das Gräßliche des letzten Abschieds, der grauen- vollen Einweihung zum Tode fühlen: Nein! er hat uns eine getreue Beschreibung der Umstände geliefert, die eine Ceremonie der Kirche zu begleiten pflegen.
So wenig ich diese Wahl billigen kann, so sehr bewundere ich die mahlerische Anordnung in diesem Bilde. Die Figuren sind vortrefflich zusammen gruppirt, sie hängen sehr gut zusammen, und jede einzelne ist mit großer Weisheit gestellt. Man be- merkt durchaus schöne Köpfe, und gute Verhältnisse, in der Zeichnung des Nackenden. Die Gewänder sind gut gedacht, nur zu ängstlich und trocken ausge- führt. Die Färbung ist wie gewöhnlich verblichen, und düster. Bey dem Helldunklen hat der Künstler nicht die Natur zu Rathe gezogen; sonst würde er den Abglanz oder den Schein der Fackel angedeutet haben, die der Acolyth in Händen trägt, und deren Licht gegenwärtig nur einen hellen Fleck macht.
Schon in diesem Bilde finde ich einen Beweis von Poussins wahrer Schwatzhaftigkeit im Herer- zählen desjenigen, was einem jeden deutlich war. Wen wird die Handlung selbst nicht darauf führen, daß hier ein Christ stirbt? Inzwischen Poussin war damit nicht zufrieden: er mahlt ein Schild an die Wand mit dem Anagramm
[Abbildung]
pro Christo: den christlichen Streiter anzuzeigen.
Ich weiß inzwischen nicht mehr genau, ob dieser Zug sich auf unserm Bilde, oder auf der Wieder- holung desselben Süjets in Paris befindet.
St. Johannes tauft das Volk im Jordan. Das Süjet scheint keines sehr interessanten und ab-
wech-
Pallaſt Boccapaduli.
das Graͤßliche des letzten Abſchieds, der grauen- vollen Einweihung zum Tode fuͤhlen: Nein! er hat uns eine getreue Beſchreibung der Umſtaͤnde geliefert, die eine Ceremonie der Kirche zu begleiten pflegen.
So wenig ich dieſe Wahl billigen kann, ſo ſehr bewundere ich die mahleriſche Anordnung in dieſem Bilde. Die Figuren ſind vortrefflich zuſammen gruppirt, ſie haͤngen ſehr gut zuſammen, und jede einzelne iſt mit großer Weisheit geſtellt. Man be- merkt durchaus ſchoͤne Koͤpfe, und gute Verhaͤltniſſe, in der Zeichnung des Nackenden. Die Gewaͤnder ſind gut gedacht, nur zu aͤngſtlich und trocken ausge- fuͤhrt. Die Faͤrbung iſt wie gewoͤhnlich verblichen, und duͤſter. Bey dem Helldunklen hat der Kuͤnſtler nicht die Natur zu Rathe gezogen; ſonſt wuͤrde er den Abglanz oder den Schein der Fackel angedeutet haben, die der Acolyth in Haͤnden traͤgt, und deren Licht gegenwaͤrtig nur einen hellen Fleck macht.
Schon in dieſem Bilde finde ich einen Beweis von Pouſſins wahrer Schwatzhaftigkeit im Herer- zaͤhlen desjenigen, was einem jeden deutlich war. Wen wird die Handlung ſelbſt nicht darauf fuͤhren, daß hier ein Chriſt ſtirbt? Inzwiſchen Pouſſin war damit nicht zufrieden: er mahlt ein Schild an die Wand mit dem Anagramm
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pro Chriſto: den chriſtlichen Streiter anzuzeigen.
Ich weiß inzwiſchen nicht mehr genau, ob dieſer Zug ſich auf unſerm Bilde, oder auf der Wieder- holung deſſelben Suͤjets in Paris befindet.
St. Johannes tauft das Volk im Jordan. Das Suͤjet ſcheint keines ſehr intereſſanten und ab-
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Pallaſt Boccapaduli.
das Graͤßliche des letzten Abſchieds, der grauen-
vollen Einweihung zum Tode fuͤhlen: Nein! er hat
uns eine getreue Beſchreibung der Umſtaͤnde geliefert,
die eine Ceremonie der Kirche zu begleiten pflegen.
So wenig ich dieſe Wahl billigen kann, ſo ſehr
bewundere ich die mahleriſche Anordnung in dieſem
Bilde. Die Figuren ſind vortrefflich zuſammen
gruppirt, ſie haͤngen ſehr gut zuſammen, und jede
einzelne iſt mit großer Weisheit geſtellt. Man be-
merkt durchaus ſchoͤne Koͤpfe, und gute Verhaͤltniſſe,
in der Zeichnung des Nackenden. Die Gewaͤnder
ſind gut gedacht, nur zu aͤngſtlich und trocken ausge-
fuͤhrt. Die Faͤrbung iſt wie gewoͤhnlich verblichen,
und duͤſter. Bey dem Helldunklen hat der Kuͤnſtler
nicht die Natur zu Rathe gezogen; ſonſt wuͤrde er
den Abglanz oder den Schein der Fackel angedeutet
haben, die der Acolyth in Haͤnden traͤgt, und deren
Licht gegenwaͤrtig nur einen hellen Fleck macht.
Schon in dieſem Bilde finde ich einen Beweis
von Pouſſins wahrer Schwatzhaftigkeit im Herer-
zaͤhlen desjenigen, was einem jeden deutlich war.
Wen wird die Handlung ſelbſt nicht darauf fuͤhren,
daß hier ein Chriſt ſtirbt? Inzwiſchen Pouſſin war
damit nicht zufrieden: er mahlt ein Schild an die
Wand mit dem Anagramm
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pro Chriſto:
den chriſtlichen Streiter anzuzeigen.
Ich weiß inzwiſchen nicht mehr genau, ob dieſer
Zug ſich auf unſerm Bilde, oder auf der Wieder-
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/260>, abgerufen am 16.02.2025.
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