genung. Die Menschen, an denen der Künstler wahres Erstaunen ausdrücken wollte, spielen es nur durch übertriebene Gebärden. Inzwischen giebt es auch einzelne schöne Figuren auf diesem Bilde. Hie- her gehört der Mann, der anbetet, und in dessen Schooße sich ein schüchternes Kind verbirgt.
Die mahlerische Anordnung dieses Bildes ist schön. Die Gewänder sind gut gedacht, aber trocken ausgeführt. Man merkt ihnen zu sehr den Glieder- mann an.
Die Ehe, unter dem Bilde der Einseg- nung des heil. Josephs und der Maria. Was dem Poussin oft zu wiederfahren pflegte, ist ihm auch hier wiederfahren: Die beiden Hauptfiguren Jo- sephs und der Maria sind am wenigsten schön, und am unbedeutendsten im Ausdruck. Unter den Zuschauern giebt es viel schönere und viel interessantere Figuren. Vorzüglich wird man den Ausdruck andächtiger Theilnehmung in der alten Anna, und der Neugierde in einigen jungen Mädchen mit Gefallen bemerken.
Allein das Hauptverdienst dieses Gemähldes be- steht in der vortrefflichen Anordnung. Es wimmelt von Figuren, und dennoch nicht die geringste Un- ordnung; überall schön zusammen gruppirte Par- tien, die sich wieder zu einem schönen Ganzen ver- einigen. Es fehlt auch nicht an schönen Köpfen und Stellungen.
Die Drapperien sind sehr gut gedacht, aber auch hier zu ängstlich nach den Falten copirt, in die der Meister sie über den Gliedermann gekniffen hatte.
Die
Pallaſt Boccapaduli.
genung. Die Menſchen, an denen der Kuͤnſtler wahres Erſtaunen ausdruͤcken wollte, ſpielen es nur durch uͤbertriebene Gebaͤrden. Inzwiſchen giebt es auch einzelne ſchoͤne Figuren auf dieſem Bilde. Hie- her gehoͤrt der Mann, der anbetet, und in deſſen Schooße ſich ein ſchuͤchternes Kind verbirgt.
Die mahleriſche Anordnung dieſes Bildes iſt ſchoͤn. Die Gewaͤnder ſind gut gedacht, aber trocken ausgefuͤhrt. Man merkt ihnen zu ſehr den Glieder- mann an.
Die Ehe, unter dem Bilde der Einſeg- nung des heil. Joſephs und der Maria. Was dem Pouſſin oft zu wiederfahren pflegte, iſt ihm auch hier wiederfahren: Die beiden Hauptfiguren Jo- ſephs und der Maria ſind am wenigſten ſchoͤn, und am unbedeutendſten im Ausdruck. Unter den Zuſchauern giebt es viel ſchoͤnere und viel intereſſantere Figuren. Vorzuͤglich wird man den Ausdruck andaͤchtiger Theilnehmung in der alten Anna, und der Neugierde in einigen jungen Maͤdchen mit Gefallen bemerken.
Allein das Hauptverdienſt dieſes Gemaͤhldes be- ſteht in der vortrefflichen Anordnung. Es wimmelt von Figuren, und dennoch nicht die geringſte Un- ordnung; uͤberall ſchoͤn zuſammen gruppirte Par- tien, die ſich wieder zu einem ſchoͤnen Ganzen ver- einigen. Es fehlt auch nicht an ſchoͤnen Koͤpfen und Stellungen.
Die Drapperien ſind ſehr gut gedacht, aber auch hier zu aͤngſtlich nach den Falten copirt, in die der Meiſter ſie uͤber den Gliedermann gekniffen hatte.
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Pallaſt Boccapaduli.
genung. Die Menſchen, an denen der Kuͤnſtler
wahres Erſtaunen ausdruͤcken wollte, ſpielen es nur
durch uͤbertriebene Gebaͤrden. Inzwiſchen giebt es
auch einzelne ſchoͤne Figuren auf dieſem Bilde. Hie-
her gehoͤrt der Mann, der anbetet, und in deſſen
Schooße ſich ein ſchuͤchternes Kind verbirgt.
Die mahleriſche Anordnung dieſes Bildes iſt
ſchoͤn. Die Gewaͤnder ſind gut gedacht, aber trocken
ausgefuͤhrt. Man merkt ihnen zu ſehr den Glieder-
mann an.
Die Ehe, unter dem Bilde der Einſeg-
nung des heil. Joſephs und der Maria. Was
dem Pouſſin oft zu wiederfahren pflegte, iſt ihm auch
hier wiederfahren: Die beiden Hauptfiguren Jo-
ſephs und der Maria ſind am wenigſten ſchoͤn, und am
unbedeutendſten im Ausdruck. Unter den Zuſchauern
giebt es viel ſchoͤnere und viel intereſſantere Figuren.
Vorzuͤglich wird man den Ausdruck andaͤchtiger
Theilnehmung in der alten Anna, und der Neugierde
in einigen jungen Maͤdchen mit Gefallen bemerken.
Allein das Hauptverdienſt dieſes Gemaͤhldes be-
ſteht in der vortrefflichen Anordnung. Es wimmelt
von Figuren, und dennoch nicht die geringſte Un-
ordnung; uͤberall ſchoͤn zuſammen gruppirte Par-
tien, die ſich wieder zu einem ſchoͤnen Ganzen ver-
einigen. Es fehlt auch nicht an ſchoͤnen Koͤpfen und
Stellungen.
Die Drapperien ſind ſehr gut gedacht, aber
auch hier zu aͤngſtlich nach den Falten copirt, in
die der Meiſter ſie uͤber den Gliedermann gekniffen
hatte.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/262>, abgerufen am 16.02.2025.
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