Der Autor wagt eine neue Bestim- mung ver- schiedener Gattungen von Mahle- reien. Er theilt die Ge- mählde, in Rücksicht auf Aus- druck im Ganzen, analogisch ab, in be- schreibende und han- delnde Dar- stellung für das Auge: letztere wie- der, in lyri- sche und dra- matische.
Alles gebildete Kunstwerk welches Gegenstand des Vergnügens ist, theile ich ab, in beschreibende, und in handelnde Darstellung für das Auge.
Die beschreibende nenne ich darum so, weil man dabei analogisch verfährt, als wollte man Je- manden im Gespräch einen Begriff von einer Gestalt beibringen. Das berühmte Bild der Angelica von Ariost: di Persona era tanto ben formata, quanto mai finger san Pittori industri etc. ist eine Aufzählung der verschiedenen Merkmale wo- durch sich die Gestalt dieser Person von der Gestalt anderer, ohne Rücksicht auf das was sie gethan hat, unterscheidet. Die bildenden Künste haben nur hier den besondern Vorzug, diese Merkmale durch eine gleichzeitige Beäugung zur sinnlich sichtbaren Vor- stellung zu bringen. Inzwischen, in allen Fällen, wo der Künstler mir nur die Gestalt sichtbar sinnlich hat erkennen lassen wollen, nicht eine bestimmte Thä- tigkeit der Gestalt: da nenne ich das Bild, das die Absicht hat, mir die Gestalt in Ruhe zu liefern, analogisch: ein beschreibendes Bild. Charakter aber, Zeichen einer innern Kraft die thätig seyn könnte an der äußeren Gestalt, Phisiognomie, ge- hört mit zu ihren Merkmalen, und macht einen Theil derselben aus. Also, Landschaft, Blumenstück, Stilleben, Bildniß, würkliches und idealisirtes einer Menschenart, (die Gottheit der Alten,) allegorisch idealisirte Eigenschaft der Seele, (unser neueres alle- gorisches Abstraktum,) Kurz! alle Gestalt in Ruhe, wobei der Künstler nicht den Begriff ihrer sichtbaren Thätigkeit hat liefern wollen; -- ist beschreibendes Bild.
Die
Der kleine Pallaſt Farneſe.
Der Autor wagt eine neue Beſtim- mung ver- ſchiedener Gattungen von Mahle- reien. Er theilt die Ge- maͤhlde, in Ruͤckſicht auf Aus- druck im Ganzen, analogiſch ab, in be- ſchreibende und han- delnde Dar- ſtellung fuͤr das Auge: letztere wie- der, in lyri- ſche und dra- matiſche.
Alles gebildete Kunſtwerk welches Gegenſtand des Vergnuͤgens iſt, theile ich ab, in beſchreibende, und in handelnde Darſtellung fuͤr das Auge.
Die beſchreibende nenne ich darum ſo, weil man dabei analogiſch verfaͤhrt, als wollte man Je- manden im Geſpraͤch einen Begriff von einer Geſtalt beibringen. Das beruͤhmte Bild der Angelica von Arioſt: di Perſona era tanto ben formata, quanto mai finger ſan Pittori induſtri etc. iſt eine Aufzaͤhlung der verſchiedenen Merkmale wo- durch ſich die Geſtalt dieſer Perſon von der Geſtalt anderer, ohne Ruͤckſicht auf das was ſie gethan hat, unterſcheidet. Die bildenden Kuͤnſte haben nur hier den beſondern Vorzug, dieſe Merkmale durch eine gleichzeitige Beaͤugung zur ſinnlich ſichtbaren Vor- ſtellung zu bringen. Inzwiſchen, in allen Faͤllen, wo der Kuͤnſtler mir nur die Geſtalt ſichtbar ſinnlich hat erkennen laſſen wollen, nicht eine beſtimmte Thaͤ- tigkeit der Geſtalt: da nenne ich das Bild, das die Abſicht hat, mir die Geſtalt in Ruhe zu liefern, analogiſch: ein beſchreibendes Bild. Charakter aber, Zeichen einer innern Kraft die thaͤtig ſeyn koͤnnte an der aͤußeren Geſtalt, Phiſiognomie, ge- hoͤrt mit zu ihren Merkmalen, und macht einen Theil derſelben aus. Alſo, Landſchaft, Blumenſtuͤck, Stilleben, Bildniß, wuͤrkliches und idealiſirtes einer Menſchenart, (die Gottheit der Alten,) allegoriſch idealiſirte Eigenſchaft der Seele, (unſer neueres alle- goriſches Abſtraktum,) Kurz! alle Geſtalt in Ruhe, wobei der Kuͤnſtler nicht den Begriff ihrer ſichtbaren Thaͤtigkeit hat liefern wollen; — iſt beſchreibendes Bild.
Die
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Der kleine Pallaſt Farneſe.
Alles gebildete Kunſtwerk welches Gegenſtand
des Vergnuͤgens iſt, theile ich ab, in beſchreibende,
und in handelnde Darſtellung fuͤr das Auge.
Die beſchreibende nenne ich darum ſo, weil
man dabei analogiſch verfaͤhrt, als wollte man Je-
manden im Geſpraͤch einen Begriff von einer Geſtalt
beibringen. Das beruͤhmte Bild der Angelica von
Arioſt: di Perſona era tanto ben formata,
quanto mai finger ſan Pittori induſtri etc.
iſt eine Aufzaͤhlung der verſchiedenen Merkmale wo-
durch ſich die Geſtalt dieſer Perſon von der Geſtalt
anderer, ohne Ruͤckſicht auf das was ſie gethan hat,
unterſcheidet. Die bildenden Kuͤnſte haben nur hier
den beſondern Vorzug, dieſe Merkmale durch eine
gleichzeitige Beaͤugung zur ſinnlich ſichtbaren Vor-
ſtellung zu bringen. Inzwiſchen, in allen Faͤllen,
wo der Kuͤnſtler mir nur die Geſtalt ſichtbar ſinnlich
hat erkennen laſſen wollen, nicht eine beſtimmte Thaͤ-
tigkeit der Geſtalt: da nenne ich das Bild, das die
Abſicht hat, mir die Geſtalt in Ruhe zu liefern,
analogiſch: ein beſchreibendes Bild. Charakter
aber, Zeichen einer innern Kraft die thaͤtig ſeyn
koͤnnte an der aͤußeren Geſtalt, Phiſiognomie, ge-
hoͤrt mit zu ihren Merkmalen, und macht einen Theil
derſelben aus. Alſo, Landſchaft, Blumenſtuͤck,
Stilleben, Bildniß, wuͤrkliches und idealiſirtes einer
Menſchenart, (die Gottheit der Alten,) allegoriſch
idealiſirte Eigenſchaft der Seele, (unſer neueres alle-
goriſches Abſtraktum,) Kurz! alle Geſtalt in Ruhe,
wobei der Kuͤnſtler nicht den Begriff ihrer ſichtbaren
Thaͤtigkeit hat liefern wollen; — iſt beſchreibendes
Bild.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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