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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Boccapaduli.

+ Die letzte Oehlung. Dies Süjet scheintBeurthei-
lung der Ge-
mählde.

durch die Verschiedenheit und Deutlichkeit des Aus-
drucks der Affekten, die dabei in Bewegung kommen
können, zur mahlerischen Bearbeitung vorzüglich
geschickt.

Man denke sich in dem Sterbenden einen Andreas
Corsini des Guido. Zum letzten Male hat er die
Folge seiner Handlungen überschauet, und voll des
edelsten Zutrauens zu der Barmherzigkeit seines
Schöpfers geht er muthig der Einweihung zum Tode
entgegen. Er sieht den Priester begleitet von sei-
nem Gefolge sich in einiger Entfernung nähern,
und mit der letzten Anspannung seiner Kräfte,
unterstützt von einem alten Diener, richtet er sich noch
einmal in die Höhe; heftet seine sehnsuchtsvollen
Augen auf das Stärkungsmittel, das ihm dar-
gebracht wird, und tröstet durch den Druck seiner
Hände die verzweifelnde Gattin, die trostlose Mutter
und die jammernden Kinder. Wie sehr würde dieser
Ausdruck unserer gerührten Theilnehmung werth
seyn?

In Poussins Bilde ist der Sterbende durch den
unbeweglich liegenden halberstarrten Körper, durch
die gebrochenen Augen keines interessanten Ausdrucks
weiter fähig. Der Priester an sich eine der unin-
teressantesten Personen, die wir uns bei dieser Hand-
lung denken können, nimmt die Mitte des Bildes ein.
Sein Körper über den Sterbenden hingebogen, in-
dem er dessen Augen mit Oehl bestreicht, entzieht
dem Zuschauer größestentheils den Anblick des Ster-
benden. Vielleicht gewinnen wir noch dabei, denn

das
Q 2
Pallaſt Boccapaduli.

Die letzte Oehlung. Dies Suͤjet ſcheintBeurthei-
lung der Ge-
maͤhlde.

durch die Verſchiedenheit und Deutlichkeit des Aus-
drucks der Affekten, die dabei in Bewegung kommen
koͤnnen, zur mahleriſchen Bearbeitung vorzuͤglich
geſchickt.

Man denke ſich in dem Sterbenden einen Andreas
Corſini des Guido. Zum letzten Male hat er die
Folge ſeiner Handlungen uͤberſchauet, und voll des
edelſten Zutrauens zu der Barmherzigkeit ſeines
Schoͤpfers geht er muthig der Einweihung zum Tode
entgegen. Er ſieht den Prieſter begleitet von ſei-
nem Gefolge ſich in einiger Entfernung naͤhern,
und mit der letzten Anſpannung ſeiner Kraͤfte,
unterſtuͤtzt von einem alten Diener, richtet er ſich noch
einmal in die Hoͤhe; heftet ſeine ſehnſuchtsvollen
Augen auf das Staͤrkungsmittel, das ihm dar-
gebracht wird, und troͤſtet durch den Druck ſeiner
Haͤnde die verzweifelnde Gattin, die troſtloſe Mutter
und die jammernden Kinder. Wie ſehr wuͤrde dieſer
Ausdruck unſerer geruͤhrten Theilnehmung werth
ſeyn?

In Pouſſins Bilde iſt der Sterbende durch den
unbeweglich liegenden halberſtarrten Koͤrper, durch
die gebrochenen Augen keines intereſſanten Ausdrucks
weiter faͤhig. Der Prieſter an ſich eine der unin-
tereſſanteſten Perſonen, die wir uns bei dieſer Hand-
lung denken koͤnnen, nimmt die Mitte des Bildes ein.
Sein Koͤrper uͤber den Sterbenden hingebogen, in-
dem er deſſen Augen mit Oehl beſtreicht, entzieht
dem Zuſchauer groͤßeſtentheils den Anblick des Ster-
benden. Vielleicht gewinnen wir noch dabei, denn

das
Q 2
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[243/0257] Pallaſt Boccapaduli. † Die letzte Oehlung. Dies Suͤjet ſcheint durch die Verſchiedenheit und Deutlichkeit des Aus- drucks der Affekten, die dabei in Bewegung kommen koͤnnen, zur mahleriſchen Bearbeitung vorzuͤglich geſchickt. Beurthei- lung der Ge- maͤhlde. Man denke ſich in dem Sterbenden einen Andreas Corſini des Guido. Zum letzten Male hat er die Folge ſeiner Handlungen uͤberſchauet, und voll des edelſten Zutrauens zu der Barmherzigkeit ſeines Schoͤpfers geht er muthig der Einweihung zum Tode entgegen. Er ſieht den Prieſter begleitet von ſei- nem Gefolge ſich in einiger Entfernung naͤhern, und mit der letzten Anſpannung ſeiner Kraͤfte, unterſtuͤtzt von einem alten Diener, richtet er ſich noch einmal in die Hoͤhe; heftet ſeine ſehnſuchtsvollen Augen auf das Staͤrkungsmittel, das ihm dar- gebracht wird, und troͤſtet durch den Druck ſeiner Haͤnde die verzweifelnde Gattin, die troſtloſe Mutter und die jammernden Kinder. Wie ſehr wuͤrde dieſer Ausdruck unſerer geruͤhrten Theilnehmung werth ſeyn? In Pouſſins Bilde iſt der Sterbende durch den unbeweglich liegenden halberſtarrten Koͤrper, durch die gebrochenen Augen keines intereſſanten Ausdrucks weiter faͤhig. Der Prieſter an ſich eine der unin- tereſſanteſten Perſonen, die wir uns bei dieſer Hand- lung denken koͤnnen, nimmt die Mitte des Bildes ein. Sein Koͤrper uͤber den Sterbenden hingebogen, in- dem er deſſen Augen mit Oehl beſtreicht, entzieht dem Zuſchauer groͤßeſtentheils den Anblick des Ster- benden. Vielleicht gewinnen wir noch dabei, denn das Q 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/257>, abgerufen am 25.11.2024.