angenehme Gefühl, das aus Gewahrnehmung des Wahren entsteht, weit überwiegen.
Der Ausdruck einer verworfenen Seele liegt weit mehr in den beweglichen Theilen des Körpers, als in den festen. Man wird nicht allein alle schönen See- len in einem entstellten Körper durch Reproduction ihrer körperlichen Fehler in einer scheußlichen Rolle beleidigen, man wird auch gegen die Erfahrung han- deln, die uns oft die schlechtesten Menschen unter an- genehmen Gestalten zeigt. Ja! oft ist es gerade zu unwahrscheinlich, daß eine Seele, die auf eine so auffallende Art am Körper gezeichnet ist, sich das Vertrauen der mithandelnden Personen habe erwer- ben können, z. E. im Judas Ischarioth. Ich ver- lange keine Schönheiten, nur gleichgültige Gestalten, die durch ihre festen Theile nicht beleidigen, und durch ihre beweglichen die Verworfenheit ihres Cha- rakters deutlich genung an den Tag legen.
Ich weiß, daß dies viel schwerer ist, als Carri- caturen zu mahlen, ich weiß, daß ein sehr feines Gefühl dazu gehört, den Punkt zu treffen, wo Aus- druck mit dem Gesetz: nichts Widriges darzustellen, zusammentrifft. Aber so lange wir den Kopf des Carracalla im Pallast Farnese, die Köpfe eines Ra- phaels, und das Höchste der Kunst in diesem Stücke, die Köpfe des Paris, die sich auf uns erhalten haben, bewundern, so lange dürfen wir an der Möglichkeit nicht verzweifeln.
Das
Pallaſt Boccapaduli.
angenehme Gefuͤhl, das aus Gewahrnehmung des Wahren entſteht, weit uͤberwiegen.
Der Ausdruck einer verworfenen Seele liegt weit mehr in den beweglichen Theilen des Koͤrpers, als in den feſten. Man wird nicht allein alle ſchoͤnen See- len in einem entſtellten Koͤrper durch Reproduction ihrer koͤrperlichen Fehler in einer ſcheußlichen Rolle beleidigen, man wird auch gegen die Erfahrung han- deln, die uns oft die ſchlechteſten Menſchen unter an- genehmen Geſtalten zeigt. Ja! oft iſt es gerade zu unwahrſcheinlich, daß eine Seele, die auf eine ſo auffallende Art am Koͤrper gezeichnet iſt, ſich das Vertrauen der mithandelnden Perſonen habe erwer- ben koͤnnen, z. E. im Judas Iſcharioth. Ich ver- lange keine Schoͤnheiten, nur gleichguͤltige Geſtalten, die durch ihre feſten Theile nicht beleidigen, und durch ihre beweglichen die Verworfenheit ihres Cha- rakters deutlich genung an den Tag legen.
Ich weiß, daß dies viel ſchwerer iſt, als Carri- caturen zu mahlen, ich weiß, daß ein ſehr feines Gefuͤhl dazu gehoͤrt, den Punkt zu treffen, wo Aus- druck mit dem Geſetz: nichts Widriges darzuſtellen, zuſammentrifft. Aber ſo lange wir den Kopf des Carracalla im Pallaſt Farneſe, die Koͤpfe eines Ra- phaels, und das Hoͤchſte der Kunſt in dieſem Stuͤcke, die Koͤpfe des Paris, die ſich auf uns erhalten haben, bewundern, ſo lange duͤrfen wir an der Moͤglichkeit nicht verzweifeln.
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Pallaſt Boccapaduli.
angenehme Gefuͤhl, das aus Gewahrnehmung des
Wahren entſteht, weit uͤberwiegen.
Der Ausdruck einer verworfenen Seele liegt weit
mehr in den beweglichen Theilen des Koͤrpers, als in
den feſten. Man wird nicht allein alle ſchoͤnen See-
len in einem entſtellten Koͤrper durch Reproduction
ihrer koͤrperlichen Fehler in einer ſcheußlichen Rolle
beleidigen, man wird auch gegen die Erfahrung han-
deln, die uns oft die ſchlechteſten Menſchen unter an-
genehmen Geſtalten zeigt. Ja! oft iſt es gerade zu
unwahrſcheinlich, daß eine Seele, die auf eine ſo
auffallende Art am Koͤrper gezeichnet iſt, ſich das
Vertrauen der mithandelnden Perſonen habe erwer-
ben koͤnnen, z. E. im Judas Iſcharioth. Ich ver-
lange keine Schoͤnheiten, nur gleichguͤltige Geſtalten,
die durch ihre feſten Theile nicht beleidigen, und
durch ihre beweglichen die Verworfenheit ihres Cha-
rakters deutlich genung an den Tag legen.
Ich weiß, daß dies viel ſchwerer iſt, als Carri-
caturen zu mahlen, ich weiß, daß ein ſehr feines
Gefuͤhl dazu gehoͤrt, den Punkt zu treffen, wo Aus-
druck mit dem Geſetz: nichts Widriges darzuſtellen,
zuſammentrifft. Aber ſo lange wir den Kopf des
Carracalla im Pallaſt Farneſe, die Koͤpfe eines Ra-
phaels, und das Hoͤchſte der Kunſt in dieſem Stuͤcke,
die Koͤpfe des Paris, die ſich auf uns erhalten haben,
bewundern, ſo lange duͤrfen wir an der Moͤglichkeit
nicht verzweifeln.
Das
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/265>, abgerufen am 16.02.2025.
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