch, den wir an die
einzelne Darſtellung in Thaͤtigkeit zu machen berech-
tigt ſind, vollkommen, durch den allgemein verſtaͤnd-
lichen Ausdruck des loſen Frohſinns und des Fliegens.
Man kann die aͤußerſte Fruchtbarkeit der Einbildungs-
kraft des Meiſters in den verſchiedenen Stellungen
dieſer Amorinen, deren kein einziger dem andern aͤhn-
lich iſt, nicht genung bewundern. Ihre Koͤpfe ſind
reizend. Inzwiſchen iſt die Natur des Alters nicht
treu genung beobachtet. Die Koͤpfe ſind zu klein, die
Koͤrper zu ausgebildet, der Muskelnbau zu ſtark an-
gedeutet.
Die groͤßern Felder, an der Zahl zehn,
nehmen Vorſtellungen einiger Begebenheiten
aus der Fabel der Pſyche ein.
1) Venus zeigt ihrem Sohne ihre Neben-
buhlerin an Schoͤnheit, und fordert ihn auf,
ſie dadurch zu raͤchen, daß er ihr eine unzuͤch-
tige Liebe einfloͤße. Amor macht ſich dazu be-
reit, er zielt auf Pſyche mit dem Pfeile; allein
man ſieht dieſen Gegenſtand nicht. Bei dieſer
dramatiſchen Darſtellung fehlt die beſtimmte Veran-
laſſung zur Thaͤtigkeit. Das Gemaͤhlde wuͤrde ohne
das Localverhaͤltniß mit den uͤbrigen Gemaͤhlden nicht
verſtaͤndlich ſeyn: Die Vorſtellung iſt alſo mangelhaft.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/141>, abgerufen am 25.11.2024.
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