Dies ist hier der Fall. Die Mahlereien des Pietro da Cortona enthalten eine Gallerie von Ge- mählden eines Meisters, denen nichts als der Rahme fehlt, um sich von einander abzusondern: Und es scheint würklich, der Rahme würde hier keinen un- wesentlichen Dienst geleistet haben, theils um die un- schickliche Durcheinanderwerfung heidnischer und christlicher Vorstellungen zu vermeiden; theils den Standort näher zu bestimmen, aus dem das Einzelne perspektivisch richtig und doch nicht unförmlich erschei- nen soll; überhaupt aber, um aller Verwirrung vor- zubeugen. Die Allegorie hätte dadurch an Deutlich- keit nicht verlohren, weil das Mittelgemählde die Beziehung der übrigen Gemählde hinreichend würde angedeutet haben. Freilich wäre die Decke dann nur eine Gallerie geblieben, in der man zur Ehre des Besitzers Gemählde aufgestellt hätte, welche durch würkliche Beispiele die abgezogenen Begriffe seiner Tugenden versinnlichen sollten; und jetzt sieht man den Himmel offen, man sieht eine Erscheinung. Aber welchen Himmel? In dem personificirte Ab- stracta christlicher und heidnischer Tugenden, sogar bestimmte Charaktere von Gottheiten, durcheinan- der schweben, und auf die abentheuerlichste Art!
Das Auge hat die größte Mühe, die einzelnen Vorstellungen auseinander zu trennen. Nirgends findet es Ruhe.
Ein Sturmwind scheint die Figuren an ihren Platz geworfen zu haben. Das Feuer des Mahlers zeigt sich in ungebändigter Einbildungskraft. Die Stellungen sind übertrieben: die Köpfe ohne Ausdruck
und
S 3
Pallaſt Barberini.
Dies iſt hier der Fall. Die Mahlereien des Pietro da Cortona enthalten eine Gallerie von Ge- maͤhlden eines Meiſters, denen nichts als der Rahme fehlt, um ſich von einander abzuſondern: Und es ſcheint wuͤrklich, der Rahme wuͤrde hier keinen un- weſentlichen Dienſt geleiſtet haben, theils um die un- ſchickliche Durcheinanderwerfung heidniſcher und chriſtlicher Vorſtellungen zu vermeiden; theils den Standort naͤher zu beſtimmen, aus dem das Einzelne perſpektiviſch richtig und doch nicht unfoͤrmlich erſchei- nen ſoll; uͤberhaupt aber, um aller Verwirrung vor- zubeugen. Die Allegorie haͤtte dadurch an Deutlich- keit nicht verlohren, weil das Mittelgemaͤhlde die Beziehung der uͤbrigen Gemaͤhlde hinreichend wuͤrde angedeutet haben. Freilich waͤre die Decke dann nur eine Gallerie geblieben, in der man zur Ehre des Beſitzers Gemaͤhlde aufgeſtellt haͤtte, welche durch wuͤrkliche Beiſpiele die abgezogenen Begriffe ſeiner Tugenden verſinnlichen ſollten; und jetzt ſieht man den Himmel offen, man ſieht eine Erſcheinung. Aber welchen Himmel? In dem perſonificirte Ab- ſtracta chriſtlicher und heidniſcher Tugenden, ſogar beſtimmte Charaktere von Gottheiten, durcheinan- der ſchweben, und auf die abentheuerlichſte Art!
Das Auge hat die groͤßte Muͤhe, die einzelnen Vorſtellungen auseinander zu trennen. Nirgends findet es Ruhe.
Ein Sturmwind ſcheint die Figuren an ihren Platz geworfen zu haben. Das Feuer des Mahlers zeigt ſich in ungebaͤndigter Einbildungskraft. Die Stellungen ſind uͤbertrieben: die Koͤpfe ohne Ausdruck
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Pallaſt Barberini.
Dies iſt hier der Fall. Die Mahlereien des
Pietro da Cortona enthalten eine Gallerie von Ge-
maͤhlden eines Meiſters, denen nichts als der Rahme
fehlt, um ſich von einander abzuſondern: Und es
ſcheint wuͤrklich, der Rahme wuͤrde hier keinen un-
weſentlichen Dienſt geleiſtet haben, theils um die un-
ſchickliche Durcheinanderwerfung heidniſcher und
chriſtlicher Vorſtellungen zu vermeiden; theils den
Standort naͤher zu beſtimmen, aus dem das Einzelne
perſpektiviſch richtig und doch nicht unfoͤrmlich erſchei-
nen ſoll; uͤberhaupt aber, um aller Verwirrung vor-
zubeugen. Die Allegorie haͤtte dadurch an Deutlich-
keit nicht verlohren, weil das Mittelgemaͤhlde die
Beziehung der uͤbrigen Gemaͤhlde hinreichend wuͤrde
angedeutet haben. Freilich waͤre die Decke dann
nur eine Gallerie geblieben, in der man zur Ehre des
Beſitzers Gemaͤhlde aufgeſtellt haͤtte, welche durch
wuͤrkliche Beiſpiele die abgezogenen Begriffe ſeiner
Tugenden verſinnlichen ſollten; und jetzt ſieht man
den Himmel offen, man ſieht eine Erſcheinung.
Aber welchen Himmel? In dem perſonificirte Ab-
ſtracta chriſtlicher und heidniſcher Tugenden, ſogar
beſtimmte Charaktere von Gottheiten, durcheinan-
der ſchweben, und auf die abentheuerlichſte Art!
Das Auge hat die groͤßte Muͤhe, die einzelnen
Vorſtellungen auseinander zu trennen. Nirgends
findet es Ruhe.
Ein Sturmwind ſcheint die Figuren an ihren
Platz geworfen zu haben. Das Feuer des Mahlers
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/291>, abgerufen am 16.02.2025.
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