diejenigen, die sich ungefähr in gleicher Situation befinden, mit ihm denselben Gang der Gefühle zu gehen einladet. Man nehme an, daß der Poet sich in eine fremde Lage versetze, die so allgemein sey, daß er so gut, wie jeder andere, sie täglich theilen könnte; so wird die Vergleichung noch zutreffender. Z. E. das Lied eines Frölichen, Klagen eines Mismüthigen etc.
Die zweite Gattung der handelnden Bildnerei ist die dramatische: ein Wort, welches ich dem unbestimmten der historischen, in so manchem Be- tracht vorziehen möchte. Diese giebt den handelnden Personen Absichten, die sie in Thätigkeit setzen, und erklärt den Grund, warum sie thätig sind, aus con- currirenden Umständen. Hier ist völliges Drama: nur mit dem Unterschiede, daß Knoten und Auflö- sung mit einem Blicke erkannt werden.
Damit man aber nicht etwa glaube, als läge bei der ganzen Abtheilung in beschreibende, lyrisch handelnde, und dramatisch handelnde Darstellung blos ein witziger Einfall zum Grunde, so wende man nur einen Augenblick von Aufmerksamkeit auf fol- gende Erfahrungen:
Drei Künstler reisen mit in Wachs bossirten Fi- guren umher, um sie dem Publico für Geld sehen zu lassen.
Der erste, der in meiner Vaterstadt ankömmt, kündigt den hochseligen König von Preußen an, und wie auf dem Anschlagzettel steht, sehr natürlich nach dem Leben. Was wird man anders dabei denken, als, der Künstler will eine sichtbar sinnliche Beschrei- bung des großen Friedrich geben. Den großen Friederich in dem Augenblicke der Schlacht, oder in
einer
Der kleine Pallaſt Farneſe.
diejenigen, die ſich ungefaͤhr in gleicher Situation befinden, mit ihm denſelben Gang der Gefuͤhle zu gehen einladet. Man nehme an, daß der Poet ſich in eine fremde Lage verſetze, die ſo allgemein ſey, daß er ſo gut, wie jeder andere, ſie taͤglich theilen koͤnnte; ſo wird die Vergleichung noch zutreffender. Z. E. das Lied eines Froͤlichen, Klagen eines Mismuͤthigen ꝛc.
Die zweite Gattung der handelnden Bildnerei iſt die dramatiſche: ein Wort, welches ich dem unbeſtimmten der hiſtoriſchen, in ſo manchem Be- tracht vorziehen moͤchte. Dieſe giebt den handelnden Perſonen Abſichten, die ſie in Thaͤtigkeit ſetzen, und erklaͤrt den Grund, warum ſie thaͤtig ſind, aus con- currirenden Umſtaͤnden. Hier iſt voͤlliges Drama: nur mit dem Unterſchiede, daß Knoten und Aufloͤ- ſung mit einem Blicke erkannt werden.
Damit man aber nicht etwa glaube, als laͤge bei der ganzen Abtheilung in beſchreibende, lyriſch handelnde, und dramatiſch handelnde Darſtellung blos ein witziger Einfall zum Grunde, ſo wende man nur einen Augenblick von Aufmerkſamkeit auf fol- gende Erfahrungen:
Drei Kuͤnſtler reiſen mit in Wachs boſſirten Fi- guren umher, um ſie dem Publico fuͤr Geld ſehen zu laſſen.
Der erſte, der in meiner Vaterſtadt ankoͤmmt, kuͤndigt den hochſeligen Koͤnig von Preußen an, und wie auf dem Anſchlagzettel ſteht, ſehr natuͤrlich nach dem Leben. Was wird man anders dabei denken, als, der Kuͤnſtler will eine ſichtbar ſinnliche Beſchrei- bung des großen Friedrich geben. Den großen Friederich in dem Augenblicke der Schlacht, oder in
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Der kleine Pallaſt Farneſe.
diejenigen, die ſich ungefaͤhr in gleicher Situation
befinden, mit ihm denſelben Gang der Gefuͤhle zu
gehen einladet. Man nehme an, daß der Poet ſich
in eine fremde Lage verſetze, die ſo allgemein ſey, daß
er ſo gut, wie jeder andere, ſie taͤglich theilen koͤnnte;
ſo wird die Vergleichung noch zutreffender. Z. E. das
Lied eines Froͤlichen, Klagen eines Mismuͤthigen ꝛc.
Die zweite Gattung der handelnden Bildnerei
iſt die dramatiſche: ein Wort, welches ich dem
unbeſtimmten der hiſtoriſchen, in ſo manchem Be-
tracht vorziehen moͤchte. Dieſe giebt den handelnden
Perſonen Abſichten, die ſie in Thaͤtigkeit ſetzen, und
erklaͤrt den Grund, warum ſie thaͤtig ſind, aus con-
currirenden Umſtaͤnden. Hier iſt voͤlliges Drama:
nur mit dem Unterſchiede, daß Knoten und Aufloͤ-
ſung mit einem Blicke erkannt werden.
Damit man aber nicht etwa glaube, als laͤge
bei der ganzen Abtheilung in beſchreibende, lyriſch
handelnde, und dramatiſch handelnde Darſtellung
blos ein witziger Einfall zum Grunde, ſo wende man
nur einen Augenblick von Aufmerkſamkeit auf fol-
gende Erfahrungen:
Drei Kuͤnſtler reiſen mit in Wachs boſſirten Fi-
guren umher, um ſie dem Publico fuͤr Geld ſehen zu
laſſen.
Der erſte, der in meiner Vaterſtadt ankoͤmmt,
kuͤndigt den hochſeligen Koͤnig von Preußen an, und
wie auf dem Anſchlagzettel ſteht, ſehr natuͤrlich nach
dem Leben. Was wird man anders dabei denken,
als, der Kuͤnſtler will eine ſichtbar ſinnliche Beſchrei-
bung des großen Friedrich geben. Den großen
Friederich in dem Augenblicke der Schlacht, oder in
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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