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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Boccapaduli.

Die bildenden Künste haben nun kein anderes
Mittel den Zuschauer von dem Besonderen und Ei-
genen der Zeit in der, des Orts, an dem sich die
Begebenheit zugetragen hat, der Personen, die da-
bei interessirt gewesen sind, zu unterrichten, als daß
sie die Verschiedenheit der Gebräuche, der Moden,
des Geschmacks in Kleidung und Gebäuden, die ei-
genthümlichen Produkte eines jeden Landes andeuten,
und zuweilen sogar ihre Zuflucht zu Sinnbildern neh-
men. Diese zufälligen Unterscheidungszeichen einer
Begebenheit von andern, diese Andeutung des Mög-
lichen bei dem Würklichen, setzt eine Kenntniß von
Zeiten und Ländern zum Voraus, die sich weiter als
der Kreis unserer täglichen Erfahrungen erstreckt.

Hier aber bitte ich vorzüglich zu erwägen, auf
welche Kenntnisse der Künstler bei seinen Beschauern
rechnen darf. Er arbeitet nicht für eine bestimmte
Classe von Menschen, etwa für Gelehrte, für Ge-
schichtsforscher; nein! er arbeitet für wohlerzogene
Menschen überhaupt, die durch Wohlstand und Muße
auf den Genuß gesellschaftlicher Talente berechtiget
sind.

Um zu erfahren, welche Kenntnisse diesen ge-
läufig sind, darf er nur auf die Art Rücksicht nehmen,
wie sie dieselben einsammeln, auf den Zweck, zu dem
sie einsammeln. Sie suchen Nahrung für ihr Herz,
für ihre Einbildungskraft, höchstens Unterhaltung
ihres Verstandes, und schöpfen diese nicht aus den
Jahrbüchern der Critik, sondern aus den oft sehr
unzuverläßigen Quellen der Conversation, der Ge-
mählde-Gallerien, der Dichter und solcher Geschicht-

schrei-
Pallaſt Boccapaduli.

Die bildenden Kuͤnſte haben nun kein anderes
Mittel den Zuſchauer von dem Beſonderen und Ei-
genen der Zeit in der, des Orts, an dem ſich die
Begebenheit zugetragen hat, der Perſonen, die da-
bei intereſſirt geweſen ſind, zu unterrichten, als daß
ſie die Verſchiedenheit der Gebraͤuche, der Moden,
des Geſchmacks in Kleidung und Gebaͤuden, die ei-
genthuͤmlichen Produkte eines jeden Landes andeuten,
und zuweilen ſogar ihre Zuflucht zu Sinnbildern neh-
men. Dieſe zufaͤlligen Unterſcheidungszeichen einer
Begebenheit von andern, dieſe Andeutung des Moͤg-
lichen bei dem Wuͤrklichen, ſetzt eine Kenntniß von
Zeiten und Laͤndern zum Voraus, die ſich weiter als
der Kreis unſerer taͤglichen Erfahrungen erſtreckt.

Hier aber bitte ich vorzuͤglich zu erwaͤgen, auf
welche Kenntniſſe der Kuͤnſtler bei ſeinen Beſchauern
rechnen darf. Er arbeitet nicht fuͤr eine beſtimmte
Claſſe von Menſchen, etwa fuͤr Gelehrte, fuͤr Ge-
ſchichtsforſcher; nein! er arbeitet fuͤr wohlerzogene
Menſchen uͤberhaupt, die durch Wohlſtand und Muße
auf den Genuß geſellſchaftlicher Talente berechtiget
ſind.

Um zu erfahren, welche Kenntniſſe dieſen ge-
laͤufig ſind, darf er nur auf die Art Ruͤckſicht nehmen,
wie ſie dieſelben einſammeln, auf den Zweck, zu dem
ſie einſammeln. Sie ſuchen Nahrung fuͤr ihr Herz,
fuͤr ihre Einbildungskraft, hoͤchſtens Unterhaltung
ihres Verſtandes, und ſchoͤpfen dieſe nicht aus den
Jahrbuͤchern der Critik, ſondern aus den oft ſehr
unzuverlaͤßigen Quellen der Converſation, der Ge-
maͤhlde-Gallerien, der Dichter und ſolcher Geſchicht-

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[226/0240] Pallaſt Boccapaduli. Die bildenden Kuͤnſte haben nun kein anderes Mittel den Zuſchauer von dem Beſonderen und Ei- genen der Zeit in der, des Orts, an dem ſich die Begebenheit zugetragen hat, der Perſonen, die da- bei intereſſirt geweſen ſind, zu unterrichten, als daß ſie die Verſchiedenheit der Gebraͤuche, der Moden, des Geſchmacks in Kleidung und Gebaͤuden, die ei- genthuͤmlichen Produkte eines jeden Landes andeuten, und zuweilen ſogar ihre Zuflucht zu Sinnbildern neh- men. Dieſe zufaͤlligen Unterſcheidungszeichen einer Begebenheit von andern, dieſe Andeutung des Moͤg- lichen bei dem Wuͤrklichen, ſetzt eine Kenntniß von Zeiten und Laͤndern zum Voraus, die ſich weiter als der Kreis unſerer taͤglichen Erfahrungen erſtreckt. Hier aber bitte ich vorzuͤglich zu erwaͤgen, auf welche Kenntniſſe der Kuͤnſtler bei ſeinen Beſchauern rechnen darf. Er arbeitet nicht fuͤr eine beſtimmte Claſſe von Menſchen, etwa fuͤr Gelehrte, fuͤr Ge- ſchichtsforſcher; nein! er arbeitet fuͤr wohlerzogene Menſchen uͤberhaupt, die durch Wohlſtand und Muße auf den Genuß geſellſchaftlicher Talente berechtiget ſind. Um zu erfahren, welche Kenntniſſe dieſen ge- laͤufig ſind, darf er nur auf die Art Ruͤckſicht nehmen, wie ſie dieſelben einſammeln, auf den Zweck, zu dem ſie einſammeln. Sie ſuchen Nahrung fuͤr ihr Herz, fuͤr ihre Einbildungskraft, hoͤchſtens Unterhaltung ihres Verſtandes, und ſchoͤpfen dieſe nicht aus den Jahrbuͤchern der Critik, ſondern aus den oft ſehr unzuverlaͤßigen Quellen der Converſation, der Ge- maͤhlde-Gallerien, der Dichter und ſolcher Geſchicht- ſchrei-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/240>, abgerufen am 22.11.2024.