einer Handlung vereinigten Personen unserer Theil- nehmung am würdigsten? Und da antworte ich: der- jenige, der den vollständigsten, den bestimmtesten, und den abwechselndsten Ausdruck motivirt.
Ich habe von jeher eine größere historische Com- position als ein stillstehendes pantomimisches Drama betrachtet, das von der fortschreitenden Pantomime sich dadurch unterscheidet, daß es mit einem Male verstanden und empfunden werden muß.
Das Interesse, welches wir daran nehmen, scheint, in Rücksicht auf Ausdruck, auf dem nämli- chen Grunde zu beruhen, worauf das Interesse an jeder dramatischen Darstellung gebauet ist. Unsere Neugierde will zu gleicher Zeit unterhalten und be- friedigt, gereizt und gestillet seyn. Wir verlangen eine Verwickelung, einen Knoten, neben der Auflö- sung; eine Schwierigkeit neben der Erklärung, in dem angehefteten pantomimischen Auftritte, wie in dem pantomimischen Drama, worin sich mehrere Auftritte folgen.
Sonderbar! wird man rufen; und doch ist nichts natürlicher, nichts sicherer, nichts auf eine tägliche Erfahrung unumstößlicher gebauet. War- um zieht ein Haufen zusammengedrängten Volkes den Blick des Mannes aus dem Fenster, oder aus einer andern Entfernung an sich? Die Scene ist be- reits geordnet, er hat sie nicht entstehen sehen, er hört nicht die Worte, welche die dabei interessirten Menschen sprechen; sie suchen nicht sich ihm verständ- lich zu machen: Aber ihre Thätigkeit spannt seine Neugierde, er sucht nach dem Motive: Er findet es, er löset auf, er ist unterhalten.
Also
T 3
Pallaſt Barberini.
einer Handlung vereinigten Perſonen unſerer Theil- nehmung am wuͤrdigſten? Und da antworte ich: der- jenige, der den vollſtaͤndigſten, den beſtimmteſten, und den abwechſelndſten Ausdruck motivirt.
Ich habe von jeher eine groͤßere hiſtoriſche Com- poſition als ein ſtillſtehendes pantomimiſches Drama betrachtet, das von der fortſchreitenden Pantomime ſich dadurch unterſcheidet, daß es mit einem Male verſtanden und empfunden werden muß.
Das Intereſſe, welches wir daran nehmen, ſcheint, in Ruͤckſicht auf Ausdruck, auf dem naͤmli- chen Grunde zu beruhen, worauf das Intereſſe an jeder dramatiſchen Darſtellung gebauet iſt. Unſere Neugierde will zu gleicher Zeit unterhalten und be- friedigt, gereizt und geſtillet ſeyn. Wir verlangen eine Verwickelung, einen Knoten, neben der Aufloͤ- ſung; eine Schwierigkeit neben der Erklaͤrung, in dem angehefteten pantomimiſchen Auftritte, wie in dem pantomimiſchen Drama, worin ſich mehrere Auftritte folgen.
Sonderbar! wird man rufen; und doch iſt nichts natuͤrlicher, nichts ſicherer, nichts auf eine taͤgliche Erfahrung unumſtoͤßlicher gebauet. War- um zieht ein Haufen zuſammengedraͤngten Volkes den Blick des Mannes aus dem Fenſter, oder aus einer andern Entfernung an ſich? Die Scene iſt be- reits geordnet, er hat ſie nicht entſtehen ſehen, er hoͤrt nicht die Worte, welche die dabei intereſſirten Menſchen ſprechen; ſie ſuchen nicht ſich ihm verſtaͤnd- lich zu machen: Aber ihre Thaͤtigkeit ſpannt ſeine Neugierde, er ſucht nach dem Motive: Er findet es, er loͤſet auf, er iſt unterhalten.
Alſo
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Pallaſt Barberini.
einer Handlung vereinigten Perſonen unſerer Theil-
nehmung am wuͤrdigſten? Und da antworte ich: der-
jenige, der den vollſtaͤndigſten, den beſtimmteſten,
und den abwechſelndſten Ausdruck motivirt.
Ich habe von jeher eine groͤßere hiſtoriſche Com-
poſition als ein ſtillſtehendes pantomimiſches Drama
betrachtet, das von der fortſchreitenden Pantomime
ſich dadurch unterſcheidet, daß es mit einem Male
verſtanden und empfunden werden muß.
Das Intereſſe, welches wir daran nehmen,
ſcheint, in Ruͤckſicht auf Ausdruck, auf dem naͤmli-
chen Grunde zu beruhen, worauf das Intereſſe an
jeder dramatiſchen Darſtellung gebauet iſt. Unſere
Neugierde will zu gleicher Zeit unterhalten und be-
friedigt, gereizt und geſtillet ſeyn. Wir verlangen
eine Verwickelung, einen Knoten, neben der Aufloͤ-
ſung; eine Schwierigkeit neben der Erklaͤrung, in
dem angehefteten pantomimiſchen Auftritte, wie in
dem pantomimiſchen Drama, worin ſich mehrere
Auftritte folgen.
Sonderbar! wird man rufen; und doch iſt
nichts natuͤrlicher, nichts ſicherer, nichts auf eine
taͤgliche Erfahrung unumſtoͤßlicher gebauet. War-
um zieht ein Haufen zuſammengedraͤngten Volkes
den Blick des Mannes aus dem Fenſter, oder aus
einer andern Entfernung an ſich? Die Scene iſt be-
reits geordnet, er hat ſie nicht entſtehen ſehen, er
hoͤrt nicht die Worte, welche die dabei intereſſirten
Menſchen ſprechen; ſie ſuchen nicht ſich ihm verſtaͤnd-
lich zu machen: Aber ihre Thaͤtigkeit ſpannt ſeine
Neugierde, er ſucht nach dem Motive: Er findet
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/307>, abgerufen am 16.02.2025.
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