Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.Pallast Boccapaduli. gewahr werden, daß es ihm an der Einbildungskraftfehlte, die eine sichtbare Begebenheit wie eine Er- scheinung faßt, an dem Gefühle, welches das We- sentliche von dem Unwesentlichen ausscheidet, endlich an den mechanischen Talenten der Hand, die den Ge- danken der Seele ohne merklichen Abfall auf das Tuch hinzaubern. 1) Poussin erzählte die Begebenheiten, die er aus Einige Kunstrichter können unsern Künstler we-Prüfung der Mich 1) Ich erinnere hier wieder, daß ich bei dem Urtheil
über den Stil eines Künstlers nicht auf einzelne Ausnahmen, sondern auf die Fehler und die Vor- züge Rücksicht nehme, die man gewöhnlich in sei- nen Werken findet. Pallaſt Boccapaduli. gewahr werden, daß es ihm an der Einbildungskraftfehlte, die eine ſichtbare Begebenheit wie eine Er- ſcheinung faßt, an dem Gefuͤhle, welches das We- ſentliche von dem Unweſentlichen ausſcheidet, endlich an den mechaniſchen Talenten der Hand, die den Ge- danken der Seele ohne merklichen Abfall auf das Tuch hinzaubern. 1) Pouſſin erzaͤhlte die Begebenheiten, die er aus Einige Kunſtrichter koͤnnen unſern Kuͤnſtler we-Pruͤfung der Mich 1) Ich erinnere hier wieder, daß ich bei dem Urtheil
uͤber den Stil eines Kuͤnſtlers nicht auf einzelne Ausnahmen, ſondern auf die Fehler und die Vor- zuͤge Ruͤckſicht nehme, die man gewoͤhnlich in ſei- nen Werken findet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0235" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Pallaſt Boccapaduli.</hi></fw><lb/> gewahr werden, daß es ihm an der Einbildungskraft<lb/> fehlte, die eine ſichtbare Begebenheit wie eine Er-<lb/> ſcheinung faßt, an dem Gefuͤhle, welches das We-<lb/> ſentliche von dem Unweſentlichen ausſcheidet, endlich<lb/> an den mechaniſchen Talenten der Hand, die den Ge-<lb/> danken der Seele ohne merklichen Abfall auf das<lb/> Tuch hinzaubern. <note place="foot" n="1)">Ich erinnere hier wieder, daß ich bei dem Urtheil<lb/> uͤber den Stil eines Kuͤnſtlers nicht auf einzelne<lb/> Ausnahmen, ſondern auf die Fehler und die Vor-<lb/> zuͤge Ruͤckſicht nehme, die man gewoͤhnlich in ſei-<lb/> nen Werken findet.</note></p><lb/> <p>Pouſſin erzaͤhlte die Begebenheiten, die er aus<lb/> der Geſchichte oder Fabel waͤhlte, mit allen begleiten-<lb/> den Umſtaͤnden. Waͤre er ein Geſchichtſchreiber ge-<lb/> worden, ſo iſt zu glauben, daß er mit eben ſo viel<lb/> Witz als Voltaire, den Vorzug einer groͤßeren hiſto-<lb/> riſchen Treue uͤber ihn gehabt haben wuͤrde.</p><lb/> <p>Einige Kunſtrichter koͤnnen unſern Kuͤnſtler we-<note place="right">Pruͤfung der<lb/> Verdienſte<lb/> des Pouſſins<lb/> um das Ueb-<lb/> liche.</note><lb/> gen der Sorgfalt, mit der er das Uebliche beobach-<lb/> tete, nicht genung loben. Andere hingegen werfen<lb/> ihm vor, daß er ſo viel Muͤhe darauf gewandt habe,<lb/> die Scene zu bezeichnen, daß der Ausdruck der<lb/> Handlung, die darauf vorgieng, daruͤber verlohren<lb/> gehen muͤſſen. In dieſem Verſtande gilt das Wort,<lb/> das ich mich erinnere irgendwo beim Mengs geleſen<lb/> zu haben: „Zu einem Gemaͤhlde, an welches die<lb/> vorzuͤglichſten Mahler neuerer Zeit Hand anlegen<lb/> wuͤrden, duͤrfte Pouſſin nur den Grund angeben.“</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Mich</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [221/0235]
Pallaſt Boccapaduli.
gewahr werden, daß es ihm an der Einbildungskraft
fehlte, die eine ſichtbare Begebenheit wie eine Er-
ſcheinung faßt, an dem Gefuͤhle, welches das We-
ſentliche von dem Unweſentlichen ausſcheidet, endlich
an den mechaniſchen Talenten der Hand, die den Ge-
danken der Seele ohne merklichen Abfall auf das
Tuch hinzaubern. 1)
Pouſſin erzaͤhlte die Begebenheiten, die er aus
der Geſchichte oder Fabel waͤhlte, mit allen begleiten-
den Umſtaͤnden. Waͤre er ein Geſchichtſchreiber ge-
worden, ſo iſt zu glauben, daß er mit eben ſo viel
Witz als Voltaire, den Vorzug einer groͤßeren hiſto-
riſchen Treue uͤber ihn gehabt haben wuͤrde.
Einige Kunſtrichter koͤnnen unſern Kuͤnſtler we-
gen der Sorgfalt, mit der er das Uebliche beobach-
tete, nicht genung loben. Andere hingegen werfen
ihm vor, daß er ſo viel Muͤhe darauf gewandt habe,
die Scene zu bezeichnen, daß der Ausdruck der
Handlung, die darauf vorgieng, daruͤber verlohren
gehen muͤſſen. In dieſem Verſtande gilt das Wort,
das ich mich erinnere irgendwo beim Mengs geleſen
zu haben: „Zu einem Gemaͤhlde, an welches die
vorzuͤglichſten Mahler neuerer Zeit Hand anlegen
wuͤrden, duͤrfte Pouſſin nur den Grund angeben.“
Pruͤfung der
Verdienſte
des Pouſſins
um das Ueb-
liche.
Mich
1) Ich erinnere hier wieder, daß ich bei dem Urtheil
uͤber den Stil eines Kuͤnſtlers nicht auf einzelne
Ausnahmen, ſondern auf die Fehler und die Vor-
zuͤge Ruͤckſicht nehme, die man gewoͤhnlich in ſei-
nen Werken findet.
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