Ich gestehe, daß ich diese Composition nicht billigen kann.
Es ist nicht genung, wie mich dünkt, daß mehrere Personen in einem Gemählde darum verei- nigt angetroffen werden, weil man sie sich vereinigt denken kann: es sey, daß sie durch Aehnlichkeit ihres Charakters, ihrer Bestimmung, ihrer Schicksale znsammengezählt werden, oder daß sie sich der Erin- nerung bei der Nennung ihres Namens zu gleicher Zeit darstellen. Nein! ich will, daß ein sichtbarer gemeinschaftlicher Zweck sie zusammenbringe, daß sie zusammen stehen, weil ich sie zusammen handeln sehe; Kurz! daß der Grund, aus dem ich mir ihre Ver- einigung erkläre, in dem Bilde selbst liege, nicht in der Erinnerung an ihre homogenen Eigenschaften.
Ein jedes Gemählde von mehreren Figuren muß eine dramatische und wenn man lieber will, eine pan- tomimische Situation enthalten; die Darstellung einer coexistirenden Handlung; keine Aufzählung der Akteurs.
Ich würde es dem Raphael schlechten Dank wissen, wenn er die Philosophen in der Schule von Athen, oder die Kirchenväter in dem Streit über das heilige Testament, selbst den Apollo und die Mu- sen in seinem Parnaß mit getrenntem Antheile an einer aktuellen Beschäfftigung nur darum zusammengerei- het hätte, weil sie einen gemeinschaftlichen Nahmen führen, oder eine gemeinschaftliche Bestimmung ha- ben, wornach ich ihr Zusammenstreben nicht gegen- wärtig bemerke.
Man
Villa Albani.
Ich geſtehe, daß ich dieſe Compoſition nicht billigen kann.
Es iſt nicht genung, wie mich duͤnkt, daß mehrere Perſonen in einem Gemaͤhlde darum verei- nigt angetroffen werden, weil man ſie ſich vereinigt denken kann: es ſey, daß ſie durch Aehnlichkeit ihres Charakters, ihrer Beſtimmung, ihrer Schickſale znſammengezaͤhlt werden, oder daß ſie ſich der Erin- nerung bei der Nennung ihres Namens zu gleicher Zeit darſtellen. Nein! ich will, daß ein ſichtbarer gemeinſchaftlicher Zweck ſie zuſammenbringe, daß ſie zuſammen ſtehen, weil ich ſie zuſammen handeln ſehe; Kurz! daß der Grund, aus dem ich mir ihre Ver- einigung erklaͤre, in dem Bilde ſelbſt liege, nicht in der Erinnerung an ihre homogenen Eigenſchaften.
Ein jedes Gemaͤhlde von mehreren Figuren muß eine dramatiſche und wenn man lieber will, eine pan- tomimiſche Situation enthalten; die Darſtellung einer coexiſtirenden Handlung; keine Aufzaͤhlung der Akteurs.
Ich wuͤrde es dem Raphael ſchlechten Dank wiſſen, wenn er die Philoſophen in der Schule von Athen, oder die Kirchenvaͤter in dem Streit uͤber das heilige Teſtament, ſelbſt den Apollo und die Mu- ſen in ſeinem Parnaß mit getrenntem Antheile an einer aktuellen Beſchaͤfftigung nur darum zuſammengerei- het haͤtte, weil ſie einen gemeinſchaftlichen Nahmen fuͤhren, oder eine gemeinſchaftliche Beſtimmung ha- ben, wornach ich ihr Zuſammenſtreben nicht gegen- waͤrtig bemerke.
Man
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[26/0040]
Villa Albani.
Ich geſtehe, daß ich dieſe Compoſition nicht
billigen kann.
Es iſt nicht genung, wie mich duͤnkt, daß
mehrere Perſonen in einem Gemaͤhlde darum verei-
nigt angetroffen werden, weil man ſie ſich vereinigt
denken kann: es ſey, daß ſie durch Aehnlichkeit ihres
Charakters, ihrer Beſtimmung, ihrer Schickſale
znſammengezaͤhlt werden, oder daß ſie ſich der Erin-
nerung bei der Nennung ihres Namens zu gleicher
Zeit darſtellen. Nein! ich will, daß ein ſichtbarer
gemeinſchaftlicher Zweck ſie zuſammenbringe, daß ſie
zuſammen ſtehen, weil ich ſie zuſammen handeln ſehe;
Kurz! daß der Grund, aus dem ich mir ihre Ver-
einigung erklaͤre, in dem Bilde ſelbſt liege, nicht in
der Erinnerung an ihre homogenen Eigenſchaften.
Ein jedes Gemaͤhlde von mehreren Figuren muß
eine dramatiſche und wenn man lieber will, eine pan-
tomimiſche Situation enthalten; die Darſtellung
einer coexiſtirenden Handlung; keine Aufzaͤhlung der
Akteurs.
Ich wuͤrde es dem Raphael ſchlechten Dank
wiſſen, wenn er die Philoſophen in der Schule von
Athen, oder die Kirchenvaͤter in dem Streit uͤber
das heilige Teſtament, ſelbſt den Apollo und die Mu-
ſen in ſeinem Parnaß mit getrenntem Antheile an einer
aktuellen Beſchaͤfftigung nur darum zuſammengerei-
het haͤtte, weil ſie einen gemeinſchaftlichen Nahmen
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/40>, abgerufen am 02.03.2025.
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