ist, entgeht selten die Anmaaßung, der Zwang, das Unbestimmte der Nachahmung.
Inzwischen muß auch hier wieder unterschieden werden, ob der eigenthümliche Vorzug eine große Fertigkeit in der Ausführung oder nur Weisheit in der Composition voraussetzt. Poussin hat zum Bei- spiel viele eigenthümliche Vorzüge in seiner Zusammen- setzung, wenige in der Ausführung. Es wird viel- leicht nicht unmöglich seyn, mich mit einer Copie nach dem Tode des Germanicus von Poussin zu hinter- gehen, aber schwerlich mit einer Copie nach der Trans- figuration Raphaels.
Der Copist hat selten denjenigen Theil, worin sein Vorbild Meisterstück ist, besonders ausgebildet, und in neueren Zeiten ist die Methode, nur einem Vorzuge hauptsächlich nachzustreben, ganz veraltet.
Eine andere Bemerkung, die hier nicht aus der Acht zu lassen ist: Gemählde, die durch Würkung sehr abstechender Farben, oder sehr abstechender Lichter frappiren, lassen sich leichter nachahmen, als sehr hell und sanft gehaltene Gemählde. Unterschei- dungszeichen werden dort auffallender, mithin die Aehnlichkeit leichter zu erkennen, und unsere Aufmerk- samkeit weniger zum Auseinanderkennen gespannt. Ich kenne viele glückliche Copien nach Rembrandt und keine einzige nach Correggio.
Ferner: alle Meister die manierirt sind, wer- den leichter nachgeahmt als diejenigen, welche der Natur treu gefolgt sind. Jene haben nur eine Ver- fahrungsart, diese unzählige. Ich kenne viele glück-
liche
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Pallaſt Barberini.
iſt, entgeht ſelten die Anmaaßung, der Zwang, das Unbeſtimmte der Nachahmung.
Inzwiſchen muß auch hier wieder unterſchieden werden, ob der eigenthuͤmliche Vorzug eine große Fertigkeit in der Ausfuͤhrung oder nur Weisheit in der Compoſition vorausſetzt. Pouſſin hat zum Bei- ſpiel viele eigenthuͤmliche Vorzuͤge in ſeiner Zuſammen- ſetzung, wenige in der Ausfuͤhrung. Es wird viel- leicht nicht unmoͤglich ſeyn, mich mit einer Copie nach dem Tode des Germanicus von Pouſſin zu hinter- gehen, aber ſchwerlich mit einer Copie nach der Trans- figuration Raphaels.
Der Copiſt hat ſelten denjenigen Theil, worin ſein Vorbild Meiſterſtuͤck iſt, beſonders ausgebildet, und in neueren Zeiten iſt die Methode, nur einem Vorzuge hauptſaͤchlich nachzuſtreben, ganz veraltet.
Eine andere Bemerkung, die hier nicht aus der Acht zu laſſen iſt: Gemaͤhlde, die durch Wuͤrkung ſehr abſtechender Farben, oder ſehr abſtechender Lichter frappiren, laſſen ſich leichter nachahmen, als ſehr hell und ſanft gehaltene Gemaͤhlde. Unterſchei- dungszeichen werden dort auffallender, mithin die Aehnlichkeit leichter zu erkennen, und unſere Aufmerk- ſamkeit weniger zum Auseinanderkennen geſpannt. Ich kenne viele gluͤckliche Copien nach Rembrandt und keine einzige nach Correggio.
Ferner: alle Meiſter die manierirt ſind, wer- den leichter nachgeahmt als diejenigen, welche der Natur treu gefolgt ſind. Jene haben nur eine Ver- fahrungsart, dieſe unzaͤhlige. Ich kenne viele gluͤck-
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Pallaſt Barberini.
iſt, entgeht ſelten die Anmaaßung, der Zwang, das
Unbeſtimmte der Nachahmung.
Inzwiſchen muß auch hier wieder unterſchieden
werden, ob der eigenthuͤmliche Vorzug eine große
Fertigkeit in der Ausfuͤhrung oder nur Weisheit in
der Compoſition vorausſetzt. Pouſſin hat zum Bei-
ſpiel viele eigenthuͤmliche Vorzuͤge in ſeiner Zuſammen-
ſetzung, wenige in der Ausfuͤhrung. Es wird viel-
leicht nicht unmoͤglich ſeyn, mich mit einer Copie nach
dem Tode des Germanicus von Pouſſin zu hinter-
gehen, aber ſchwerlich mit einer Copie nach der Trans-
figuration Raphaels.
Der Copiſt hat ſelten denjenigen Theil, worin
ſein Vorbild Meiſterſtuͤck iſt, beſonders ausgebildet,
und in neueren Zeiten iſt die Methode, nur einem
Vorzuge hauptſaͤchlich nachzuſtreben, ganz veraltet.
Eine andere Bemerkung, die hier nicht aus der
Acht zu laſſen iſt: Gemaͤhlde, die durch Wuͤrkung
ſehr abſtechender Farben, oder ſehr abſtechender
Lichter frappiren, laſſen ſich leichter nachahmen, als
ſehr hell und ſanft gehaltene Gemaͤhlde. Unterſchei-
dungszeichen werden dort auffallender, mithin die
Aehnlichkeit leichter zu erkennen, und unſere Aufmerk-
ſamkeit weniger zum Auseinanderkennen geſpannt.
Ich kenne viele gluͤckliche Copien nach Rembrandt
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/331>, abgerufen am 16.02.2025.
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